Luck by Chance

- | Indien 2009 | 156 Minuten

Regie: Zoya Akhtar

Zwei junge Nachwuchsschauspieler, ein Mann und eine Frau, die beide auf eine Traumrolle in einem Bollywood-Film hoffen, verlieben sich ineinander. Doch während sich ihre Hoffnungen zerschlagen, erhält er eine Hauptrolle in einem Liebesfilm, was ihre Beziehung auf eine harte Probe stellt. Überraschend reifes Regiedebüt, dessen erfrischende Geschichte mitten in die Dekors der Filmstadt Mumbai führt und aufschlussreiche Blicke hinter die Kulissen einer selbstsüchtigen Branche wirft. Der Film erschöpft sich dabei nicht im selbstreferenziellen Spiel mit Kinoträumen, sondern plädiert für Bescheidenheit und dafür, das Kino als kreativen Freiraum zu nutzen. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
LUCK BY CHANCE
Produktionsland
Indien
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
Big Pictures/Excel Ent.
Regie
Zoya Akhtar
Buch
Zoya Akhtar
Kamera
Carlos Catalán
Musik
Shankar · Loy · Ehsaan
Schnitt
Anand Subaya
Darsteller
Farhan Akhtar (Vikram Jaisingh) · Konkona Sen Sharma (Sona Mishra) · Rishi Kapoor (Romy Rolly) · Dimple Kapadia (Neene Walia) · Isha Sharvani (Niki Walia)
Länge
156 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
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Heimkino

Die Extras umfassen u.a. ein Feature mit im Film nicht verwendeten Szenen. Die FSK-Freigabe "ab 6" der DVD bezieht sich auf das Bonusmaterial (Trailer etc.), der Film selbst hat eine Freigabe "o.A.".

