Dokumentarfilm | USA 2008 | 100 Minuten

Regie: Larry Charles

Dokumentarisches Essay des amerikanischen Late-Night-Talkers Bill Maher, mit dem er religiöse Überzeugungen als irrationalen Nonsens und Religion generell als gefährliche "Fantasy" überführen will. Das satirisch zugespitzte Potpourri versammelt vieles, was gegen Religionen, insbesondere die großen Glaubenssysteme Judentum, Christentum und Islam, eingewendet werden kann, büßt durch seine pointensüchtige Machart aber beträchtlich an argumentativer Kraft ein und versteigt sich gegen Ende gar zur These, dass die Menschheit nur ohne Religion eine Zukunft habe. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
RELIGULOUS
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
Thousand Words
Regie
Larry Charles
Buch
Bill Maher
Kamera
Anthony Hardwick
Schnitt
Jeff Groth · Christian Kinnard · Jeffrey M. Werner
Länge
100 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Senator/Universum (16:9, 1.78:1, DD5.1 dt.), Elite Film (16:9, 1.78:1, DD5.1 engl.)
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Diskussion
Seit knapp zwei Jahren beschäftigt das Thema „neuer Atheismus“ einschlägige Magazine und Foren. Seine Protagonisten, etwa der englische Evolutionsbiologe Richard Dawkins, sprechen vom „Gotteswahn“ und leiten mit den naturwissenschaftlich reformulierten Argumenten der klassischen Religionskritik die bekannten Schlussfolgerungen ab, dass religiöse Weltdeutungen einem irrationalen Wunschdenken entspringen und jeder halbwegs vernünftige Mensch dies einsehen könnte. Wem diese neuerliche Debatte bislang zu abgehoben vorkam, findet in Bill Mahers dokumentarischem Essay nun ein satirisch zugespitztes Potpourri all dessen, was gegen Religionen, insbesondere die drei großen Glaubenssysteme Judentum, Christentum und Islam, eingewendet werden kann. Bill Maher ist ein amerikanischer Late Night-Talker, der in den 1990er-Jahren mit seiner Sendung „Politically Incorret“ Maßstäbe setzte und darin gerne auch religiöse Themen aufs Korn nahm. Zusammen mit dem Regisseur Larry Charles („Borat“, fd 37 863) machte er sich Ende 2007 für mehrere Monate auf, um in den USA, aber auch in Israel, Rom und London Menschen und Orte zu suchen, die sich für eine süffisante Generalabrechnung mit dem Phänomen besonders eignen. Der Titel ihres Films, eine Wortschöpfung aus „Religion“ und „ridiculous“ (lächerlich), gibt Tonfall wie Zielsetzung des Unterfangens vor: Gläubige der intellektuellen Unredlichkeit zu überführen und „all den religiösen Quatsch als Schwindel zu entlarven“. Das beginnt bei der ironischen Vivisektion von Mahers eigener Biografie, der als Kind einer jüdischen Mutter katholisch erzogen wurde. Obwohl damals doch, scherzt der Komiker, nicht Gott, sondern Superman und Baseball für ihn wichtig waren. In einer Truckerkapelle am Rande eines Highways wird es dann plötzlich theologisch, wenn Maher die Besucher attackiert, warum sie an Dinge glaubten, die gar nicht in der Bibel ständen oder wie sie sich eine Jungfrauengeburt erklären würden. Prompt mühen sich die gestandenen Fahrer um hanebüchene Erklärungen, werden von Maher und der Inszenierung aber gnädiger behandelt als andere Interviewpartner, etwa ein „Ex-Jew for Jesus“, dessen glühende Jenseitsfantasien Maher mit der Frage kontert, was zum Teufel er dann noch auf der Erde verloren habe. Bei aller Schadenfreude, mit der Maher seine ihm rhetorisch wie argumentativ unterlegenen Kontrahenten ins offene Messer laufen lässt, wahrt der Film eine gewisse Verhältnismäßigkeit, die mit einfachen Gemütern anders umspringt als mit institutionellen Nutznießern, etwa dem Prediger Jeremiah Cummings oder dem „wiedergekommenen Christus“ Jose Luis de Jesus Miranda, die sich ihre salbungsvollen Sentenzen mit Gold und Diamanten aufwiegen lassen. Richtig ätzend wird es erst, wenn es um die Themen Homosexualität und Evolution geht. Die unheilvolle Allianz zwischen Homophobie und religiösen Überzeugungen zählt zu dunkelsten Kapiteln des Theismus, was sich ähnlich süffisant karikieren lässt wie die bornierte Selbstgerechtigkeit der Vertreter von Intelligent Design und Kreationismus. Ein Rundgang durchs „Creation Museum“ in Kentucky, in dem Menschen zwischen den Beinen von Dinosaurier spielen, bräuchte kein einziges erläuterndes Wort seines Direktors, um als Musterbeispiel für religiöse Denkverbote zu bestehen. Doch trotz einer Überfülle an erhellenden Detailbeobachtungen ist „Religulous“ kaum mehr als ein praller, materialreicher Rundumschlag, eine sich selbst bestätigende clipartige Bildercollage, in der unhaltersamer Nonsens agnostisch-atheistischer Provenienz alle ernsthafteren Ansätze an den Rand drängt. So amüsant es ist, beim Rekurs auf religionsgeschichtliche Zusammenhänge den Fundus des Hollywoodschen Sandalenfilms zu plündern, untergräbt dies auf Dauer doch die argumentative Basis. Auch gerät die Masche, mit der religiöse Texte grundsätzlich wortwörtlich genommen werden, zur ermüdenden Manie. Das sture Beharren auf der naiven Annahme, dass es sich bei Religionen um heuristische Systeme handle, die mit den Naturwissenschaften konkurrieren, unterscheidet sich nur durchs Vorzeichen von den Kreationisten. Der naheliegenden Frage, warum Menschen glauben und welchen Nutzen sie daraus ziehen, weicht Maher bewusst aus, weil damit die satirische Intention seines Vorhabens zerstört würde. Am Ende erliegt die Inszenierung sogar ihrem eigenen Furor, wenn sich die kabarettistische Verweigerung, auf letzte Fragen keine Antworten zu präsentieren, sondern am Prinzip des Zweifels festzuhalten, selbst in eine endzeitliche Prophetie verwandelt: Entweder gelingt es der Menschheit, sich aus der religiösen Sklaverei zu befreien, oder sie droht im atomaren Inferno der von den Religionen als „selffullfilling prophecy“ verschuldeten Apokalypse ausgelöscht zu werden. Die simple Alternative „grow up or die“, vor die Maher sein Publikum stellt, bringt vielleicht die Intention des Films auf seinen atheistischen Nenner, ist für einen scharfsinnigen Spötter wie Maher aber ein Bankrotterklärung.
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