- | Großbritannien 1976 | 82 Minuten

Regie: Derek Jarman

Der römische Offizier Sebastiane wird 303 n.Chr. auf einen Außenposten strafversetzt, wo er wegen seines christlichen Glaubens angefeindet wird. Als er die sexuellen Avancen eines Vorgesetzten zurückweist, wird ihm dies zum Verhängnis. Ein zu seiner Entstehungszeit provokativer Film, der die Figur des Heiligen Sebastian als homoerotische Ikone ausstellt. Sadomasochistisch aufgeladen, bietet er außer dem Zelebrieren männlicher Schönheit und dem sexuellen Tabubruch aber wenig Substanz. (Latein m.e.U.)
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Filmdaten

Originaltitel
SEBASTIANE
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
1976
Produktionsfirma
Megalovision
Regie
Derek Jarman · Paul Humfress
Buch
Derek Jarman · James Whaley
Kamera
Peter Middleton
Musik
Brian Eno · Andrew Wilson
Schnitt
Paul Humfress
Darsteller
Leonardo Treviglio (Sebastiane) · Barney James (Severus) · Neil Kennedy (Max) · Richard Warwick (Claudius) · Ken Hicks (Adrian)
Länge
82 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
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Heimkino

Verleih DVD
Salzgeber (16:9, 1.85:1, DD2.0 Latein)
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Diskussion
Durch andauernde Tumulte im ohnehin destabilisierten römischen Reich des Jahres 303 n. Chr. sieht Kaiser Diokletian sich gezwungen, die alten Gottheiten erneut zu inthronisieren. Das zuvor geduldete Christentum ist damit einer letzten großen Verfolgungswelle ausgesetzt. In den Strudel der Ereignisse gerät auch ein Offizier der Palastwache namens Sebastiane, der während eines Bacchanals anlässlich der 20-jährigen Herrschaftsfeier des Kaisers Partei für einen Pagen ergreift, der des Christentums bezichtigt wird. Der schöne Offizier wird degradiert und auf eine Außenbastion des Reiches versetzt, wo ihm seine Kameraden mit Argwohn begegnen, weil sie ihn für einen verkappten Christen halten. Sein Centurio fühlt sich allerdings unwiderstehlich zu ihm hingezogen und gerät zunehmend in Rage, als sich Sebastiane, angesichts einer sich sehr salopp gebenden homoerotischen Soldatengesellschaft, seinen Annäherungen widersetzt. Die zurückgewiesene Liebe schlägt in Hass um. Sebastiane muss drakonische Strafen über sich ergehen lassen, bis er, an einen Baum gefesselt, durch die Pfeile seiner Kameraden hingerichtet wird. Ein Märtyrertod für die Christenheit? Oder ein Racheopfer für verweigerte homosexuelle Zuneigung? Regisseur Derek Jarman lässt diese Frage offen. Obwohl er Sebastianes Passionsgeschichte nahezu aufdringlich in die christliche Ikonografie einbettet, wenn er ihn alle Stationen des Kreuzweges durchleiden lässt (von der Geißelung bis zur symbolischen Kreuzigung) überwiegt der homoerotische Kontext. Letztlich stellt Jarman eine schwule Ikone aus, den einzigen Märtyrer, der in der Kunstgeschichte nackt dargestellt wurde: ein junger Mann mit makellosem Körper, der am Ende seines Leidenswegs von phallischen Pfeilen durchbohrt wird. Dies mag im Entstehungsjahr des Films (1976) legitim, vielleicht sogar geboten gewesen sein, um Akzeptanz für homoerotische Leidenschaft einzufordern; heute wirkt vieles indes maniriert, fast kunstgewerblich. Peter Middletons Fotografie des auf Sardinien gedrehten Films zelebriert nackte Männerkörper. Die Kamera kann sich von den knackigen Gesäßen der Laiendarsteller kaum losreißen; sie liebt Gegenlicht, Zeitlupe und immer wieder Aufnahmen von Wasser, das an der glatten Haut der Darsteller abperlt. Bilder, die eine Verheißung enthalten und von einem paradiesischen Urzustand künden, der Unschuld und Begehren zugleich umfasst. Allerdings versteht man nicht, warum die Darsteller, nur mit Lendenschurz, Sandalen und Helm bekleidet, ihre Körper hedonistisch inszenieren und warum etliche Szenen eindeutig sado-masochistisch konnotiert sind. Die Verdienste Jarmans um die Akzeptanz homosexueller Menschen sind ebenso unumstritten wie seine späteren Filme zum Thema, die dies auf höchst artifizielle Weise zur Sprache brachten („Caravaggio“, fd 26021, „Edward II.“, fd 2 507, „Wittgenstein“, fd 30647), insbesondere der wundervolle (Dokumentar-)Film „The Garden“ (1989), in dem Jarman, von Aids gezeichnet, im Kreise seiner Freunde Abschied nimmt und der das Schaffen Jarmans auf den Punkt brachte. Ein in sich ruhendes Leben in einer selbst geschaffenen Idylle in Sichtweite der Bedrohung durch das Kernkraftwerk auf der Halbinsel Dungeness, in dem sich Jarman auch im übertragenen Sinne als Gärtner, als Gestalter erweist. Der in Deutschland nun erstmals aufgeführte Film „Sebastiane“, für dessen Musik der Rockmusiker Brian Eno gewonnen wurde, schließt nun zwar eine Lücke in der Filmografie des Regisseurs, doch darf bezweifelt werden, ob der komplett in Latein gedrehte Film (mit spärlichen englischen Untertiteln) wirklich einem tieferen Verständnis Jarmans dient. Eher steht zu befürchten, dass der Film und mit ihm sein Regisseur, abgesehen vom Kreis eingeweihter Jarman-Liebhaber, eher Ablehnung und Widerstand provoziert.
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