W. - Ein missverstandenes Leben

Biopic | USA/Hongkong/Deutschland/Großbritannien/Australien 2008 | 124 Minuten

Regie: Oliver Stone

Schlaglichter auf die Karriere des noch amtierenden US-Präsidenten George W. Bush, der der Welt mit gezielten Fehlinformationen den unseligen Irak-Krieg beschert und in seinen Studienjahren alles andere als der Stolz seiner Familie gewesen ist. Anders als in seinen beiden vorherigen Präsidenten-Filmen über Kennedy und Nixon unternimmt Oliver Stone nicht den Versuch einer Analyse, sondern liefert eine polemische, lustvoll parteiische, von ausgezeichneten Darstellern getragene Politsatire, mit der er nicht nur seine ganz persönliche Meinung über die Bush-Regierung zum Ausdruck bringt. (Fernsehtitel: "Oliver Stone's W.") - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
W.
Produktionsland
USA/Hongkong/Deutschland/Großbritannien/Australien
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
Emperor/Global Ent. Group/Ixtlan Corp./Millbrook Pic./Omnilab Media/Onda Ent./QED International
Regie
Oliver Stone
Buch
Stanley Weiser
Kamera
Phedon Papamichael
Musik
Paul Cantelon
Schnitt
Joe Hutshing · Julie Monroe
Darsteller
Josh Brolin (George W. Bush) · Elizabeth Banks (Laura Bush) · James Cromwell (George H.W. Bush) · Ellen Burstyn (Barbara Bush) · Thandie Newton (Condoleezza Rice)
Länge
124 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Biopic
Externe Links
IMDb | TMDB

Heimkino

Verleih DVD
Planet Media (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
Planet Media/Ascot/Elite (16:9, 2.35:1, dts-HD engl./dt.)
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Diskussion
Mit der Präsidentschaft George Bushs abzurechnen, war Oliver Stone offenbar ein dringendes Anliegen, denn er brachte sein Biopic „W.“ in die US-Kinos, noch bevor die amerikanischen Wähler den Nachfolger des Protagonisten bestimmt hatten. Um diese Frist einzuhalten, musste die mit moderaten 25 Mio. Dollar budgetierte Independent-Produktion zügig abgeschlossen werden, was erklären mag, warum der Film formal recht einfach anmutet. Als Rahmenhandlung dient eine fiktive Szene, die Bush im leeren Stadion jenes texanischen Baseball-Vereins zeigt, in den er in den 1980er-Jahren investierte. Dazwischen werden zwei parallele Handlungsstränge chronologisch entwickelt: Der eine skizziert die Biografie, von den Jugendeskapaden über das religiöse Erweckungserlebnis bis hin zur Präsidentschaftskandidatur; der andere zeichnet die regierungsinternen Debatten nach, die der Entscheidung zum Krieg gegen den Irak vorangingen. So einfach und zweckmäßig wie diese Erzählstruktur ist im Allgemeinen auch die Inszenierung. Wenn Phedon Papamichaels Handkamera gelegentlich leicht verkantete Perspektiven einnimmt oder Details hervorhebt, ist das schon das formal Auffälligste an einem Film, in dem kaum ein Schnitt zu viel ist. Dazu passt wiederum, dass sich Stone auch bei der Interpretation des politischen Themas weitgehend jener Exzentrik enthält, die zum Beispiel seine Deutung des Kennedy-Attentats in „John F. Kennedy – Tatort Dallas“ (fd 29 360) prägte. Auch wenn einige Quellen, auf die der Filmemacher auf einer eigens eingerichteten Website verweist, dubios sind, stimmt sein Abriss der Bush-Biografie im Großen und Ganzen mit akzeptierten Fakten überein. Die Darstellung regierungsinterner Debatten muss dagegen notwendigerweise spekulativ sein, stützt sich aber auf die bekannten Positionen der Entscheidungsträger. Während Colin Powell erwartungsgemäß als einsamer Rufer in der Wüste erscheint, überrascht nur, wie schlecht Condoleezza Rice wegkommt, die in der Darstellung Stones wie eine verstockte Streberin den Wortführern, Cheney, Rumsfeld und Rove, einsilbig nach dem Mund redet. Am spekulativsten erscheint, dass „W.“ die gesamte politische Karriere Bushs letztlich mit der Geringschätzung erklärt, die der Junior von Bush Senior erfuhr. Doch abgesehen von der Albtraumszene, in der der Vater den Sohn im Oval Office zum Boxkampf herausfordert, ist auch diese ödipale Lesart schon mehrfach von Publizisten vorgeschlagen worden. Die These, dass Bush jr. den Sturz Saddam Husseins nicht zuletzt als Gelegenheit sah, ein vermeintliches Versäumnis seines Vaters nachzuholen, ist ja nicht von der Hand zu weisen. Wenn der Scherbenhaufen, den die Regierung Bush hinterlassen hat, ihren ursprünglichen Grund tatsächlich im verletzten Ego eines ungeliebten Sohns haben sollte, wäre das freilich ein Treppenwitz der Geschichte, und genau in diesem Gedanken liegt die bitterste Ironie des Films. Aber sie wird nur impliziert. Stone kommentiert das Geschehen zwar regelmäßig, indem er ironische Musikeinspielungen wählt, doch alle Beteiligten vermeiden den Schritt zur Parodie, der naheliegt, wenn prominente Nebendarsteller in die Rollen sattsam bekannter Figuren der Zeitgeschichte schlüpfen. In der Darstellung Josh Brolins wirkt Bush indes wie ein argloser Einfaltspinsel, dessen eklatantester Charakterfehler in der unappetitlichen Angewohnheit liegt, dauernd mit vollem Mund zu reden. Während zunächst überraschen mag, dass der distanzierte Erzählton weder Zorn noch Bitterkeit spiegelt, liegt darin aber vielleicht der vernichtendste Kommentar. Der Vergleich mit „Nixon“ (fd 31 795) ist bezeichnend: In jenem Biopic ließen die ausufernden formalen und interpretatorischen Extravaganzen erahnen, wie besessen Stone sich mit jenem anderen Präsidenten auseinandergesetzt hatte. Nixon erschien als Folge dessen ebenso tragisch wie monströs; der Film bot dem Zuschauer Grund, die Titelfigur zu hassen, und maß ihr zugleich shakespearesche Größe zu. Im Unterschied dazu dampft „W.“ Bushs Präsidentschaft auf das Maß eines ödipalen Melodramas ein, dessen Protagonist die emotionale Anteilnahme des Publikums ebenso wenig verdient wie die des Filmemachers.
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