Mein Freund aus Faro

- | Deutschland 2008 | 93 Minuten

Regie: Nana Neul

Eine junge Frau mit kurzen Haaren und burschikosem Auftreten wird von zwei Anhalterinnen für einen Jungen gehalten und hält das Bild aufrecht, als sie sich in eine der minderjährigen Mitfahrerinnen verliebt. Eine konsequente Mischung aus Coming-out und Coming-of-Age, die ihr Gelingen der großartigen Hauptdarstellerin und der sensiblen Schauspielführung der Regisseurin zu verdanken hat, die es darüber hinaus versteht, durch kleine Gesten (Gefühls-)Welten aufzuschlüsseln. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
Wüste Film West/WDR
Regie
Nana Neul
Buch
Nana Neul
Kamera
Leah Striker
Musik
Jörg Follert
Schnitt
Dora Vajda
Darsteller
Anjorka Strechel (Mel) · Lucie Hollmann (Jenny) · Manuel Cortez (Nuno) · Florian Panzner (Knut) · Tilo Prückner (Willi Wandel)
Länge
93 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Externe Links
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Diskussion
Ihre dunklen Haare sind kurz geschnitten, die Arme kräftig, sie trägt weite Hosen und hat den Gang eines Jungen. Melanie wird Mel gerufen, sie liebt ihr rotes Auto mit den weißen Rallye-Streifen, und für ihren großen Bruder Knut ist sie eher ein kleiner Bruder als die kleine Schwester. Nana Neuls Langfilmdebüt „Mein Freund aus Faro“ umkreist die Lebenswelt und die Sehnsüchte von Mel, ohne sich dabei im Klischee zu verlieren. Der Blick der Regisseurin und Drehbuchautorin ist liebevoll-zurückhaltend, sie benötigt für die Charakterisierung ihrer Hauptfigur keine grellen Symbole oder starken Metaphern. Eines Nachts läuft Mel die Liebe vor das Auto: die 14-jährige Jenny, mit langen, blonden Haaren und Schmollmund, aufgedonnert für den verbotenen Ausflug in die Provinzdisco. Jenny und ihre Freundin Bianca halten Mel für einen Jungen; die zögert kaum und nimmt die unerwartete Verwechslung als Geschenk. Von nun an ist sie für Jenny Miguel, ein Portugiese aus Faro. Doch auch ihrem Vater und ihrem Bruder, mit denen Mel in einem Häuschen zusammenlebt, beginnt sie etwas vorzuspielen. Sie bezahlt Nuno, den portugiesischen Arbeitskollegen in der Flugzeug-Catering-Fabrik dafür, dass er sich zu Hause als ihr neuer Freund Miguel ausgibt. Das doppelte Spiel entsteht wie von selbst, aus Mels Not heraus, und wirkt deshalb nie konstruiert. Dies ist vor allem der 26-jährigen Hauptdarstellerin Anjorka Strechel in ihrer ersten Kinorolle zu verdanken. Eine andere Darstellerin hätte die vielen Gefühlszwischentöne, die Wechselbäder zwischen Freude und Verletzung, die langsame Selbstvergewisserung der Figur, vielleicht nicht so natürlich und sicher gemeistert. Schon allein mit dem schlenkernden, etwas ungeübten und doch aufreizend selbstbewussten Gang stellt die Schauspielerin Mels verunsicherte Persönlichkeit dar, die nach und nach Boden unter den Füßen gewinnt. Nana Neuls Schauspielführung ist sensibel und vorsichtig, es gibt kaum aufbrausende Reaktionen, die Darsteller nähern sich einander Schritt für Schritt an, sie sprechen leise. So werden die kleinen Gesten wichtig; die Regisseurin versteht es, über Nuancen Welten aufzuschlüsseln – weshalb die im deutschen Film so beliebten Erklärungen, etwa mit Hilfe strategisch platzierter Dialoge, überflüssig werden. Zusammen mit ihrer Kamerafrau Leah Striker hat die Regisseurin ein Farbkonzept erarbeitet, das ebenso wie die Ausstattung viel über die Charaktere, ihre Beziehungen und Träume verrät. Jenny lebt in einer weich ausgeleuchteten, pastellfarbenen Barbie-Welt, während Mel im dunklen Häuschen und grün überwucherten Garten wie gefangen wirkt – ihr rotes Auto erscheint in diesem Zusammenhang von Anfang an als Schlüssel zur Freiheit. Von Lukas Moodyssons „Raus aus Amal“ (fd 33 978) bis zu Kimberly Peirces „Boys Don’t Cry“ (fd 34 086) streift Neul Vorbilder und findet doch ihren ganz eigenen Weg für eine Liebesgeschichte zwischen Coming-Out und Coming-of-Age. Schwärmerische Sequenzen im Wald hinter der Fabrik alternieren mit humorvoll-romantischen Einschüben – Jenny folgt Mel alias Miguel einmal im weiß fließenden Kostüm der Prinzessin Leia aus „Krieg der Sterne“ in den Supermarkt. Über allem hängt das Fernweh, nach einem Ort, so unbestimmt und verlockend weit weg von der provinziellen Heimat wie Faro.
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