Neulich in Belgien

Liebesfilm | Belgien 2008 | 106 Minuten

Regie: Christophe Van Rompaey

Eine belgische Angestellte und Mutter Mitte 40, die von ihrem Mann verlassen wurde, lernt einen 14 Jahre jüngeren LKW-Fahrer kennen. Anfangs widersetzt sie sich dessen ungestümen Avancen, lässt sich dann aber auf die unmöglich erscheinende Beziehung ein. Ein von herber Alltagsrealität durchzogener Liebesfilm, der durch seine unverkrampfte Mischung aus komödiantischen und dramatischen Momenten beeindruckt, wobei die Tiefe menschlicher Gefühle ausgelotet wird, ohne die Geschichte intellektuell zu überfrachten. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
AANRIJDING IN MOSCOU
Produktionsland
Belgien
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
A Private View
Regie
Christophe Van Rompaey
Buch
Jean-Claude Van Rijckeghem · Pat van Beirs
Kamera
Ruben Impens
Musik
Tuur Florizoone
Schnitt
Alain Dessauvage
Darsteller
Barbara Sarafian (Matty) · Jurgen Delnaet (Johnny) · Johan Heldenbergh (Werner) · Anemone Valcke (Vera) · Sofia Ferri (Fien)
Länge
106 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Liebesfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Senator (16:9, 1.78:1, DD5.1 fläm./dt.
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Diskussion
"Mein Mann hat die Midlife-Crisis, meine älteste Tochter ist in der Pubertät, meine jüngste Tochter denkt, sie wär in der Pubertät, und mein Sohn wünscht, er wäre schon in der Pubertät.“ Die 43-jährige Postangestellte Matty wirkt ein wenig ausgelaugt, seit ihr Mann, ein Kunstprofessor, vor fünf Monaten zu einer seiner Studentinnen gezogen ist. Eigentlich möchte sie gerne etwas zur Ruhe kommen, aber die Verantwortung für ihre Kinder und ihr wenig erfülltes Berufsleben zerren an ihren Nerven. Ein harmloser Zusammenstoß auf dem Parkplatz bringt sie deshalb völlig aus der Fassung, zumal der andere, ein scheinbar ungehobelter Trucker, fortan auch in ihrem Privatleben „herumspukt“. Denn Johnny verliebt sich in die 14 Jahre ältere Matty. Nach einem Glas Wein und einem One-Night-Stand möchte diese das Verhältnis eigentlich beenden, zumal sie immer noch auf die Rückkehr ihres Mannes hofft. Doch dann sitzt Johnny immer öfter mit am Frühstückstisch und freundet sich mit den beiden jüngeren Kindern an; nur die 17-jährige Vera zeigt ihm die kalte Schulter. Als Matty aber von Johnnys krimineller Vergangenheit erfährt, die lesbische Neigung ihrer Tochter entdeckt, ihr Mann wie ihr Geliebter plötzlich gemeinsam zum Essen aufkreuzen und sie überdies Zeugin einer aggressiven Wiederbegegnung Johnnys mit seiner „Ex“-Frau und deren „Neuem“ wird, droht ihr alles über den Kopf zu wachsen. Dann aber trifft sie eine Entscheidung, mit der weder sie noch der Zuschauer gerechnet haben. Der Originaltitel „Aanrijding in Moscou“ verweist auf jenes Arbeiterviertel von Gent, in dem der Film gedreht wurde und aus dem Co-Autor Jean-Claude Van Rijckeghem stammt. Vielleicht ist der Ton des Films deshalb so authentisch, dass man das Gefühl hat, selbst durch das Viertel und seine Kneipen zu wandern oder mit am Küchentisch zu sitzen. Keines der Probleme kommt einem fremd vor, und trotz ihrer beträchtlichen Anzahl wirkt die Geschichte nicht überladen. Das liegt vor allem daran, dass Buch und Regie nie geschwätzig werden und die Szenen auf den Punkt inszeniert sind. Gesten, Blicke oder ein in sich hineinhorchendes Lächeln erzählen oft mehr als Worte. Selbst Peinlichkeiten wie Johnnys Karaoke-Liebeserklärung an Matty oder die Gewalttätigkeit bei der Begegnung mit seiner früheren Frau werden so aufgelöst, dass der unnachgiebige Liebhaber nicht denunziert oder ihm die Sympathie entzogen wird. Es sind die gelungene Mischung aus dramatischen und komödiantischen Momenten und die lebensnah gezeichneten Figuren, die die Geschichte so nahe an die Wirklichkeit rücken. Die seelischen Verletzungen, die Schuldgefühle, das gestörte Selbstvertrauen, die Hoffnung auf eine neue Liebe, aber auch die Ängste vor einer Beziehung – all das schwingt in den Gesprächen mit, die auf alltägliche Art und Weise in die Tiefe gehen, ohne intellektuell verquast zu sein. Diese Unverkrampftheit, die sich auch im Spiel der Darsteller widerspiegelt, macht den Reiz dieses Kinodebüts aus. Selbst so gewagt scheinende „Überfrachtungen“ wie die erste (lesbische) Liebe der ältesten Tochter werden unaufgeregt in den ausgefransten Gefühlsteppich der Familie eingewoben. Und Ruben Impens’ Kamera passt sich mit ihren schnörkellosen Bildern, die nahe an den Protagonisten bleiben, ohne aufdringlich zu wirken, dem wunderbar Menschen beobachtenden und porträtierenden Konzept an.
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