Verleih DVD
Rapid Eye Movies/Trigon (16:9, 2.35:1, DD5.1 Hindi & engl./dt.)
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Diskussion
Die Exposition zeigt, konträr zum Filmtitel, dass einem das Glück auch in der Hindi-Filmbranche nicht einfach in den Schoß fällt, sondern dass man ihm auf die Sprünge helfen muss. Da ist eine angehende Schauspielerin, die ein Casting-Gespräch mit einem Regisseur führt. Sie gefalle ihm, er könne sie groß rausbringen. Aber dafür sei es nötig, dass er sie „näher kennenlerne“. Was das zu bedeuten hat, wird nicht näher ausgeführt, aber der Zuschauer denkt sich seinen Teil. Dann folgt ein Song, aber nicht eingepackt in eine bunte Song-&-Dance-Nummer, sondern einer Sequenz unterlegt, die zeigt, wo und von wem die Filmträume gemacht werden: Da sind staubige Werkstätten, in denen beim Kulissenbau die Späne fliegen, da sitzt ein Schneider über seine Nähmaschine gebeugt an einem paillettenschimmernden Kostüm, da singen drei untersetzte Frauen in der Tonkabine ein Lied ein, Security-Leute stehen Wache, die Männer vom Catering warten auf den Ansturm der Crew. Die Kamera fängt diese Handwerker des Glamours während ihren Tätigkeiten ein, widmet ihnen aber auch Porträts, in denen sie wie für ein Foto posieren, als sollten sie explizit der Unsichtbarkeit, in der sie sonst wirken, entrissen werden. Inside Bollywood: Bereits „Om Shanti Om“ (fd 38 617) machte die indische Filmindustrie selbst zum Filmstoff und persiflierte augenzwinkernd Klischees des Hindi-Mainstreams von den 1970er-Jahren bis in die Gegenwart sowie die Eitelkeiten und die Egozentrik der Branchengrößen. Javed Akhtar, ein erfolgreicher Drehbuchautor und Songtexter, der an zahlreichen Hindi-Hits mitgewirkt hat, steuerte zu dem Film unter anderem Lyrics bei, die die Albernheit der Figur des verwöhnten Star-Spösslings offenlegen, der sie zum besten gibt. Letztlich war „Om Shanti Om“ bei allen satirischen Spitzen aber doch eine glanz- wie liebevolle Hommage auf Bollywood: die Intrigen, Tragödien und übergroßen Gefühle, die hinter die Studiokulissen des Filmgeschäfts verlegt wurden, standen den Standards auf der Leinwand in nichts nach. „Luck by Chance“, das erstaunlich reife Regiedebüt von Akhtars Tochter Zoya, zu dem der Vater Dialoge beisteuerte, geht gnadenloser zu Werke und bewegt sich vom Mainstream Richtung Arthouse. Es gibt zwar die mitreißenden Song-&-Dance-Nummern und Cameo-Auftritte namhafter Stars, es wird geliebt und gelitten. Doch „Luck by Chance“ ist kein selbstreferenziell-genüssliches Spiel mit Kinoträumen, sondern ein desillusionierter Blick auf die schäbige Rückseite einer Branche, die zwar Aufstiegs- und Selbstverwirklichungsmöglichkeiten (auch für Frauen) bieten mag, wo aber auch Korruption und Ausbeutung regieren. Der Film begleitet zwei junge Darsteller: den frisch aus der Schauspielschule kommenden Vikram sowie Sona, das Mädchen aus der Eingangssequenz. Sie hofft immer noch darauf, dass ihr „Mentor“ den erhofften Film drehe, in dem er ihr eine Hauptrolle versprochen hat, und schlägt sich derweil mit kleinen Nebenrollen durch, während Vikram seine Fotos an Produzenten schickt. Beide lernen sich zufällig kennen, machen sich gegenseitig Mut und kommen sich näher. Ausgerechnet in dem Moment, als Sonas Traum endgültig zu platzen scheint, geht Vikrams kühnste Hoffnung in Erfüllung: Er bekommt die Hauptrolle in einem Film, in dem er neben der Tochter einer einstigen Diva spielen soll, dem von vornherein die Aufmerksamkeit der Medien wie der Massen sicher ist. Um so weit zu kommen, will sich Vikram nicht allein auf das Glück und sein Talent verlassen, sondern setzt seinen ganzen Charme ein – sowohl gegenüber seiner Filmpartnerin als auch gegenüber deren Mutter. Seine Loyalität zu Sona spielt bald keine Rolle mehr. Ähnlich wie in Shashi Tharoors Roman „Bollywood“, der über der Geschichte vom Aufstieg und Fall eines Hindi-Stars die Korruption und die Gier nach Profit und Ruhm bloßlegte, werden auch hier Stück für Stück Klüngeleien, Heucheleien und Skrupellosigkeiten aufgedeckt – über die allmähliche Dekonstruktion der zunächst liebenswürdigen männlichen Hauptfigur, aber auch über diverse, fast als Karikaturen angelegte Nebenfiguren, etwa Hrithik Roshan als selbstverliebter Leinwandheld, der seine ganze schauspielerische Kunst in die Waage wirft, als es gilt, sich mit Lügen aus einem bereits zugesagten Filmprojekt herauszuwinden, oder Rishi Kapoor als Produzent, der auf jedweden künstlerischen Aspekt seiner Arbeit pfeift und sich wie ein hysterischer Basarhändler aufführt. Allerdings erschöpft sich „Luck by Chance“ nicht darin, sondern plädiert vor allem in Form des Entwicklungsprozesses, den er seiner weiblichen Hauptfigur zugesteht, für eine neue (und zur aktuellen wirtschaftlichen Krise nur zu gut passende) Bescheidenheit der Branche, für ein Arbeitsethos und ein Selbstverständnis, das „Erfolg“ nicht nur in Zahlen definiert, sondern das Filmemachen eher als das sieht, was es gerade in der indischen Gesellschaft für die Filmschaffenden wie die Zuschauer auch sein kann: ein kreativer Freiraum.
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