Komödie | Tschechien 2007 | 100 Minuten

Regie: Jirí Vejdelek

Ein verschrobener, zum Autismus neigender Mittvierziger lebt mit seiner Mutter in einem kleinen tschechischen Dorf. Sein auffälliges Benehmen ist den Bewohnern ein ständiges Ärgernis, und auch der eigene Bruder würde den Trottel gerne in einem Heim sehen. Seine Eifersucht auf ihn gerät außer Kontrolle, als auch noch seine Freundin an diesem Gefallen findet. Eine fabulierfreudige, hervorragend gespielte und fotografierte Komödie, deren eigenwillige Ästhetik viel nationales Kolorit einfängt, gleichwohl aber universelle Themen wie Mutterliebe und Bruderhass verhandelt. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
VACLAV
Produktionsland
Tschechien
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
Buc-Film/Ceská Televize
Regie
Jirí Vejdelek
Buch
Marek Epstein · Jirí Vejdelek
Kamera
Jakub Simunek
Musik
Jan P. Muchow
Schnitt
Jan Danhel
Darsteller
Ivan Trojan (Václav) · Emilia Vásáryová (Mutter) · Jan Budar (Frantisek) · Sona Norisavá (Lida) · Jirí Lábus (Bürgermeister)
Länge
100 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Komödie
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Diskussion
Dass es sich bei diesem Film um etwas ganz Besonderes handelt, zeigt sich daran, dass er in Tschechien in neun Wochen 1,5 Millionen Zuschauer erreichte – bei 10 Millionen Einwohnern! „Václav“ handelt davon, wie aus dem Titelhelden, einem Autisten, ein inhaftierter Verbrecher wird. Basierend auf einer wahren Geschichte, die sich während der großen Amnestie von Präsident Havel in Tschechien in den 1990er-Jahren abspielte, macht der junge Regisseur Jiri Vejdelek (geb. 1972) wunderbares, stilweisendes osteuropäisches Kino: herzerwärmend und lustiger, als die dramatische Handlung vermuten lässt. Václav lebt auf einem Bauernhof mit seiner verwitweten Mutter. Eigentlich könnten es die beiden im Alltag ganz gut haben, aber Václav eckt überall an und wird als Dorftrottel sadistisch herumgeschubst. Die nichtsnutzigen Jugendlichen auf Mopeds überreden ihn zum Diebstahl eines LKW. Um seiner Mutter ein Geburtstagsgeschenk zu machen, kommt er auf die Idee, das Zimmer frisch zu streichen. Gut geeignet dafür findet er die Gartengiftspritze, denn mit ihr kann man schnell einfach alles übersprühen: den Mantel an der Wand, das Bild und die Fensterscheiben eingeschlossen! Autisten leiden an Wahrnehmungs- und Verarbeitungsstörungen des Gehirns. Sie missachten häufig Regeln und verstehen Sprache wortwörtlich. Bei allem ist Václav herzig, sogar charmant, überraschend smart und wortgewandt; er scheut sich nicht, die Wahrheit zu sagen und reagiert sehr konsequent auf Unrecht. Sein Bruder Frantisek will ihn ins Heim verfrachten, weil er darunter leidet, dass die Mutter ihre Aufmerksamkeit ein Leben lang auf das behinderte Kind gerichtet hat. Als Frantiseks heimliche Geliebte Lida und Václav sich dann auch noch näher kommen, schafft sich der Hass zwischen den Brüdern ein gewaltsames Ventil, wodurch die Wahrheit über den Tod des Vaters ans Licht kommt. Im Zuge dessen müssen auch die Dorfbewohner endlich Stellung beziehen, in den Spiegel sehen und sich ihren Fehlern und Verfehlungen stellen. „Václav“ wird von seiner Erzählkraft getragen, den hervorragenden Leistungen der Schauspieler, die zumeist Stars in ihrer Heimat sind, und von einer merkwürdigen visuellen Ästhetik: Eine sonnige, leicht vernebelte Landschaft und die verwaschenen Farben verleihen dem Film eine große Schönheit. Es ist, als hätte jemand einen Schleier über die (Film-)Erzählung gelegt, einen Mantel des Vergessens, in dem sich tschechisches Leben abzuspielen scheint. So liebevoll das nationale Kolorit gestaltet ist und so präzise die tschechische Geschichte den Film prägt, handelt „Václav“ doch von universellen Themen. Vejdelek zeigt, wie politische Unterdrückung Individuen wie Gemeinschaften über Generationen hinaus zerstören kann, und erzählt von Bruderhass, Mutterliebe und dem Geheimnis eines Vaters, dem diese Verwerfungen geschuldet sind. Wenn einem Film zu wünschen ist, dass er nicht im Sommerloch verschwindet, dann diesem.
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