Barmherzige Schwestern

Komödie | Deutschland 1992 | 98 Minuten

Regie: Annelie Runge

Zwei Krankenschwestern, die von aufsässigen Patienten und ihrem überheblichen Chef ständig kritisiert werden, verschaffen sich mit ungewöhnlichen Methoden persönliche Zuneigung und berufliche Anerkennung. Von Ironie und einem Schuß schwarzen Humor durchzogener Film, der genüßlich die "Halbgott-Ideologie" der Arztfilme der 50er Jahre auf die Schippe nimmt. Einfühlsam fotografiert und von ausgezeichneten Schauspielern getragen. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1992
Produktionsfirma
Dazu
Regie
Annelie Runge
Buch
Annelie Runge
Kamera
Jan Malír
Musik
Fried Bauer
Schnitt
Alois Fisárek
Darsteller
Anne Kasprzik (Marlene) · Nina Petri (Louise) · Matthias Brandt (Assistenzarzt) · Edwin Marian (Professor) · Franz Buchrieser (Herr Steiger)
Länge
98 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Komödie
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
In den 50er Jahren schlüpften fast alle Stars des deutschen Nachkriegsfilms mal in die Rolle der "Halbgötter in Weiß": Willi Birgel, Wilhelm Borchert, Rudolf Prack und Hans Söhnker stellten das Klischee vom unfehlbaren Genie mit der fast magisch anziehenden erotischen Ausstrahlung nie in Frage. In einer ihrer Autoritäten beraubten (Männer-)Welt übernahmen sie bereitwillig "Führerqualitäten" und stiegen zu Idolfiguren auf, was sich auch in einer parallel verlaufenden Schwemme von romantischen und melodramatischen Arzt-Groschenromanen manifestierte.

Der ehemaligen Krankenschwester Annelie Runge bleibt es, 40 Jahre später, vorbehalten, den ersten deutschen "Krankenschwestern-Film" zu inszenieren. "Hinter uns steht nur der Herrgott", diesen Titel einer Bestseller-Chirurgen-Biografie, entlarvt sie als Anmaßung eines sich oft immer noch überschätzenden Berufs-standes, hinter dem wohl eher die meist praxiserfahreneren Krankenschwestern als "rettende Engel" stehen. Zum Glück geht Annelie Runge in ihrem Kino-Erstling nicht den umgekehrten Weg und heroisiert die Krankenschwestern. Im Gegenteil: ihre "Heldinnen" verhalten sich eher allzu menschlich und manchmal geradezu "unmenschlich".

Es sind viele kleine Geschichten aus dem Krankenhausalltag der beiden Schwestern Marlene und Louise, die Runge erzählt: sie pflegen aufopferungsvoll die neuen Erdenbürger in der Säuglingsstation, kaschieren durch ihre Routine die Unsicherheiten eines Assistenzarztes. müssen sich sowohl von hysterischen Patienten als auch von ihrem gockelhaften Chef maßregeln lassen und finden doch trotz aller Frustration immer wieder Kraft, ungewöhnliche Wege der Patientenbetreuung zu gehen. Einem todkranken alten Mann, den ihr Chef herzlos ins Altersheim zurückschickt, verhelfen sie zu einem Ausflug ins Grüne, und Marlene erfüllt einem Herzinfarkt-anfälligen Schwerenöter seinen, wie sich dann herausstellt "letzten", Wunsch: sie fährt den kaum Genesenen in ein Bordell. Aber sie haben auch ihre Träume, vom Ausstieg und vom "Prinzen", der sie aus dem Alltagstrott herausholt. Louise wird ein bißchen besser fertig mit der oft deprimierenden Realität, während Marlene der Lieblosigkeit ihrer Umwelt ein wenig nachhilft: sie spritzt besonders aufsässigen Patienten ein zum Atemstillstand führendes Gift, um sie dann in letzter Sekunde zu retten und sich fortan deren uneingeschränkter Verehrung zu erfreuen. Als sie sich immer mehr in diese "Anerkennungsmasche" hineinsteigert, greift Louise zu einem "Trick", um sie vor sich selbst zu retten.

Runges in den 60er Jahren angesiedelter Film, wo die persönliche Pflege noch nicht von der heute vorherrschenden Übertechnisierung verdrängt war, lebt von einem detailgetreuen, fast dokumentarischen Blick auf den Krankenhaus-Alltag. Daß das nicht zu einem trockenen Diskurs wird, liegt vor allem an dem hauptsächlich mit der Handkamera arbeitenden Jan Malir, dessen kleine "Fahrten" dem Film einen geradezu eleganten Fluß verleihen und doch nie die Personen aus dem Blick verlieren. Und in der Führung der Darsteller bis hinein in die kleinste Nebenrolle beweist Runge eine Professionalität, wie man sie selten im deutschen Gegenwartsfilm sieht. Obwohl die leicht ironisch angelegten Rollen immer Gefahr laufen, in Karikaturen umzukippen, hält die Regie geschickt die Balance zwischen der Zerstörung eines Klischees und menschlicher Anteilnahme. Dabei kommt ihr natürlich auch die Spiellust der Darsteller entgegen. Edwin Marian ist ein wunderbar arroganter "Übervater", und Anne Kaspirk ist die "blonde Antwort" auf Barbara Auer: sie strahlt nicht nur die in der Rolle angelegte Sinnlichkeit aus. sondern auch die Verletzlichkeit einer um ihre berufliche Anerkennung betrogenen Frau. Würde man diese Intensität öfter im deutschen Film spüren, stände es besser um ihn. Und wenn Annelie Runge noch lernt, aus vielen kleinen Geschichten, wie hier, einen "großen" dramaturgischen Entwurf zu machen, haben wir ihn vielleicht auch bald wieder: den deutschen Publikumsfilm.
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