Die Stimme des Adlers

Abenteuer | Schweden/Deutschland 2009 | 87 Minuten

Regie: Renè Bo Hansen

Ein zwölfjähriger mongolischer Junge soll von seinem Vater die traditionelle Jagd mit dem Adler erlernen, möchte aber lieber mit seinem älteren Bruder in die weit entfernte Großstadt ziehen. Als der Bruder ohne ihn aufbricht, macht er sich auf die Suche nach ihm, gefolgt und beschützt von dem Adler, zu dem er langsam eine Freundschaft entwickelt. Der halbdokumentarische, mit Laiendarstellern besetzte poetische Abenteuerfilm verbindet die reizvolle Freundschaft zwischen Mensch und Tier mit dem Thema des Erwachsenwerdens und gibt zugleich spannende Einblicke in die Kultur eines fremden Landes. - Sehenswert ab 8.
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Filmdaten

Originaltitel
EAGLE HUNTER'S SON
Produktionsland
Schweden/Deutschland
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
Eden Film/Stromberg Prod.
Regie
Renè Bo Hansen
Buch
Stefan Karlsson
Kamera
Dixie Schmiedle
Musik
Sebastian Pille · Steffen M. Kaltschmid
Schnitt
Andre Alves · Jana Musik
Darsteller
Bazarbai Matyei (Bazarbai) · Serikbai Khulan (Inaara) · Mardan Matyei (Bazarbais Vater) · Asilbek Badelkhan (Khan)
Länge
87 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 8.
Genre
Abenteuer | Kinderfilm
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Während der deutsche Kinderfilm seine aktuellen Erfolge mit der Verfilmung beliebter Bücher-Serien über „Wilde Kerle“ und „Wilde Hühner“ feiert, blicken viele ausländische Produktionen über den Tellerrand des eigenes Landes hinaus. So etwa der dänische Regisseur René Bo Hansen, der sich mit zahlreichen Fernsehdokumentationen über soziale Missstände, Integration und Kinder (u.a. „Street Children in Mongolia“) einen Namen gemacht hat. Diese Erfahrungen nutzte er nun auch für seinen ersten Kino-Spielfilm, der, semi-dokumentarisch inszeniert und ausschließlich mit Laiendarstellern besetzt, ein beliebtes Kinderfilm-Topos aufgreift: Die Freundschaft zwischen Mensch und Tier. Dass diese Freundschaft sich nur zögerlich entwickelt, ist einer der Spannungsbögen des Films, der uns mit stimmungsvoll fotografierten Landschafts-Panoramen in die mongolische Steppe am Rand des Altaj-Gebirges entführt. Dort lebt der zwölfjährige Bazarbai mit seiner Familie. Der Vater hat ihn auserkoren, die Tradition der Jagd mit dem Adler fortzusetzen, während er den älteren Sohn Khan zur Arbeit in die ferne Hauptstadt schickt, damit er die Familie unterstützen kann. Doch Bazarbai möchte sich auch viel lieber den Verlockungen der Zivilisation hingeben, die in Gestalt eines vom Onkel geschickten CD-Players ins Nomadenzelt „schneien“. Hinzu kommt, dass der Adler des Vaters nicht gerade Respekt vor dem aufmüpfigen Jungen zeigt. So nutzt Bazarbai die Gelegenheit nach einem Adler-Festival, auf dem ihm das Tier entfleuchte, um sich auf den Weg nach Ulan-Bator zu machen. Der Vater schickt ihm den Adler als „Schutzengel“ auf dem gefährlichen Weg durch die Wüste und über verschneite Berge nach – und langsam entwickelt sich zwischen den beiden ein Vertrauensverhältnis. Auf ihrer Odyssee müssen sie gefährliche Abenteuer bestehen. „Straßen sind für Autos da“, beschimpft ein Lastwagenfahrer einmal Bazarbais Familie, nachdem er eines ihrer Schafe überfahren hatte. Dieses Aufeinanderprallen von Moderne und alten Kulturen bildet den Hintergrund der Geschichte, die uns in eine von der Globalisierung gezeichnete Welt entführt, der die Menschlichkeit abhanden gekommen scheint. Jeder ist nur auf seinen Vorteil bedacht, Zwangsarbeit und ungenügend gesicherte Arbeitsplätze sind genauso an der Tagesordnung wie die Ausbeutung von Mensch und Tier. Nur wenn die Menschen auf die „Weisheit“ der Natur und die Stimme seines „Glaubens“ hören, scheint innerer Frieden möglich. In einem buddhistischen Kloster, in dem der Muslim Bazarbai und die „Ungläubige“ Inaara Zuflucht gefunden haben, erfüllt sich für Momente ihr Wunsch nach Harmonie. Ganz unaufdringlich hat Hansen diese Szenen inszeniert. Genauso wie er den Einbruch der Moderne in die Natur mit einer eindringlichen Bildmetapher einfängt: Da stehen Reihen unfertiger Wohnblocks mitten in der Wüste, und die in ihnen wohnende Menschen empfangen Bazarbai und seinen Adler wie Boten aus einer verloren geglaubten Welt. Doch nie hebt sich bei der Inszenierung der pädagogische Zeigefinger. Wie für den kleinen Helden ist auch für Hansen „der Weg das Ziel“. Und an dessen Rändern lässt er am Schicksal seiner Protagonisten Anteil nehmen und über die Schönheit der Landschaften staunen. Er durchsetzt die von einer leisen Spannung getragene Geschichte immer wieder mit poetischen und humorvollen Einsprengseln. Dabei fügt sich das authentische Spiel der Darsteller, aus denen besonders der kleine Bazarbai hervorsticht, wunderbar in das wirklichkeitsnahe Konzept des Films ein. So können sich die jüngsten Kinobesucher auf Bazarbais abenteuerliche Reise und seine Freundschaft zu dem Adler konzentrieren, ältere dürften sich mit dem Vater-Sohn Konflikt identifizieren oder mit der aufkeimenden Freundschaft zwischen Bazarbai und Inaari. Für jugendliche (und erwachsene) Zuschauer bietet der Film ebenfalls genügend Ansatzpunkte zur Auseinandersetzung: Der Wandel von Familien- und Wirtschaftsstrukturen in Folge der Globalisierung in den sogenannten Schwellenländern lässt sich durchaus auf unsere Breitengrade übertragen. „Die Stimme des Adlers“ ist somit nicht nur im unterhaltsamen Sinn ein Film für die ganze Familie.
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