Komödie | Türkei 2008 | 126 Minuten

Regie: Cem Yilmaz

Ein türkischer Teppichhändler wird aus der Gegenwart in die Steinzeit befördert und muss dort das Rad der Evolution vordrehen, um möglichst schnell wieder in der Gegenwart anzukommen. Die aberwitzige Komödie kombiniert auf hohem produktionstechnischem Niveau und mit inszenatorischem Ideenreichtum Genreparodie und Gesellschaftssatire. Dabei kreuzt sich die hintergründige Parabel über den Beginn der Zivilisation auch mit simplem Quatsch zu einer von schrägem Humor getragenen Unterhaltung. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
A.R.O.G.
Produktionsland
Türkei
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
Fida Film/CMYLMZ Fikirsanat
Regie
Cem Yilmaz · Ali Taner Baltaci
Buch
Cem Yilmaz
Kamera
Soykut Turan
Musik
Jingle House
Schnitt
Erhan Acar jr.
Darsteller
Cem Yilmaz (Arif) · Ozan Güven (Taso) · Nil Karaibrahimgil (Mimi) · Özkan Ugur (Dimi) · Zafer Algöz (Doktor)
Länge
126 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Komödie
Externe Links
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Diskussion
Die Science-Fiction-Komödie „G.O.R.A.“ (fd 36 813) konnte im Jahr 2004 in der Türkei über vier Mio. Zuschauer verbuchen, in Deutschland landete der Film zeitweise auf Platz 8 der Box-Office-Liste. Hinter dem Erfolg verbirgt sich der populäre türkische Stand-Up-Comedian Cem Yilmaz, der nicht nur die beiden Hauptrollen spielte, sondern auch fürs Drehbuch verantwortlich war und 2006 seinen Ruf mit „Hokkabaz“ (fd 37 880) festigte, in dem er als erfolgloser Zauberer vor dem Istanbuler Publikum flüchtet und seinen Seelenfrieden in der ostanatolischen Provinz sucht. „A.R.O.G.“ knüpft idiomatisch an den Titel des erfolgreichen Vorgängers „G.O.R.A.“ an, nur wird die Hauptfigur, der simpel gestrickte, aber ausgesprochen selbstbewusste Teppichhändler Arif, diesmal nicht in die Zukunft, sondern in die Steinzeit zurückgeschickt. Dabei vermischt Yilmaz das Erfolgsrezept seiner beiden früheren Publikumshits: die parodistischen Qualitäten des Weltraumabenteuers mit dem menschelnden Mitfühleffekt von „Hokkabaz“. Schließlich ist sein Alias Arif ein kleiner Mann, ein mittelmäßig erfolgreicher Durchschnittsbürger, auch wenn er eigentlich von einem anderen Stern kommt – das gemeinsame Kind mit seiner Geliebten Ceku soll nicht auf der Erde, sondern auf dem Heimatplaneten Gora zur Welt kommen, womit dann auch die Zweistaatlichkeit des Kleinen gesichert wäre. En passant kündigt sich so gleich zu Beginn eine der Stärken von „A.R.O.G.“ an: ein Wortwitz, der sich aus der Situationskomik entwickelt und gesellschaftliche und politische Sollbruchstellen von der Energiekrise bis zum Ehrenmord mit kabarettistischer Wucht abwatscht. Dabei kommt auch die Genreparodie nicht zu kurz, von „Jurassic Park“ bis „Harry Potter“ werden moderne Filmklassiker reihenweise durch den Kakao gezogen, während der inhaltliche Faden mit gebührendem Ernst weitergesponnen wird. Schließlich will Arif bald wieder bei seiner Geliebten in der Gegenwart ankommen, und dazu gilt es, zusammen mit den Steinzeitmenschen die Geschichte „vom Feuer bis zur Französischen Revolution“ im Zeitraffer voranzutreiben. Bildung und Erfindergeist tun Not – je schneller er den Rückstand der Steinzeit gegenüber dem Heute verringere, desto näher komme er seinem Ziel. So zeichnet „A.R.O.G.“ auch ein Stück Evolutionsgeschichte nach – den Aufbau der Zivilisation, hier durchgedrückt von einem Teppichhändler, der genau so wenig um unkonventionelle Lösungen verlegen ist wie sein Drehbuchautor. Dem urweltlichen, computergenerierten Tyrannosaurus Rex, der ihn kurz nach der Landung in der Steinzeit angreift, droht Arif mit dem Ende im digitalen Nichts: „Ich erledige dich Pixel für Pixel!“ Mit einem Budget von acht Millionen Euro gilt „A.R.O.G.“ als bisher teuerster Film des türkischen Kinos. Das Projekt von Yilmaz, der auch als Drehbuchautor, Produzent und Co-Regisseur gelistet wird, entspricht produktionstechnisch seinen technisch und dramaturgisch ambitionierten Vorlagen aus Hollywood, um diese mit einem Quantum Witz aus Bauernschläue und Alltagssatire zu überlisten. Yilmaz verbindet den Schlagabtausch zwischen den Zeitebenen mit gesellschaftlichen Anspielungen und fügt dazwischen auch simplen Quatsch ein – ein schräger, aber dennoch mehrheitsfähiger Humor, der von der Persiflage-erprobten türkischen Filmindustrie – die James Bond-Parodie „Super-Agent K 9“ (fd 38 966) ist derzeit noch im deutschen Kino zu sehen – souverän beherrscht wird. Am Ende führt Arif „seine“ Urmenschen in den finalen Kampf mit ihren tyrannischen Feinden vom Stamm der Arroganer. Eine Entscheidungsschlacht zwischen Gut und Böse, ausgetragen als Fußballspiel im Teufelstopf, choreografiert als Fantasy-Spektakel zwischen Mystery-Thriller und – immer wieder – Parodie: Der „nicht zu bändigende“, zähnefletschende gegnerische Pseudo-Brasilianer „Carlos“ sitzt genauso pointiert wie das spontane Ableben eines Stürmers, der beim Kopfballsprung von einem Flugsaurier weggefangen wird. Da macht sogar Action-Kino Spaß.
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