- | Deutschland 2008 | 90 Minuten

Regie: Gesine Danckwart

Sechs Protagonistinnen zwischen 30 und Mitte 50 setzen sich in Monologen mit ihrem Leben und ihrer Umwelt auseinander. Zumeist in abstrakten weißen Räumen oder einem urbanen Umfeld gefilmt, entsteht daraus in der Montage ein Panoptikum der Ratlosigkeit, das von Leistungs- und Perfektionsdruck herzurühren scheint. Ein interessantes Experiment abseits des klassischen Erzählkinos als beklemmende, aber auch tragikomische Exkursion in aktuelle Befindlichkeiten. Die Inszenierung und die ausdrucksstarken Darstellerinnen nehmen für sich ein, auch wenn die Texte bisweilen etwas prätentiös und überladen daherkommen. - Ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
danckwart & hansen.Film/ZDF-Theaterkanal/Ziegler Film/CalCai-Film
Regie
Gesine Danckwart
Buch
Gesine Danckwart
Kamera
Kristian Leschner
Musik
Vicki Schmatolla
Schnitt
Chris Wright
Darsteller
Kathrin Angerer (Diamond Oil) · Maren Kroymann (Faria Kühne) · Caroline Peters (HB) · Anne Ratte-Polle (Emske) · Esther Röhrborn (Sonntag)
Länge
90 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Diskussion
Sally Potters Film „Rage“ stieß bei der „Berlinale“ 2009 wohl vor allem wegen seiner sperrigen Ästhetik auf wenig Gegenliebe: Ein Ensemble mehr oder weniger ex- und egozentrischer Protagonisten aus der Modewelt monologisiert dort vor einfarbigen, mitunter Augenschmerzen erregend grellen Hintergründen über unterschiedliche Befindlichkeiten angesichts des tragischen Unfalltodes eines Models. Statische Bilder, sprechende Figuren, mehr nicht. Gewiss kein Augenschmaus, doch wenn man sich darauf einlässt, durchaus sehenswertes Schauspieler-Kino: Menschen, für die die sorgfältig inszenierte Oberfläche branchenbedingt alles ist, interagieren mit der Kamera – ein Spiel zwischen Entblößung und Verschleierung, Manipulation und unfreiwilliger Auslieferung. Gesine Danckwarts „UmdeinLeben“ beschreitet thematisch zwar völlig andere Wege – es geht um „normale“ deutsche Großstadtfrauen und ihren Kampf mit dem Alltag –, stilistisch aber ähneln sich die Filme, wenngleich der von Danckwart nicht ganz so radikal wie Potters Werk ausfällt. Auch hier werden die Figuren (sechs Frauen zwischen Dreißig und Mitte Fünfzig) mitunter vor einem einfarbigen, weißen Hintergrund inszeniert, auch hier gibt es keine Handlung im klassischen Sinn, sondern dominiert das Monologisieren der Protagonistinnen über sich und ihr Leben. Allerdings gibt es auch längere Passagen, die die Figuren in ihrem Umfeld situieren: HB ist anfangs im Taxi unterwegs und spricht nonstop in ihr Handy; Emske streift beim Warten auf einen Rückruf wie ein gefangenes Raubtier durch ihre Wohnung und in den Fluren des Hochhausblocks herum, die starke Sonntag trifft sich in Hotels mit Männern zum Ringen; Diamant Oil klagt in der Kneipe, in der sie arbeitet, über Kunden, die Nacht für Nacht ihren Seelenballast vor ihr auf den Tresen laden (und schüttet dabei ihrerseits ihr Herz vor dem Kinozuschauer aus), Faria ist unterwegs und versucht, auf die Gästeliste für einen Empfang zu kommen, Ludwigsholm probt in einem Studio eine Ansprache. Der Film springt zwischen diesen Figuren hin und her, begleitet eine ein Stück weit, wechselt dann zu einer anderen und holt sie später an anderer Stelle wieder ein. Die Räume, die Danckwart dabei aufsucht, vermitteln eine gewisse Unbehaustheit: Straßenzüge, ein Flughafen, Baukräne und -zäune, Hafengebiet, Hotelräume etc. Daraus entstehen Fragmente von Existenzen, die ihrerseits so wirken, als würde es ihren Protagonistinnen bei aller Anstrengung nicht gelingen, in ihrem Dasein heimisch zu werden, als würden all die mühevoll konstruierten Frauenleben wie schlecht sitzende Kleider nicht so recht passen. „Bin ich denn falsch abgebogen, oder kommt mir das heute nur so vor?“, fragt sich die Barfrau und klagt über eine Arbeit, bei der sie nur aufs Schichtende wartet – wobei diese Warterei dann das Leben ist. Emske, offensichtlich freiberuflich tätig, leidet hingegen an mangelnder Beschäftigung und Kontaktlosigkeit, am qualvollen Leerlauf, bis sie schließlich mit einem Megaphon loszieht und auf der Suche nach einem Feedback die Bürosilo-Fassaden anbrüllt. Manchmal begegnen sich die Frauen im abstrakten weißen Raum, selten im „realen“ Umfeld, ohne wirklich zu interagieren; manchmal richtet sich ihr Blick über die Leinwand hinaus ins Publikum, meist aber wirken sie in sich gefangen, isoliert und einsam – selbst wenn sie ständig mit dem Handy kommunizieren wie HB. Im Laufe des Films entsteht daraus ein Panoptikum der (nicht nur „typisch weiblichen“) Entfremdung und Ratlosigkeit, die von Leistungs- und Perfektionsdruck herzurühren scheint: Jede ist ihres Glückes Schmiedin – und wehe, wenn das, was dabei herauskommt, nicht mit den Erwartungen übereinstimmen will. Dass Danckwart vom Theater kommt und der Film vom ZDF-Theaterkanal co-produziert wurde, merkt man der filmischen Inszenierung an, die als Experiment an der Schnittstelle zum Theatralen jenseits des klassischen Erzählkinos ihre Reize hat – auch wenn der Film nicht gerade leicht zu konsumieren ist. Bisweilen geraten die Monologe allzu bedeutungsschwanger, klingen nach Papier und Autorenhirn und zu wenig nach Leben (wobei die Darstellerinnen ihr Bestes tun, um sie genau damit zu füllen); insgesamt aber fesselt der oft beklemmende, aber auch tragikomische Film als unbequeme und formal interessante Exkursion in aktuelle urbane Befindlichkeiten.
Kommentar verfassen

Kommentieren