Komödie | Deutschland 2008 | 82 Minuten

Regie: Rudolf Thome

Eine gefeierte junge Punk-Dichterin leistet sich den Luxus, drei Männer zugleich zu lieben, muss sich aber auf Gottes Befehl hin für einen ihrer Verehrer entscheiden. Diverse kleine Irrtümer begleiten sie auf ihrem Weg ins Glück. Noch radikaler als in seinen vorherigen Filmen präsentiert Rudolf Thome die reine Oberfläche des Erzählens, wobei nichts symbolisch oder allegorisch zu verstehen ist. Fernab bleischwerer deutscher Beziehungsdramen folgt die Erzählung frisch, jung und durchaus auch böse den Einfällen eines Erzählers, der sich auf eine vorzügliche Kameraarbeit sowie die perfekte, den Mehrwert der Szenen betonende Musik verlassen kann. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
Moana-Film/ARD-Degeto
Regie
Rudolf Thome
Buch
Rudolf Thome
Kamera
Ute Freund
Musik
Katia Tchemberdji
Schnitt
Dörte Völz-Mammarella
Darsteller
Hannah Herzsprung (Pink) · Guntram Brattia (Carlo) · Florian Panzner (Georg) · Cornelius Schwalm (Balthazar) · Radhe Schiff (Silver)
Länge
82 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Komödie | Liebesfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Eurovideo (16:9, 1.78:1, DD2.0 dt.)
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Diskussion
Auf seiner Website hatte Rudolf Thome einmal davon gesprochen, dass dieser „unglaubliche Film“ die „Thome-Welt“ umzustürzen imstande sei: Seine Feinde würden ihn lieben, seine Freunde ihn hassen. Mittlerweile sitzt Thome bereits an neuen Projekten und hat seine Erwartungen an „Pink“ etwas relativiert. Allzu viele Gründe, in die Defensive zu gehen, gibt es aber nicht, denn „Pink“ wartet in der Tat mit einer überraschenden Kino-Erfahrung auf. Was Thome hier erzählt, ist gewissermaßen die Essenz von gut 100 Folgen „Verbotene Liebe“ oder „Lindenstraße“, bloß, dass „Pink“ sich all die trivialen Handlungsretardationen und Intrigen-Ornamente spart und nur die Höhepunkte aneinanderreiht. „Pink“ lebt von der Spannung zwischen dem Erzählten und dem Gezeigten und der Verdichtung von Gesten und Posen. Weil man das alles schon Hunderte Male gesehen hat, spart Thome sich die Zeit und kommt lieber auf den Punkt. Dabei ist es schwierig, die Erzählhaltung hinter „Pink“ genau zu bestimmen. Thomes Grundeinstellung zur Geschichte, die er erzählt, ist ironisch, aber in jeder Szene dieser Reihung von Ellipsen geht es gänzlich unironisch um alles. Lässt man sich auf dieses ungewöhnliche (latent auf Carl Sternheim verweisende) Erzählverfahren ein, erlebt man ein Abenteuer, dass in manchem an Truffauts „Die Braut trug schwarz“ (fd 15 362) erinnert, was weniger mit der Handlung als mit der vorzüglichen Kameraarbeit von Ute Freund und der perfekten, den Mehrwert der Szenen betonenden Musik von Katia Tchemberdji zu tun hat. Voila, Nouvelle Vague! Worum geht es? Drei Hochzeiten und ein Todesfall! Ein Märchen aus uralten Zeiten! Eine Rückkehr ins Paradies in der Larve der bürgerlichen Kleinfamilie. Mit dunkler Perücke und überdimensionaler Sonnenbrille wird aus der ehemaligen Klosterschülerin Susi Bauer die vergötterte Punk-Dichterin Pink, die sich den Luxus leistet, gleichzeitig drei Männer zu lieben. Susi ist ein Waisenkind, doch Pink besitzt einen Waffenschein, um aufdringliche Fans zu verscheuchen. Pink weiß eines genau: „Liebe ist Mord!