Pazar - Der Markt

Drama | Deutschland/Großbritannien/Kasachstan/Türkei 2008 | 92 Minuten

Regie: Ben Hopkins

In der Osttürkei angesiedeltes, realistisch inszeniertes Drama über einen Kleinhändler, der versucht, sein mühseliges Geschäft gegen Globalisierungsdruck und die Erpressungsversuche der örtlichen Mafia zu behaupten. Mit Milieukenntnis und einer von Understatement geprägten Situationskomik verhandelt der Film unaufdringlich und abseits gängiger Schwarz-Weiß-Schemata den Existenzkampf kleiner Geschäftemacher vor dem Hintergrund globaler Abhängigkeitsverhältnisse im Rahmen einer persönlichen Geschichte. (O.m.d.U.) - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
PAZAR - BIR TICARET MASALI | THE MARKET - A TALE OF TRADE
Produktionsland
Deutschland/Großbritannien/Kasachstan/Türkei
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
Flying Moon/Eurasia Film/Geissendörfer Film/Tigerlily Films/Pi Film
Regie
Ben Hopkins
Buch
Ben Hopkins
Kamera
Konstantin Kröning
Musik
Cihan Sezer
Schnitt
Alan Levy
Darsteller
Tayanç Ayaydin (Mihram) · Genco Erkal (Fazil) · Senay Aydin (Elif) · Hakan Sahin (Mustafa) · Rojin (Sängerin)
Länge
92 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
„Geld ist unsere gemeinsame Sprache“, heißt es zu Beginn im gesungenen Erzählreim einer orientalischen Geschichtenerzählerin. In Ben Hopkins’ neuestem Spielfilm „Pazar“ gilt das nicht nur für größere Fische wie den Schwarzmarkthändler Mustafa, der sein Geschäft in Absprache mit der Polizei betreibt und die Konkurrenz mit rüden Methoden erpresst, sondern auch für Mihram. Der schlägt sich als Kleinhändler in der Osttürkei durchs Leben: Zwischen Gottesfurcht und Vollrausch versucht er, seine Familie mit so viel Geschick durchzubringen, wie Allah es ihm eben mitgegeben hat. Als eine Ärztin ihn bittet, die auf legalen Wegen nicht beschaffbare Medizin für die Kinderabteilung des Krankenhauses zu organisieren, wittert er die Chance, Gewinn und gute Tat miteinander zu verbinden. Dabei bleibt Mihram, für dessen Rolle Tayanç Ayaydin beim Filmfestival in Locarno als bester Darsteller ausgezeichnet wurde, immer kantiger Individualist, ein Outcast, der sich gegen die örtliche Mafia genauso zu behaupten versucht wie gegen das Dauerlächeln der Globalisierung, in diesem Fall verkörpert durch den berufsfreundlichen Franchise-Agenten einer Istanbuler Mobiltelefongesellschaft, die – man schreibt das Jahr 1994 – gerade nach Vor-Ort-Vertretern im Osten des Landes sucht. Für seinen Medikamentenhandel fährt Mihram über die Grenze nach Aserbeidschan. Dort ist die Medizin billiger, und dort wohnt auch Onkel Fazil, ein Schwarzmaler mit guten Kontakten, der bis vor Kurzem in einer zwielichtigen Fabrik beschäftigt war, die unter Extrembedingungen in Afrika gewonnene Metalle veredelt, um sie zur Endmontage in finnische Handys weiter zu verscherbeln. „Pazar“ handelt den Markt und seine Mechanismen auf verschiedenen Ebenen ab. Vor dem Hintergrund globaler Abhängigkeiten, in denen Ausbeutung zum Tagesgeschäft gehört, vollzieht sich der Existenzkampf der Kleinen. Zwischen dem Schwarz und Weiß, mit dem der Kapitalismus zumeist beschrieben wird, begibt sich Hopkins – mit durchaus autobiografischer Motivation – auf die Suche nach Zwischentönen: „Letztlich geht es auch um meine eigene Lage, um eine Situation, in der sich viele Künstler, kleine Geschäftsleute und unabhängige Unternehmer befinden – all jene, die sich auf ihre eigene Kreativität verlassen, um vor der Konkurrenz bestehen zu können.“ Der Diskurs wird mit dem gebotenen Realismus erzählt. Von den Fantasiewelten seiner schrägen Vorgängerfilme, „Die neun Leben des Thomas Katz“ (fd 34 649) und „37 Uses for a Dead Sheep“ (fd 37 637), ist gerade einmal die eingangs erwähnte orientalische Märchenfee und eine fein ziselierte Situationskomik übrig geblieben, mit der Hopkins das verhalten Zwischenmenschelnde seiner Protagonisten auf den Punkt bringt. Das mit ruhiger Hand und Kenntnis örtlicher Mentalitäten inszenierte Drama über einen kleinen Handlungsreisenden versteckt seine politischen Botschaften unaufdringlich hinter einer persönlichen Geschichte und einer an Wim Wenders gemahnenden Musikauswahl. Die Filmmusik gestaltete der zwischen Klassik und Arabesque pendelnde Cihan Sezer, den Schlussakkord setzt der türkisch-jüdische Chansonnier Dario Moreno mit brüchiger Stimme. Dazu stolpert Mihram betrunken über die Tanzfläche einer Provinzbar – eben doch nur ein kleiner Händler, dazu da, von den großen Fischen gefressen zu werden. So siegt am Ende konsequent die örtliche Mafia: „Irgendeiner muss den Schwarzmarkt in Ordnung halten.“
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