Die Welt ist groß und Rettung lauert überall

- | Bulgarien/Deutschland/Slowenien 2008 | 111 Minuten

Regie: Stephan Komandarev

Ein junger Mann, der bei einem Autounfall nicht nur seine Eltern, sondern auch sein Gedächtnis verloren hat, wird von seinem Großvater überredet, mit ihm gemeinsam auf einem Tandem von Deutschland nach Bulgarien zu radeln, wo die Familie ursprünglich herstammt. Verfilmung eines Romans von Ilija Trojanow, in der in nostalgischen Rückblenden auch von der gegenläufigen Reiserichtung in die Emigration erzählt wird. Ein betont schöner, wenngleich etwas naiver Kinotraum von der Erlösung um die Ecke. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
SVETAT E GOLYAM I SPASENIE DEBNE OTVSYAKADE | SVET JE VELIK IN RESITEV SE SKRINA ZA VOGALOM
Produktionsland
Bulgarien/Deutschland/Slowenien
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
RFF International/Pallas Film/Vertigo-Emotionfilm/Inforg Stúdió/BNT
Regie
Stephan Komandarev
Buch
Juri Datschew · Stephan Komandarev · Dusan Milic
Kamera
Emil Hristow
Musik
Stefan Waldobrew
Schnitt
Nina Altaparmakova
Darsteller
Miki Manojlovic (Bai Dan) · Carlo Ljubek (Alex) · Hristo Mutafchiev (Vasko) · Ana Papadopulu (Yana) · Nikolai Urumow (Agent)
Länge
111 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
„Ihr seid ein Bild für die Götter“, sagt die junge Frau, die Sashko und seinem Großvater auf einem Zeltplatz begegnet. Es ist selten genug, dass ein erwachsener Mann mit seinem Großvater campt, aber wann hat man ein solches Pärchen schon auf einem Tandem gesehen? In Stefan Komandarews Road Movie machen sich Sashko und sein Opa Vasil tatsächlich auf einem Fahrrad auf den weiten Weg von Leipzig nach Bulgarien. In der Verfilmung einer Romanvorlage von Ilija Trojanow ist das durchaus ein Bild fürs Kino. Eines allerdings, das zum Klischee zu verkommen droht. Leider hat Komandarew dramaturgisch und inszenatorisch dem letztendlich zu wenig entgegenzusetzen. Der Film beginnt mit einem Autounfall in der Nähe von Leipzig, bei dem Sashkos Eltern ums Leben kommen und er selbst sein Gedächtnis verliert. Als Vasil in Bulgarien davon erfährt, macht er sich auf den Weg nach Deutschland. Am Krankenbett erkennt ihn sein Enkel nicht und weist ihn brüsk zurück. Doch davon lässt sich Vasil nicht abschrecken. Er ist einer jener weisen alten Männer, wie es sie wohl nur im Bilderbuch oder Kinomärchen gibt: ausgeglichen, in sich ruhend, immun gegenüber den Verlockungen und Irrungen der modernen Welt. Miki Manojlovic nimmt man den sinnesfrohen Lebenskünstler durchaus ab. Seine Ausstrahlung genügt, um das Vertrauen seines Enkelsohns zu gewinnen. Als Brücke zwischen Gegenwart und Vergangenheit dient ein Backgammon-Brett, das Vasil einst dem kleinen Sashko schenkte. Während der begnadete Backgammon-Spieler Vasil seinen Enkel in die Geheimnisse dieses traditionsreichen Spiels einweiht, zeigen Rückblenden in Sashkos Kindheit, wie der Großvater das schon einmal tat. Dabei wechselt der Film von den bläulichen Farbtönen der deutschen Krankenhausgegenwart ins nostalgische Braun des ländlichen Bulgariens und lässt sich zu einer ganzen Serie „kinoschöner“ Aufnahmen hinreißen: von rollenden Würfeln, strahlenden Kinderaugen, Händen, die über das Holz des Backgammon-Bretts streichen, und fröhlichen Männern, die sich um eben dieses Brett in einer Dorfkneipe versammeln. Mithilfe des Spiels, das überdies als Allegorie für die schicksalhaften Wendungen des Lebens herhalten muss, gelingt es dem Großvater, die Lebensgeister des lethargischen Sashko neu zu wecken und ihn zur Tandem-Tour ins bulgarische Dorf zu überreden, in dem er aufgewachsen ist. Je näher Sashko seinem Heimatort kommt, desto mehr erinnert er sich an seine Vergangenheit. In ausgedehnten Rückblenden erzählt der Film auf diese Weise auch von der Flucht aus dem kommunistischen Bulgarien, der zermürbenden Zeit in einem italienischen Auffanglager und schließlich der Ankunft in Deutschland. Den einzelnen Stationen haftet dabei stets etwas Kulissenartiges an, was auch das märchenhafte Flair, in das die Inszenierung das Geschehen zu tauchen versucht, nur teilweise wieder wettmacht. Nicht immer gelingt es der betulichen Atmosphäre, die Module des nach dem Baukastenprinzip zusammengesetzten Feelgood-Movies zu verschleiern. Ein „Bild für die Götter“ reiht sich an das nächste. Ein Film für die Götter wird daraus nicht. Dafür bleiben die Figuren zu konturlos, ist die Handlung zu kalkulierbar. Ein Schnitt auf die lächelnde junge Frau auf dem Campingplatz genügt, und man ahnt, was als nächstes kommt. Gemächlich plätschert der Film so dahin. Das alles ist nett gemeint und auch nett anzusehen. Manchmal freilich zu nett. Bei alledem sollte man freilich nicht vergessen, dass der Film vor allem Kino ist, und Kino darf auch märchenhaft, rührselig, sentimental und ergreifend sein. Wer würde mit einem solchen Großvater nicht gerne durch halb Europa radeln? Pathos und Kitsch können gefährliche Ideologien verbreiten, hier aber stellen sie sich in den Dienst der Menschlichkeit. Man darf trotz kleiner formaler Schwächen also guten Gewissens die Augen schließen und sich diesem schönen Kinotraum von der Erlösung um die Ecke einfach anvertrauen.
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