Fightgirl Ayse

Jugendfilm | Dänemark 2008 | 97 Minuten

Regie: Natasha Arthy

Energiegeladenes Coming-of-Age-Drama über eine 17-jährige Dänin türkischer Abstammung, deren doppelter Identitätsfindungsprozess zwischen interkulturellen Missverständnissen und dem universellen Abnabelungsprozess von ihren Eltern verläuft. Mit ihrer Teilnahme an einem Kung-Fu-Training findet sie Selbstvertrauen, provoziert aber auch ihre Familie. Tiefenscharfer Jugendfilm über das zeitgleiche Aufwachsen in den "Parallelgesellschaften", die durch den intelligenten Filmschnitt zur Einheit werden. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
FIGHTER
Produktionsland
Dänemark
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
Nimbus Film/Angel Films
Regie
Natasha Arthy
Buch
Natasha Arthy · Rasmus Heisterberg
Kamera
Sebastian Winterø
Musik
Frithjof Toksvig
Schnitt
Kasper Leick
Darsteller
Semra Turan (Aicha) · Nima Nabipour (Ali) · Cyron Bjørn Melville (Emil) · Molly Blixt Egelind (Sofie) · Sadi Tekelioglu (Aichas Vater)
Länge
97 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Jugendfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Koch (16:9, 2.35:1, DD5.1 dt./türk. & dt.)
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Diskussion
Der deutsch-türkische Verleih Maxximum machte sich in den letzten Jahren vor allem mit dem Vertrieb türkischer Box-Office-Hits einen Namen. Mit „Fightgirl Ayse“, einem Jugendfilm der Dänin Natasha Arthy, nahm man nun erstmals eine westeuropäische Produktion ins Programm, die sich einfühlsam mit der Lebenswelt seines Zielpublikums beschäftigt, ohne dabei auf Tempo zu verzichten. Mit den von Kung-Fu-Altmeister Xian Gao („Tiger and Dragon“, fd 34 652) choreografierten Martial-Arts-Einlagen dürften auch Action-Liebhaber auf ihre Kosten kommen. Im Fokus steht die 17-jährige türkischstämmige Aicha, die mit ihrer Familie in einem Hochhaus in Kopenhagen-Nord lebt: Hoher Einwandereranteil, an den Häuserwänden Graffitis, in den Straßen herrschen die großen Brüder als soziale Kontrolleure. Aicha wird jeden Tag von „Abi“ Ali mit dem Auto vom Gymnasium abgeholt, wo sie die Abschlussklasse besucht. Ihrem Vater liegt vor allem die Bildung seiner Kinder am Herzen – Bruder Ali schließt demnächst sein Medizinstudium ab. Da passen die Aktivitäten seiner Tochter, die in der schulischen Kung-Fu-AG zu den Besten gehört und nun in einen Verein wechseln soll, wo Frauen und Männer gemeinsam trainieren, gar nicht in den Plan. Genauso wenig wie ihre innige Freundschaft mit dem Dänen Emil: Ihre Eltern haben längst einen Sprössling aus einer bessergestellten Einwandererfamilie als Schwiegersohn ausgeguckt. Hier differenzieren sich bereits die üblichen Migrantenklischees; „Fightgirl Ayse“ stößt vom Neukölln unserer Vorurteilslandschaften in die Untiefen der inneren Konflikte einer ganz normalen Einwandererfamilie vor, die nicht nur zwischen „Tradition und Moderne“ zerrissen ist, wie es vereinfachend immer heißt, sondern auch vom Kampf ums soziale Ranking. Am sturen Prinzip, dass es die Kinder einmal besser haben sollen, entzweien sich auch Teenager aus Nicht-Migrantenfamilien mit ihren Eltern. Um in der Folge im Klassengefüge oftmals auf den hinteren Plätzen zu landen. Wie auch Aicha, deren heimlicher Wechsel in die gemischtgeschlechtliche Trainingsgruppe des chinesischen Kung-Fu-Meisters Shi Fu ausgerechnet bei der Verlobungsfeier ihres Bruders ans Licht kommt und dort zu einem handfesten Familienstreit führt. Aicha, die den Zorn ihres enttäuschten Vaters auf sich zieht, gerät in einen inneren Konflikt, aus dem sie auch das weitgehend sinnfreie Geschwafel ihrer dänischen Freundinnen nicht herausreißt. Die 17-Jährige befindet sich auf der ständigen Flucht, wird zu einer Art „Lola rennt“ zwischen den Parallelgesellschaften, die durch den intelligenten Schnitt dann doch wieder zu einer werden – schließlich geht es neben interkulturellen Missverständnissen auch um den universellen Abnabelungsprozess von den Eltern und ihren Ansprüchen, also um die Anforderungen eines mehrfachen Identitätsfindungsprozesses. Dass Aicha auf dieser Suche ausgerechnet bei den Martial Arts landet, entspricht für die Regisseurin durchaus der Realität: „Ich habe festgestellt, dass überraschend viele Mädchen mit mittelöstlichem Hintergrund irgendeine Form von Kampfsport betreiben. Dieser ,aggressive‘ Sport ist ein guter Kontrast zu dem Vorurteil der stillen und unterdrückten Mädchen, das viele haben.“ Arthy, die bisher vor allem Kinderfilme, aber auch den „Dogma“-Film „Alt, neu, geliehen und blau“ (fd 36 514) realisierte, überzeugt mit ihrem dritten abendfüllenden Spielfilm, einem energiegeladenen, tiefenscharfen Drama über das Erwachsenwerden in mehreren Welten.
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