Drama | Argentinien/Südkorea/Brasilien 2008 | 113 Minuten

Regie: Pablo Trapero

Eine Schwangere erwacht ohne Erinnerungen am Schauplatz eines Mordes, wird verurteilt und in ein Gefängnis für werdende Mütter und solche mit kleinen Kindern gesperrt. Dort findet sie Unterstützung durch eine Mitgefangene und erfährt die Fürsorge ihrer Mutter, die aber eigene Pläne für den hinter Gittern geborenen Sohn hegt. Das Drama spielt mit Frauenknast-Klischees, ohne sich indes darin zu erschöpfen. Es entfaltet den Stoff weitgehend realistisch und besticht durch seine überzeugende Hauptdarstellerin. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
LEONERA
Produktionsland
Argentinien/Südkorea/Brasilien
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
Matanza Cine/Patagonik Film Group/Cineclick Asia/VideoFilmes
Regie
Pablo Trapero
Buch
Alejandro Fadel · Martín Mauregui · Santiago Mitre · Pablo Trapero
Kamera
Guillermo Nieto
Schnitt
Ezequiel Brovinsky · Pablo Trapero
Darsteller
Martina Gusman (Julia) · Elli Medeiros (Sofía) · Rodrigo Santoro (Ramiro) · Laura García (Marta) · Leonardo Sauma (Casman)
Länge
113 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
MFA/Ascot/Elite (16:9, 2.35:1, DD5.1 span./dt.)
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Diskussion
Eine junge Frau schläft. Ihr Gesicht ist geschminkt, und als sie sich langsam bewegt, werden blutig-geschwollene Stellen sichtbar. Dann sieht man noch mehr Blut und die Panik der jungen Frau. Um sie herum liegen zwei verletzte Körper, der eine lebt noch, der andere ist schon tot. Die Anfangsbilder sind verwirrend, gehetzt, albtraumartig. Julia (Martina Gúsman) ist seit wenigen Wochen schwanger – und kann sich an nichts mehr erinnern. Die 26-Jährige stellt sich der Polizei und wird in die Strafvollzugsanstalt für schwangere Frauen und Mütter mit kleinen Kindern in Ezeiza überstellt. Am Anfang ihrer Haft verdrängt Julia die blutige Nacht und ihre Schwangerschaft, so als würde sie ihr eigenes Leben nichts mehr angehen. Erst nach der Geburt ihres Sohnes entwickelt sie erneut Selbstbewusstsein und Lebensmut. Julia wird zur Löwin, die sich und ihr Kind verteidigen will, aber sie weiß nach ihrer Verurteilung, dass sie es nur bis zum vierten Lebensjahr bei sich behalten kann. In dieser schwierigen Phase ihres Lebens erlangen zwei Frauen für Julia besondere Bedeutung: Eine ist Marta, die schon länger in Haft ist, dort schon zwei Kinder großgezogen hat und nun Julia in die unbekannte, fremde und eigenartige Welt des Müttergefängnisses einführt. Zwischen den beiden sehr unterschiedlichen Frauen entwickelt sich eine ganz besondere Zuneigung. Die andere Frau, die in Julias Leben drängt, ist Sofía (Elli Medeiros), ihre Mutter, die lange Zeit keinen Kontakt mehr zu ihrer Tochter hatte und jetzt alle Fehler der Vergangenheit wieder gutmachen möchte: durch teure Babykleider und einen teuren Anwalt, durch mütterliche Vernunft und Fürsorge. Der Film erzählt von Julias Zeit im Gefängnis, vom „Löwenkäfig“ einer Frauengemeinschaft auf engstem Raum, fast wie eine Dorfgemeinschaft hinter Gittern oder ein matriarchalischer Clan, dessen Alltag ganz besonders von den Bedürfnissen der Kinder bestimmt wird: dem Stillen, dem Wechseln der Windeln, dem täglichen Bad, der Nahrungszubereitung, dem Streit der Älteren und dem Geschrei der Allerkleinsten. Das vierte Lebensjahr der Kinder bedeutet den definitiven Abschied. Eine Mutterwelt inmitten der Strafanstalt, Wachtürme, Stacheldraht und höchste Sicherheitsvorkehrungen. „Löwenkäfig“ zeigt ein Leben in der Unfreiheit, aber doch mit Momenten des Glücks, besonders dann, wenn Julia mit ihrem Sohn zusammen ist. Dabei wird immer wieder deutlich, dass nicht alle den Haftbedingungen gewachsen sind, Selbstmorde und Gewalt sind an der Tagesordnung. Aber das eigentliche Drama entsteht durch die eigene Familie, als Julias Mutter versucht, aus Vernunftgründen den kleinen Tomás aus dem Gefängnis zu holen und frühzeitig von seiner Mutter zu trennen. Es kommt zur offenen Rebellion im Gefängnis. Eine junge Mutter hinter Gefängnismauern: Das provoziert alle Klischees vom Frauenknast, von unsäglichen Fernsehserien und Melodramen hinter Gittern. Pablo Trapero spricht viele der damit einhergehenden Klischees an, geht aber über die üblichen Stereotypen hinaus. Der Grundton des Films ist realistisch und zurückhaltend. „Löwenkäfig“ lebt vom überzeugenden Zusammenspiel der Protagonistinnen, der tiefen Beziehung zwischen Julia und Marta, aber auch den teils subtilen, teils offenen Spannungen zwischen Mutter und Tochter, zwischen zwei völlig unterschiedlichen Lebensmodellen. Besonders beeindruckend ist die Leistung der Hauptdarstellerin Martina Gusmán, die die langsame Rückkehr Julias ins Leben so überzeugend vermittelt. Diese spielt übrigens nicht nur die Hauptrolle, sondern hat als Frau des Regisseurs den Film auch produziert. Pablo Trapero ist neben Lucrecia Martel einer der prominentesten Vertreter des „Joven Cine Argentino“, des jungen argentinischen Films, der seit Mitte der 1990er-Jahre auf Festivals für Furore sorgt und für einen neuen Realismus und eine schärfere, unsentimentalere Beobachtung der argentinischen Gesellschaft steht. Trapero repräsentiert aber auch die Professionalisierung und Kommerzialisierung, dieser Bewegung – das Ende, das er für „Löwenkäfig“ findet, wirkt bei all dem wunderbaren menschlichen Realismus fast schon falsch und künstlich.
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