Komödie | Uruguay/Deutschland/Argentinien/Spanien/Niederlande 2009 | 88 Minuten

Regie: Adrián Biniez

Der kräftig gebaute, gleichwohl schüchterne Wachmann eines Supermarkts verliebt sich in eine junge Putzfrau, die er über seine Monitore bei der Arbeit beobachtet. Da er sie nicht direkt anzusprechen wagt, verfolgt er ihren Alltag über das Überwachungssystem und heftet sich nach Dienstschluss heimlich an ihre Fersen. Mit leisem Humor entwickelte Geschichte über einen wortkargen Sonderling, der durch die Liebe aus seiner Lebensroutine aufgeschreckt wird. Mit viel Gefühl für die sozialen Gegebenheiten inszeniert, formuliert die still-unterhaltsame Komödie gleichzeitig unterschwellig eine Kritik am wirtschaftlichen Strukturwandel in Uruguay. (O.m.d.U.) - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
GIGANTE
Produktionsland
Uruguay/Deutschland/Argentinien/Spanien/Niederlande
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
Ctrl Z Films/Pandora Filmprod./ZDF-ARTE/Rizoma Films/IDTV Film
Regie
Adrián Biniez
Buch
Adrián Biniez
Kamera
Arauco Hernández Holz
Musik
Adrián Biniez
Schnitt
Fernando Epstein
Darsteller
Horacio Camandule (Jara) · Leonor Svarcas (Julia) · Fernando Alonso (Julio) · Diego Artucio (Omar) · Ariel Caldarelli (Jaras Chef)
Länge
88 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Komödie
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Neue Visionen (16:9, 1.85:1, DD5.1 span./dt.)
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Diskussion
Ein junger Mann und eine junge Frau sitzen am Strand. Montevideo liegt am Meer. Hier kommt die Liebesgeschichte von Julia und Jara zu einem glücklichen Ende. Bis dahin ist es aber ein langer Weg. „Gigante“ beginnt in einem der großen Einkaufszentren in Montevideo, die auf der ganzen Welt gleich aussehen. Der massige Jara arbeitet dort als Wachmann. Er führt ein friedliches, aber einsames Leben. Nach dem Dienst im Supermarkt jobbt er gelegentlich als Türsteher in einer Diskothek. In seiner Freizeit schaut er Fernsehen und bildet sich dabei weiter. Es ist eine Kunst der Inszenierung, ihn nie zur Karikatur werden zu lassen: immer bleibt er sympathisch und angesichts kleinerer Ladendiebstähle oder den Betrügereien von Kollegen gegenüber mitunter auf traurige Weise gutmütig. Jara ist ein passiver Beobachter der Welt, der gerne Kreuzworträtsel löst und Heavy Metal hört. Nicht einmal die Auseinandersetzungen um Lohnerhöhungen und Entlassungen tangieren ihn wirklich. Bis eines Tages die neue hübsche Putzfrau Julia auf seinen Bildschirmen erscheint und den schwerfälligen Mann auf seltsame Weise fasziniert, woraus bald eine Verliebtheit wird. Aber Jara ist krankhaft schüchtern und weiß nicht, wie er sich der jungen Frau nähern soll. Er tut es unbemerkt über die Kameras und beginnt, ihre Schritte im Supermarkt zu beobachten. Er ist kein Psychopath und auch kein Stalker, gleichwohl besessen von Julia. So wird er zum Voyeur wie auch zum Schutzengel, der sich unerkannt in ihr Leben einmischt. Er bewahrt sie vor ihrem zornigen Chef, unterbindet die Avancen eines Kollegen durch einen Feueralarm und lässt der jungen Frau anonym einen Kaktus zukommen. Unbemerkt wird Julias Leben zu seinem, ohne dass er einen Weg findet, sich ihr zu erkennen zu geben. Erst als die Firma über Entlassungen die Kosten senken will und auch Julia ihren Job verlieren soll, muss Jara aus dem Schatten seines Überwachungssystems heraustreten. Die Geschichte eines überwachungssüchtigen Wachmanns hätte durchaus den Stoff für einen Psychothriller über eine dunkle, unheilvolle Leidenschaft à la Chabrol abgeben oder zur distanzierten Betrachtung wie in „El Custodio – Der Leibwächter“ (fd 38 171) von Rodrigo Moreno werden können. Doch der Argentinier Adrián Biniez setzt gegen die vorhersehbaren Genres und die kühle Sachlichkeit des „nuevo cine argentino“ sensibel und einfühlsam ganz auf das menschliche Gefühl. „Gigante“ ist eine rührende, skurrile Komödie, die aber durchaus auch Kritik an einer entfremdeten Konsumwelt im Zeichen der Globalisierung formuliert und von Wirtschaftskrise und Strukturwandel erzählt, der drohenden Verarmung und den Arbeitskämpfen nicht nur in Uruguay. Bieniez’ Debütfilm steht mit seinem sozialen Realismus und seinem lakonischen Humor auf einer Linie mit anderen beeindruckenden Filme aus Uruguay, etwa „Whisky“ (fd 37 034) von Pablo Rebella und Pablo Stoll oder „El baño del papa“ (fd 39 030) von Enrique Fernández und César Charlone. Er zählt zu jenen kleinen, sehr persönlichen Geschichten, die mit lakonischem Humor die Stärke des gegenwärtigen jungen lateinamerikanischen Films ausmachen, Geschichten, die sehr viel über ihre Umgebung vermitteln, dabei aber universell verständlich sind.
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