Krimi | VR China/Hongkong 2007 | 87 Minuten

Regie: Johnnie To

Eine geheimnisvolle, schöne Frau engagiert vier Hongkonger Meisterdiebe, die ein Dokument aus dem Besitz eines mächtigen Bosses stehlen sollen. Nach Anlaufschwierigkeiten kommt es zum furiosen Showdown. Eine ungewöhnliche Hommage an französische Gaunerkomödien und Hollywood-Musicals der 1950er-Jahre, die sich ganz der Musik sowie der Abfolge virtuos choreografierter Bewegungen verpflichtet und dabei von einer unbekümmerten Schwerelosigkeit geprägt ist. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
MAN JEUK
Produktionsland
VR China/Hongkong
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
Milkyway Image/Newlink Development/Universe Ent.
Regie
Johnnie To
Buch
Chan Kin Chung · Fung Chi Keung
Kamera
Siu-Keung Cheng
Musik
Fred Avril · Xavier Jamaux
Schnitt
David M. Richardson
Darsteller
Simon Yam (Kei) · Kelly Lin (Chun Lei) · Ka-tung Lam (Bo) · Lo Hoi-pang (Mr. Fu) · Kenneth Cheung (Mac)
Länge
87 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0 (DVD)
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Krimi | Komödie
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
MFA (16:9, 2.35:1, DD5.1 dt.)
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Diskussion
Im Zeitalter von „Ocean’s Eleven“ (fd 35 218) haftet dem Beruf des Taschendiebes etwas Altmodisches, ja fast schon Romantisches an. Johnnie Tos „Sparrow“ spielt zwar im heutigen Hongkong, ist aber ansonsten eher der Vergangenheit zugewandt. Seine musikalische Komödie über vier „Spatzen“ – Sparrow bezeichnet im Hongkonger Slang einen Taschendieb – ist eine Hommage an die französischen Gaunerkomödien und Hollywood-Musicals der 1950er-Jahre, vor allem aber eine charmante Aufforderung, dem Leben mit Leichtigkeit, Stil und Eleganz zu begegnen. Bo, Mac, Sak und Kei arbeiten als professionelle Taschendiebe zusammen – als Bande mag man sie dennoch kaum bezeichnen, denn ihre Tätigkeit hat wenig mit herkömmlicher Beschaffungskriminalität zu tun. Ihre präzise durchchoreografierten Diebstähle auf den Straßen der Stadt wirken eher wie anmutige Ballettaufführungen: Die Diebe sind Teil eines meisterhaften Ensembles und die vollen Portemonnaies scheinen zu ihren neuen Besitzern förmlich hinüber zu tanzen. Eine geheimnisvolle, schöne Frau taucht plötzlich auf, sie möchte die „Spatzen“ dazu anstiften, ein wichtiges Dokument für sie zu stehlen. Da sich dieses aber im Besitz von Mr. Fu, einem reichen und mächtigen Boss befindet, kommt es zunächst zu einigen Arm- und Beinbrüchen, bis ein spektakulärer Showdown mit Rasierklingen das Abenteuer beendet. Danach geht es wieder in den gewöhnlichen Alltag zurück; mit einem klapprigen Fahrrad fährt man gemeinsam zur „Arbeit“. Die Geschichte von „Sparrow“ mag nicht gerade aufregend und schon gar nicht rund erzählt sein, ist aber so offensichtlich nebensächlich, dass man sie ohnehin nur im Hintergrund wahrnimmt. To geht es in diesem für ihn eher untypischen Film (Anhänger seiner Actionfilme reagieren auf den neuen Film eher befremdet) vor allem um Musik und Bewegung. Egal, ob die schöne Fremde einen der Diebe unter den Tisch trinkt oder ein anderer ihr im Aufzug begegnet, immer liegt das Augenmerk ganz auf der virtuosen Abfolge von Bewegungen, die durch einen swingenden Soundtrack den Charakter von Musicalnummern annehmen. Wirklich ernst nimmt sich To dabei jedoch nicht; einige ulkige Slapstick-Momente lassen die Hommage an das Gaunerfilm-Genre fast wie eine Persiflage aussehen. In einer sehr ausgedehnten Szene wird das choreografische Element des Films ironisch auf die Spitze getrieben: Bei strömendem Regen treten die Spatzen Mr. Fu und dessen Gefolgsleuten auf Hongkongs nächtlichen Straßen entgegen – zu einem Wettkampf der Taschendiebe und einem Reigen aus Regenschirmen, Mänteln, Pfützen und Rasierklingen. Man kann „Sparrow“ allzu leicht den Vorwurf machen, zu nichtig und harmlos zu sein, zu verliebt in formale Spielereien. Das trifft alles zu. Dennoch: Der Schwerelosigkeit dieses außergewöhnlich unbekümmerten Films kann man sich kaum entziehen. Angenehm unambitioniert sind außerdem die Anklänge an ein vergangenes Kino – sie kommen ganz ohne die demonstrative Zitatmanie bzw. Zurschaustellung von Insiderwissen aus, die man bei Tos großem Bewunderer, Quentin Tarantino, manchmal als allzu angestrengt empfindet. Mit der Figur von Kei, der in seiner Freizeit mit einem alten Fotoapparat durch die Stadt streift, hat To zudem auf sehr beiläufige Art die Veränderungen der Stadt Hongkong festgehalten. Zahlreiche alte Gebäude mussten neuen, modernen Komplexen aus Glas und Stahl weichen, die bekannten Coffee-Shop-Ketten sind auch hier überpräsent. Doch To ist weit davon entfernt, ein Nostalgiker zu sein. Er möchte nur ein Stück Vergangenheit im Jetzt aufleben lassen. Wozu passt, dass sein nächster Film ein Remake eines Thrillers von Jean-Pierre Melville sein wird.
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