- | Südkorea/USA 2009 | 133 Minuten

Regie: Chan-Wook Park

Ein katholischer Priester, der in einer tiefen Glaubenskrise steckt, stirbt an den Folgen eines medizinischen Experiments, ersteht aber als mit übernatürlichen Kräften ausgestatteter Vampir. Er verliebt sich in eine Frau. Als auch diese zur Blutsaugerin wird, steigert sich das Verlangen des Paares nach einander und nach Blut in unkontrollierbare destruktive Gewalt. Visuell und inszenatorisch ausufernder Vampirfilm, der mit großem Raffinement Genreelemente und -klischees benützt, um in freier Variation eines Emile-Zola-Stoffs eine Geschichte um Schuld und Sühne zu erzählen. Eine anspielungsreiche, intelligente Studie über Moral. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
BAKJWI
Produktionsland
Südkorea/USA
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
Moho Film/CJ Ent./Focus Features
Regie
Chan-Wook Park
Buch
Jeong Seo-Gyeong · Chan-Wook Park
Kamera
Chung Chung-hoon
Musik
Cho Young-Uk
Schnitt
Kim Sang-bum · Kim Jae-bum
Darsteller
Song Kang-ho (Pater Sang-Hyun) · Kim Ok-Vin (Tae-ju) · Kim Hae-sook (Frau La) · Shin Ha-kyun (Kang-wu) · Park In-hwan (Pater Noh)
Länge
133 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; nf
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Ascot/Elite (16:9, 2.35:1, DD5.1 korea./dt.)
Verleih Blu-ray
Ascot/Elite (16:9, 2.35:1, dts-HD korea./dt.)
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Diskussion
Wie die Filmemacher der Nouvelle Vague hat Park Chan-Wook vor seiner Laufbahn als Regisseur selbst Texte über das Kino geschrieben. Man sieht es seinen Filmen an, dass sie um ihre zahlreichen Vorgänger in der Filmgeschichte wissen, doch anders als Quentin Tarantino, der seine Referenzen und Bezüge explizit und voller cineastischer Euphorie ausstellt, schlummern sie bei Chan-Wook im Verborgenen. Auch sein neues Werk „Durst“, ein Ausflug ins Genre des Vampirfilms, ist alles andere als postmodernes Zitatkino. Dennoch scheint jeder Vampirfilm der Vergangenheit von ihm wie ein Baustein betrachtet und zumindest einmal umgedreht worden zu sein. Auf den ersten Blick mag das neue Werk des südkoreanischen Regisseurs nicht sonderlich innovativ anmuten, doch die Verbindung gängiger Versatzstücke mit genreüberschreitenden Motiven lässt das Vampirdasein in einem ganz neuen Licht erscheinen. „Durst“ ist im Grunde weniger ein blutrünstiger Vampirfilm – auch wenn noch so viel Blut fließt – und erst recht kein Horrorschocker, als vielmehr eine anspielungsreiche, intelligente und witzige Studie über Moral. Eine vampirische Version von „Schuld und Sühne“, wenn man so will. Der katholische Krankenhausseelsorger Sang-Hyun befindet sich in einer Glaubenskrise. Man merkt es seinen Gebeten an: Sie sind zaghaft, leise und ohne Überzeugungskraft. Sein Entschluss, an einem medizinischen Experiment zur Bekämpfung eines tödlichen Virus teilzunehmen, gleicht deshalb auch weniger einem idealistisch motivierten Selbstopfer als vielmehr einem legitimierten Suizid. Denn bisher hat noch keiner das Experiment überlebt. Auch bei Sang-Hyun nimmt die Krankheit zunächst ihren gewohnten Verlauf. Die Haut platzt auf, es bilden sich eiternde Blasen, bis der Priester, der, ganz mit Binden eingewickelt, zunehmend einer Mumie gleicht und wenig später auf dem Operationstisch stirbt. Doch dann folgt eine Wiederauferstehung – und wenig später wird Sang-Hyun als „verbundener Heiliger“ verehrt. Superkräfte erwachen in ihm, Gebete und Segnungen zeigen plötzlich Wirkung. Endlich macht sein Priesterdasein Sinn – und ist doch umso stärker bedroht. Denn als Sang-Hyun seinem alten Schulkameraden Kang-woo begegnet und sich in dessen Ehefrau Tae-ju