Nokan - Die Kunst des Ausklangs

Komödie | Japan 2008 | 130 Minuten

Regie: Yôjirô Takita

Ein arbeitsloser Cellist kehrt mit seiner Frau in seine Heimatstadt im Norden Japans zurück, wo er einen Job bei einem Bestattungsunternehmen findet, der lukrativ, aber gesellschaftlich geächtet ist. Trotz zahlreicher äußerer wie innerer Widerstände erkennt er in der rituellen Aufbahrung des Leichnams eine Berufung, da die würdevolle Zeremonie eine heilsame Wirkung auf die Hinterbliebenen ausübt. Mit Hilfe einer ins Slapstickhafte spielenden Komik bricht der Film zunächst Berührungsängste vor dem Thema Tod auf und rundet sich dann zur ruhig erzählten, berührenden Reflexion über das Sterben als Teil des Lebens, die Suche nach innerem Frieden und der Aussöhnung mit dem persönlichen Schicksal. (Kinotipp der katholischen Filmkritik) - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
OKURIBITO
Produktionsland
Japan
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
Amuse Soft Ent./Asahi Shimbunsha/Dentsu/Maninichi Hoso/Sedic/Shochiku Co./Shogakukan/TBS
Regie
Yôjirô Takita
Buch
Kundo Koyama
Kamera
Takeshi Hamada
Musik
Joe Hisaishi
Schnitt
Akimasa Kawashima
Darsteller
Masahiro Motoki (Daigo Kobayashi) · Tsutomu Yamazaki (Ikuei Sasaki) · Ryoko Hirosue (Mika Kobayashi) · Kazuko Yoshiyuki (Tsuyako Yamashita) · Kimiko Yo (Yuriko Uemura)
Länge
130 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Komödie | Drama
Externe Links
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Diskussion
Der Tod ist ein Tabu. In Japan verhält sich das nicht anders als in westlichen Gesellschaften. Auch dort ist der Tod keineswegs in den Alltag integriert. „Nokan – Die Kunst des Ausklangs“ von Yôjirô Takita, 2009 mit dem „Oscar“ für den besten nichtenglischsprachigen Film ausgezeichnet, heißt im Original „Okuribito“, der englische Titel lautet „Departures“. Während der nüchterne deutsche Titel den Eindruck erweckt, dass sich der Film mit einer fremdartigen Zeremonie beschäftigt, beschreiben englischer Titel und Originaltitel den Film ganzheitlicher: Aufbruch, Abreise; „Okuribito“ bedeutet in etwa „Absender“. Es geht um den Aufbruch von Daigo, der zunächst viel mit Abschiednehmen zu tun hat. Das Orchester, in dem Daigo Cello spielt, wird aufgelöst, er muss sein teures Instrument veräußern und bleibt ratlos zurück. Der Traum von einer Zukunft als Berufsmusiker ist geplatzt. Wider Erwarten empfindet er den Verkauf seines Cellos aber als Befreiung: Vielleicht war der Traum von der Cellisten-Karriere ja gar kein richtiger Traum mehr. Seine Frau Mika schlägt ihm vor, aus Tokio in seine Heimat zurückzukehren, eine Kleinstadt mit hübschen, alten Häuschen im Norden Japans. Eines dieser Häuser hat Daigo von seiner Mutter geerbt. Die beiden richten sich zwischen verstaubten Möbeln und Erinnerungen ein, nehmen den Neuanfang aber positiv. Daigo macht sich auf Arbeitssuche und freut sich über das hohe Gehalt, das die Stelle in einem „Reisebüro“ verspricht. Als er jedoch erfährt, dass es sich bei den Reisen um letzte Reisen, also um Bestattungen handelt, ist er schockiert – doch das Geld lockt, weshalb Daigo den nicht gerade angesehenen Beruf eines rituellen Bestatters zumindest ausprobieren will. Die Waschung eines Verstorbenen und die Vorgänge, die der Aufbahrung vorangehen, bleiben bei uns den Angehörigen verborgen. In Japan sind sie ein Zeremoniell, „Nokan“ genannt, unabhängig von der jeweiligen Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft. Bedeckt von einem Tuch, wird der Leichnam vor der versammelten Familie und den Freunden gewaschen, angekleidet und das Gesicht geschminkt. Er habe lange nach Geldgebern für ein Projekt suchen müssen, das sich um den Tod und die ökonomische Krise dreht, wird der Regisseur im Presseheft zitiert. Vielleicht ist die slapstickhafte Komik, mit der sich der Film in der ersten Hälfte seinem Sujet nähert, in dieser Hinsicht auch als Zugeständnis zu verstehen. Fast pantomimisch grell reagiert der Hauptdarsteller Masahiro Motoki auf die verschiedenen, nicht weniger grell konstruierten Aufträge, die ihm sein Chef überfallartig vermittelt: Eine halb verweste Leiche soll aus einem verwahrlosten Haus geborgen werden; Daigo fungiert selbst als Modell, während sein Chef an ihm das Ritual demonstriert. Bei der Waschung eines Leichnams stellt Daigo fest, dass es sich um einen Mann handelt und nicht, wie das Foto des Toten suggeriert, um eine Frau. Dem mutmaßlichen Ekel oder Widerwillen des Zuschauers begegnet der Film mit der Komik der Übertreibung – ein Versuch, der nicht ganz gelingt und der dem von der Zeremonie bestimmten langsamen Rhythmus und dem reduzierten Gestus des Films entgegen steht. In der zweiten Hälfte schlägt solche Komik dann unvermittelt in Ernsthaftigkeit um. Der Beruf wird Daigo zur Berufung, sein Chef zum väterlichen Mentor. Mit der Zeremonie, die er vor den Angehörigen in minutiösen, hoch konzentrierten Gesten ausführt, kann er Trost spenden und den Toten würdevoll verabschieden. Sein neues Selbstbewusstsein und die tägliche Auseinandersetzung mit dem Tod führen dazu, dass er sich mit seiner Vergangenheit aussöhnt. Da er aber seiner Frau verschwiegen hat, welchen gesellschaftlich geächteten Beruf er ausübt, warten andere Schwierigkeiten auf ihn. Der deutsche Titel „Die Kunst des Ausklangs“ betont genau jenen Teil des Films, der ihn interessant macht: die fremdartige Zeremonie, der im Verlauf des Films viel Zeit gewidmet wird und bei der jedes Detail wichtig ist. Sie wird zum Spiegel des schizophrenen Umgangs der Gesellschaft mit dem Tod – jeder nimmt das Trauerritual in Anspruch, doch der Beruf des „Nokanshi“ ist verpönt und gilt als unrein. Die Verdrängungsmechanismen und die Hilflosigkeit im Umgang mit Tod und Verlust lassen sich durchaus universell verstehen.
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