Dokumentarfilm | Österreich 2008 | 90 Minuten

Regie: Constantin Wulff

In der Tradition des "Direct Cinema" verfolgt der Dokumentarfilm den Alltag in einer Geburtsklinik. Ohne Exposition, Erläuterungen, Off-Kommentare und emotionalisierende Musik ist der nüchterne Film weit davon entfernt, rührselig den Geburtsvorgang zu verklären; vielmehr treten in der souveränen Montage banale Routinehandlungen neben Momente größter Euphorie. Letztlich gelingt es dem unsentimental-distanzierten, diskret die Intimsphäre seiner Protagonistinnen wahrenden Blick umso eindrucksvoller, ein Gespür für das Wunder des Lebens zu vermitteln. - Ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
IN DIE WELT
Produktionsland
Österreich
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
Navigator Film
Regie
Constantin Wulff
Buch
Constantin Wulff
Kamera
Johannes Hammel
Schnitt
Dieter Pichler
Länge
90 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm

Heimkino

Verleih DVD
Real Fiction (FF, DD5.1 engl.)
DVD kaufen

Diskussion
Geburtskliniken erfreuen sich nicht zuletzt unter den Verantwortlichen des Reality- und Doku-Soap-Booms im Fernsehen zunehmender Beliebtheit. Schließlich lassen sich starke Emotionen, das zentrale Treibmittel dieser Formate, nirgendwo besser einfangen als an diesen Orten, wo Schmerz und Euphorie so untrennbar miteinander verknüpft sind. Dass Constantin Wulff sich für seinen Dokumentarfilm überhaupt noch in eine Wiener Geburtsklinik gewagt hat, zeugt vor diesem Hintergrund schon geradezu von Mut. Doch sein Film macht bereits nach wenigen Sequenzen deutlich, dass er sich abseits ausgetretener Pfade bewegt, auf denen sonst gern mit größtmöglicher Sentimentalität das Wunder des Lebens beschworen wird. In der Tradition des Direct Cinema verzichtet Wulff auf jegliche Exposition, Erläuterungen, Off-Kommentare und emotionalisierende Musik. Vom ersten Bild an ist der Zuschauer in die Abläufe des Krankenhauses involviert. Wozu keineswegs nur die Geburtsvorgänge selbst gehören; vielmehr zeichnet der Film das umfassende Porträt einer Institution mit routinierten Abläufen, Ärzten und Hebammen im Schichtdienst, die sich offenbar mehr mit dem Ausfüllen von Formularen als mit Geburten beschäftigen müssen. Man sieht Schwangere in Wartezimmern, mit gespannten Gesichtszügen beim Ultraschall und schließlich im Kreißsaal. Explizit ist die Kamera bei drei Geburten dabei, verfolgt das Geschehen aus der Nähe und doch aus gebotener Distanz. Die erste dieser Sequenzen vermittelt über rund zehn ungeschnittene Minuten einen sinnfälligen Eindruck vom gleichsam archaischen wie wunderbaren Akt der Menschwerdung. Während die werdende Mutter die Hebamme um Schmerzmittel anfleht und schreit, dass es so weh tue, sitzt der Kindsvater einigermaßen hilflos im Hintergrund und murmelt so sinnfrei wie nachvollziehbar: „Ich weiß, ich weiß“. Derweil erledigen die Helferinnen routiniert ihren Job, ermuntern die Gebärende („Mit der nächsten Welle ist die Maus da!“), um dann doch mit einem zufriedenen Lächeln zu quittieren, wenn schließlich alles geklappt hat. Sieht man von einem Fall ab, in dem ein Baby eine postnatale Herzoperation braucht, klappt es hier eigentlich immer. Schwerwiegende Komplikationen oder gar eine Totgeburt wollte Constantin Wulff seinen Zuschauern denn offenbar doch nicht zumuten. Andererseits ist auch schwer vorstellbar, wie sich eine solche Extremsituation überhaupt filmen ließe, ohne die Intimsphäre aller Beteiligten zu verletzen. Und die bleibt hier in jeder Sequenz gewahrt, Patientinnen und Mitarbeiter bleiben weitgehend anonym, Gespräche zwischen Filmemacher und werdenden Müttern oder Hebammen finden nicht statt. Allenfalls bei der routinemäßigen Befragung zur Erstellung der Krankenakte erfährt man hier und da etwas über die Lebensumstände der Schwangeren. So ist es in diesem souverän montierten, inzwischen mehrfach preisgekrönten Film, der den nüchternen Krankenhausalltag gleichwertig neben Momente größter Euphorie stellt, letztlich der unsentimental distanzierte Blick, der eine Geburt dann doch wieder als grandioses Wunder erscheinen lässt.
Kommentar verfassen

Kommentieren