verliebt, verspürt er einen immer stärker werdenden ,Durst‘. Dieser richtet sich auf das Trinken von Blut – bei der Bluttransfusion wurde er offensichtlich in einen Vampir verwandelt, gestaltet sich aber auch als kaum mehr zu kontrollierendes sexuelles Verlangen. Auch Tae-ju wandelt sich vom verhuschten Mädchen, das unter der Knechtschaft einer bösen Schwiegermutter und der geistigen Zurückgebliebenheit ihres Ehemanns zu leiden hat, allmählich zur Femme fatale. Sie wird Sang-Hyuns Geliebte und unvermeidlich selbst zum Vampir. Nach einer kurzen Zeit des befreiten Genusses nimmt ihre Leidenschaft füreinander und für das Blut der Anderen jedoch immer destruktivere Züge an. Ähnlich wie bei dem Vorgängerfilm „I’m a Cyborg, but that’s OK“ (fd 38 550) produziert Chan-Wook auch hier einen kaum zu bändigenden Überschuss an Motiven, Genres und visuellen Styles. Nie zuvor hat ein Vampirfilm so „ungruftig“ ausgesehen. Die Bilder sind anfangs überbelichtet, hellweiß, fast steril – eine Ästhetik, die gegen das Genre arbeitet und dessen Künstlichkeit überscharf herausstellt. Doch Chan-Wook bleibt diesem vermeintlich „minimalistischen“ Stil keineswegs treu und reichert seinen Film stattdessen mit einer immer opulenteren und farbigeren Bildsprache an – ein artifizielles „Blutrot“ ist bald die dominierende Farbe. Die statischen Einstellungen vom Beginn weichen mitreißenden Kamerabewegungen, die Sang-Hyun bei seinen fliegenden Sprüngen über die Krankenhausdächer begleiten – doch erinnern diese akrobatischen Einlagen weniger an Martial-Arts-Filme als an amerikanische Comic-Verfilmungen. Und wenn sich Realität, Traum und Wahnvorstellung auch noch vermischen, kippt der Film sogar in das surrealistische Genre. Chan-Wooks Missachtung dramaturgischer Regeln und das hemmungslose Ausleben persönlicher Vorlieben dient vielleicht nicht immer der Stringenz und schon gar nicht dem Suspense, stellt aber interessante Verbindungen zwischen den verschiedenen Genres her. So schreitet „Durst“ mit kühnen Schritten jeden erdenklichen Seitenweg ab, der sich ihm anbietet, mäandert mal in diese, mal in die andere Richtung, verbindet Vampirfilm mit Amour Fou-Geschichte, Ghoststory und Gewissensdrama. Interessanterweise hat sich Park Chan-Wook bei seinem Vampirfilm von Emile Zolas Roman „Thérèse Raquin“ inspirieren lassen. Der Roman erzählt den Niedergang eines Paares aufgrund eines Verbrechens, eine Geschichte, wie man sie aus zahlreichen Film noirs kennt, etwa den verschiedenen Adaptionen von „The Postman Always Rings Twice“ (u.a. fd 3517): Ein Paar, das sich leidenschaftlich verfallen ist, plant den Mord am Ehemann der Frau. Doch die Schuld kehrt wie ein böses Gespenst zurück, sie zerstört die Liebe der beiden und auch die Leidenschaft. Bei Zola endet die Geschichte im Doppelselbstmord, bei Park Chan-Wook in einer ironischen Collage verschiedenster Vampirmotive und -klischees, eine wunderbar selbstreflexive Geste im Blick auf das eigene Genre. Ebenso wie bei Zola ist auch bei Chan-Wook Schuld das zentrale Motiv. Sang-Hyun, der Vampir-Priester, muss gleich gegen mehrere Dämonen kämpfen: gegen die Zweifel seines Glaubens wie gegen sein verbotenes sexuelles und vampirisches Begehren. „Durst“ ist im Grunde die Geschichte eines Priesters, der von seinem Glauben abfällt und in eine tiefe Identitätskrise stürzt. Das Versprechen auf ewiges Leben erhält plötzlich eine ganz andere, grausame Dimension. „Vampir ist, einen anderen Geschmack zu haben“, sagt der Priester einmal – ein vergeblicher Versuch, seinen blutrünstigen Trieb auf eine rationale Formel zu bringen. Dem moralischen Dilemma entkommt er damit nicht.
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