Liebestoll im Abendrot - Tasogare

Sexfilm | Japan 2007 | 64 Minuten

Regie: Shinji Imaoka

Ein 65-jähriger japanischer Witwer und Schwerenöter erfährt vorübergehend neues Liebesglück mit einer gleichaltrigen, von ihren Kindern unterdrückten und aus religiösen Gründen gehemmten Frau. Auf der Folie und nach den Regeln des japanischen Sexfilm-Genres der "pinku eiga" ("Pink Movie") entwickelt der Film das heikle Thema "Sex im Alter" mit Humor im Rahmen einer melancholischen Komödie mit erotischen Einlagen, aber ohne pornografische Entgleisungen. Er mündet in eine bittersüße Schlussnote, die trotz der Sexszenen einiges über die Gewichtung von Eros und Emotion im Film aussagt. (O.m.d.U.)
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Filmdaten

Originaltitel
TASOGARE | IKUTSU NI NATTE MO YARITAI OTOKO TO ONNA
Produktionsland
Japan
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
Kokuei/Shintoho/V Paradise
Regie
Shinji Imaoka
Buch
Akira Taniguchi
Kamera
Eiichi Sakuma
Musik
Bito
Schnitt
Shôji Sakai
Darsteller
Masaru Taga (Funakichi) · Yasuko Namikibashi (Kazuko) · Kyoko Hayami (Takako) · Kenji Yoshioka (Takao) · Kanako Kotani (Katsuko)
Länge
64 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Genre
Sexfilm | Komödie
Externe Links
IMDb | TMDB

Heimkino

Verleih DVD
REM (16:9, 1.85:1, DD2.0 jap., DD5.1 dt.)
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Diskussion
Der 65-jährige Funakichi besucht seine Frau im Krankenhaus. Sie hat höchstens noch einige Wochen zu leben, sagt der Arzt. Doch die krebskranke Frau will mehr Zuwendung als die üblichen Blumen am Krankenhausbett. Ihrem Wunsch nach sexueller Befriedigung kommt Funakichi mit der Hand unter der Bettdecke nach. Die Kamera konzentriert sich auf sein Gesicht, in dem sich Rührung und Trauer mischen. Mindestens alle zehn Minuten, so lautet das Gesetz des japanischen „pinku eiga“ („Pink Movie“), muss eine Sexszene platziert werden. Pink-Spezialist Shinji Imaoka hält sich daran – und packt zugleich mehr als ein heißes Eisen an, wobei sein übergreifendes Thema „Sex im Alter“ allein heikel genug ist. Imaoka setzt das in Ost und West gemeinhin tabuisierte Sujet mit Geschmack und Humor in Szene, erzählt die Geschichte des Witwers und Schwerenöters Funakichi als melancholische Komödie mit genreüblichen erotischen Einlagen. Da es im Großen und Ganzen um die ernsthafte Frage geht, was Menschen im Alter vom Leben und der Liebe noch erwarten können und dürfen, wirkt der deutsche Verleihtitel wie ein verspäteter Ritt auf der deutschen Sexwelle der 1970er-Jahre – und ist dementsprechend ziemlich deplatziert. Das Original heißt schlicht „Tasogare“, was „Zwielicht“ oder „Lebensabend“ bedeutet, wobei man es getrost hätte belassen können. Das Softsex-Genre des „pinku eiga“ ist im Halbschatten zwischen Kunst und Kommerz angesiedelt. Seit den 1960er-Jahren sind gut 5.000 „Pink“-Filme entstanden, die aufgrund anhaltend rigider Zensurbestimmungen in Japan auf expliziten Sex verzichten müssen. Weitere Charakteristika dieser Filme sind eine kurze Drehzeit, das niedrige Budget und die knappe, rund einstündige Laufzeit. Gerade jüngere „Pink“-Regisseure wie Shinji Imaoka nutzen ihr Nischen-Dasein, um mit filmischen Formen zu experimentieren. In „Tasogare“ trifft Funakichi bei einem Klassentreffen mit zwei Schulfreunden zusammen. Beim Reiswein tauscht sich das Trio über gemeinsame Erotik-Erlebnisse während der Pubertät aus. Eine Rückblende zeigt die Männer als Jugendliche, wie sie ein junges Paar heimlich beim Sex beobachten, wobei Imaoka die Jungenrollen ebenfalls mit seinen reifen Darstellern besetzt. Nur ein Beispiel dafür, dass der Regisseur die kargen Produktionsbedingungen komödiantisch umzumünzen weiß. Ohne sich über seinen lüsternen Helden lustig zu machen, streift der Film auch in den meisten anderen Sexszenen – etwa mit einer jüngeren Bardame, die sich mit Funakichi regelmäßig die Zeit vertreibt – das Absurde, ohne jenen monströsen Humor zu entwickeln, dem beispielsweise Tsai Ming-liangs „The Wayward Cloud“ seinen „Silbernen Bären“ bei der „Berlinale“ 2005 verdankte – ein Film, der vom „Pink“-Genre deutlich beeinflusst ist. Anders als dort thematisiert „Tasogare“ allerdings nicht die existenzielle Kälte zwischen Stadtbewohnern. Dort war die Eisigkeit der Beziehungen der Motor für pornografische Entgleisungen, hier wirkt der Sex wie eine normale Tätigkeit neben Teekochen oder Bettenaufschütteln. Die eher unkomplizierten Protagonisten wissen im Grunde genau, was sie wollen, und sind trotz ihres Alters auch ziemlich standfest im Verfolgen ihrer Ziele. Im Zentrum steht die neu aufflammende Liebe zwischen Funakichi und der gleichaltrigen Kazuko, die er auf dem erwähnten Klassentreffen wiedersieht und die ebenfalls ihren Partner verloren hat. Es kostet Funakichi einige Überredungskunst und eine Nacht im bonbon-barocken Liebeshotel, um die von ihren Kindern unterdrückte, aus religiösen Gründen gehemmte Kazuko davon zu überzeugen, dass Sex im Rentenalter ein wahrer Jungbrunnen sein kann. Mit neuem Körperbewusstsein stellt sich Kazuko schließlich vor ihren Sohn und die Schwiegertochter hin, verkündet stolz, dass sich bei ihr in den vergangenen 40 Jahren nicht viel geändert habe – und nimmt Funakichi mit aufs Zimmer. Dass sie sich am Ende doch gegen Liebe und Verlangen entscheidet und mit den Kindern in eine andere Stadt zieht, verleiht dem Film eine bittersüße Schlussnote. Lässt die Libido auch nach, herrschen die Gefühle doch bis zum Schluss. Womit, trotz der Sexszenen, einiges über die Gewichtung von Eros und Emotion im Film gesagt ist.
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