Teenage Angst

Drama | Deutschland 2008 | 64 Minuten

Regie: Thomas Stuber

Vier Schüler eines Elite-Internats gehören zu einer privilegierten Oberschicht. Für Pflicht und soziale Verantwortung interessieren sie sich wenig, bekämpfen vielmehr abseits des Schulalltags die Langeweile ihres Daseins mit extremen Gewaltspielen und der Suche nach Grenzerfahrungen. Bis einem der Jugendlichen die Exzesse zuwider werden. Atmosphärisch dichtes, von einer bisweilen überambitionierten, im Ganzen aber suggestiven Kamera eingefangenes Drama. Das Phänomen Jugendgewalt wird hier einmal nicht in den Reihen der Immigranten, sondern an den Spitzen der Gesellschaft verortet. - Sehenswert.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
Filmakademie Baden-Württemberg/Gifted Films
Regie
Thomas Stuber
Buch
Holger Jäckle
Kamera
Peter Matjasko
Musik
Matthias Klein
Schnitt
Philipp Thomas
Darsteller
Franz Dinda (Konstantin) · Niklas Kohrt (Dyrbusch) · Janusz Kocaj (Leibnitz) · Michael Schweighöfer (Mentor) · Stephanie Schönfeld (Vaneska)
Länge
64 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 18
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert.
Genre
Drama
Externe Links
IMDb | TMDB

Heimkino

Die Extras umfassen u.a den Kurzfilm "Es geht uns gut" von Thomas Stuber.

Verleih DVD
Salzgeber (16:9, 1.78:1, DD2.0 dt.)
DVD kaufen

Diskussion
Vier Schüler eines Eliteinternats zwischen der titelgebenden „Teenage Angst“ und der Überholspur – erwartet sie doch eine privilegierte Zukunft, die schon verplant ist, bevor ihre Jugend angefangen hat. Benebelt von frei flottierendem Testosteron und der Gewissheit, mit Geld alles und jeden kaufen zu können, „abgeparkt von den Eltern am Arsch der Welt“, wie es der Gewissenloseste des Quartetts auf den Punkt bringt, sollen sie Führungskräfte werden, Manager von Großkonzernen, Stützen der Berliner Republik. In ihren Augen geht es aber nur um „Muschis und Moneten“ – so der zynische Tonfall der zukünftigen High Potentials. Verächtlich gegenüber finanziell schlechter Gestellten ist nicht nur ihr Habitus. Die faschistoide Arroganz, per Geburt der auserwählten Kaste anzugehören, dringt aus jeder Pore der erfreulich zur Höchstform auflaufenden jungen Darstellerriege. Dass das Team hinter der Kamera der gleichen Generation angehört, kann man bei so viel Willen zur Perfektion kaum glauben, bis sich dann doch allzu vorhersehbare, eindimensionale Psychologien einschleichen, die dem erstaunlich reifen Debüt aber wenig anhaben können. Das Lehrerpersonal nehmen die verzogenen Oberschichtkinder nicht ernst, auch wenn es den Anschein hat, dass sie sich an das seit „Pisa“ viel diskutierte, neue alte Regiment aus Disziplin, Ordnung und täglichen Drogentests halten. Der Größenwahn der zu Beginn noch verschworenen Jungmännergemeinschaft geht so weit, dass sie in eine Parallelwelt enthemmter Egos abdriften, die ihren eigenen Gesetzen gehorcht – und die sind das genaue Gegenteil der in Einzelgesprächen von persönlichen Mentoren gepredigten „Kinderkacke“ aus Moral und sozialer Verantwortung. Ihr nächtlicher „Club der toten Dichter“ in einer angemieteten Datscha entgleist zu einer nihilistischen Variante einer von zu viel Geld und unverdienter Macht überforderten Jugend, die vor lauter Elitengeraune ihr Heil in Gewaltexzessen sucht. Wodka, Kokain und notorisches Taxieren der Rangordnung reichen irgendwann nicht mehr, um das Bedürfnis nach Kicks und belebender Grenzüberschreitung zu befriedigen. Als eine versuchte Vergewaltigung einer Kellnerin daran scheitert, dass der sensibelste der vier einschreitet, wendet sich die Gruppendynamik gegen ihn. Je weniger sich der zum Opfer Stigmatisierte gegen die sadistischen Attacken der anderen wehrt, desto mehr packt die Hauptfigur das Gewissen. Die 26-jährige Entdeckung Franz Dinda spielt die Verwandlung des Mitläufers Konstantin brillant aus, erst euphorisiert durch die freundschaftliche Nähe der Gruppe, ungläubig beobachtend und schließlich angeekelt von der Eskalation der Gewalt. Mit Sinn für die Nuancen eines sich allmählich gegen den Gruppenzwang wendenden Charakters zieht er als einziger die Bremse. Und kann die Katastrophe doch nicht mehr verhindern. Mit diesem von Musils „Die Wirrungen des Zöglings Törless“ inspirierten Kammerspiel ist Thomas Stuber (Jahrgang 1981) ein herausragendes Debüt gelungen. Seinen atmosphärisch dichten und mit melancholischer Indie-Musik unterlegten Abschlussfilm an der Filmakademie Ludwigsburg verortet er ganz am Puls der aktuellen gesellschaftlichen Debatten. „Teenage Angst“ liefert den Kommentar und die Vorgeschichte zur Finanzkrise, nicht ohne zugleich Bezug auf die sich bei der Bundeswehr und in Jugendgefängnissen häufenden Fälle tödlich verlaufender Übergriffe zu nehmen. Dass er unmotivierte jugendliche Gewalt in einem von Wäldern und Seen umgebenen, idyllisch gelegenen Schlossinternat ansiedelt, ist ein schlauer Schachzug, der die üblichen Erwartungen an das sonst um Randgruppen kreisende Thema unterläuft. Selbst die überambitionierte Kamera von Peter Matjasko (Jahrgang 1978) erweist sich letztlich als stimmig. Mit ihren unterkühlt dunkel ausgeleuchteten, wunderschönen Kinobildern reflektiert sie wie unter einem Brennglas die klaustrophobisch enge Welt der künftigen CEOs, die hinter dem Diktat des exklusiven Scheins von Designeranzügen und stilvollen Interieurs einen Abgrund primitivster Triebe verbergen.
Kommentar verfassen

Kommentieren