“ Ihre drei Verehrer könnten unterschiedlicher nicht sein, sind aber nur unterschiedliche Facetten eines „kompletten“ Mannes. Carlo ist ein erfolgreicher Geschäftsmann und viel unterwegs, Georg ein extrem modebewusster, eitler, hedonistischer Verleger, Balthazar ist Musiker, durch einen Lottogewinn finanziell unabhängig auf dem Land lebend. Da die drei Männer allesamt sehr wohl erzogen sind, könnte diese menage à quatre sehr schön sein, doch eines Tages befiehlt Gott Susi Bauer, sie möge sich doch bitte für einen der Männer entscheiden. Leider hat die Stimme Gottes ihr nicht die Qual der Wahl erspart. Pink vertraut auf die alte sowjetische Weisheit: Liebe = das Produkt planmäßigen Vorgehens + eisernem Verstand. Folglich versucht sie es mit Arithmetik, listet mit reichlich Stirnfalten und Taschenrechner die Pros und Contras der Bewerber – und Carlo bekommt den Zuschlag. Es wird geheiratet, doch Carlo ändert nicht sein Leben, kümmert sich nicht um Pink, ist viel unterwegs. „Pinkilein“ aber hat keine Lust, allein zu sein. Die Trennung erfolgt per SMS. Während sich Carlo – etwas sehr theatralisch mit Countdown – in seinem Büro erhängt, experimentiert Pink, wie sich die Liebe (oder der Sex?) mit einer Frau anfühlt. Später wird sie sagen: „Ich habe dazu gelernt.“ Dann ist Georg an der Reihe. Mit ihm kann man reisen und Abenteuer erleben, doch er ist nicht treu, will Pink, aber auch Sex und Drogen. Bleibt Balthazar, dessen aufreizend milde Geduld belohnt wird. Sah man zu Beginn eine urbane Punk-Dichterin mit den um sie buhlenden Männern, sieht man am Ende eine Mutter mit Mann, Kind und Bauernhof. Solch konservatives Idyll sollte man freilich nicht zu ernst nehmen, weil Thome das glückliche Paar zuvor gemeinsam bei einem Konzert gezeigt hat: Sie singt ihre bedeutungslosen Reime, er spielt die Gitarre, ohne auch nur einmal den Akkord zu wechseln. Selten wurde Mittelmäßigeres so emphatisch vom Publikum gefeiert! Noch radikaler und wirklich provozierend unbekümmert als in seinen letzten Filmen präsentiert Thome die reine Oberfläche des Erzählens. „Pink“ zeigt alles, was einfach so da ist. Hier ist nichts symbolisch oder allegorisch zu verstehen, hier folgt eine Erzählung den Einfällen eines Erzählers, der solche und ähnliche Geschichten seit Jahrzehnten erzählt und sich selbst nicht langweilen will. Ob man die ländliche Idylle am Ende als ironisch oder im Sinne einer konservativen Utopie begreift, liegt im Auge des Betrachters. Die kindlich-naive, nicht allzu kluge Pink praktiziert „Learning by Doing“, jede Station ist ein kleiner Irrtum auf dem Weg zum Glück. Susi Bauer probiert sich aus, gibt sich selbstbewusst und weiß doch: „Ich bin überhaupt nicht neugierig!“ Als sie sich zu Beginn für Carlo entscheidet, ist sie geradezu erleichtert: „Jetzt liegt alles bei dir, jetzt musst du mich glücklich machen.“ In welchem anderen deutschen Film der letzten Zeit wurde eine junge Punk-Dichterin beim Suchen von Ostereiern im Garten gezeigt? Verspottet hier vielleicht der alte Feminist Thome eine Generation von Nachgeborenen, die unter den geerbten Emanzipationsansprüchen ihrer Mütter ächzen? Oder ist „Pink“ einer Männerfantasie? Man staunt, wie jung, frisch und böse sich „Pink“ neben all den bleischweren deutschen Beziehungsdramen der Saison ausnimmt. Man muss nur staunen wollen!
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