Menachem & Fred

Dokumentarfilm | Deutschland/Israel 2008 | 95 Minuten

Regie: Ofra Tevet

Dokumentarfilm über zwei Brüder, die den Holocaust überlebten. Der eine emigrierte nach Amerika und ließ seine jüdische Identität hinter sich, der andere wanderte nach Israel aus und schloss sich dem orthodoxen Judentum an. Im Jahr 2005 begegneten sie sich zusammen mit ihren Familien in der alten Heimat wieder. Eine filmisch dürftige, inhaltlich aber reichhaltige Materialsammlung über Strategien, mit der Shoah umzugehen. (O.m.d.U.) - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland/Israel
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
Egoli Tossell Film/ZDF-ARTE/SWR/SR/Noga TV
Regie
Ofra Tevet · Ronit Kertsner
Buch
Ofra Tevet · Ronit Kertsner
Kamera
Klaus Sturm
Musik
Zbigniew Preisner
Schnitt
Ronit Kertsner
Länge
95 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Lighthouse (16:9, 1.78:1, DD5.1 dt.)
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Diskussion
Menachem Mayer und Fred Raymes sind Überlebende des Holocaust. Bis zur „Reichskristallnacht“ im November 1938 wuchsen sie als Heinz und Manfred Mayer im badischen Städtchen Hoffenheim auf. Dann brannte die Synagoge, und der SA-Mann Emil Hopp trat ihre Wohnungstür ein. 1940 wurden die Brüder und ihre Familie ins KZ Gurs nach Südfrankreich deportiert. Die Jungen entgingen der Ermordung in Auschwitz, weil ihre Eltern sie im Winter 1940/41 vorsorglich in ein Waisenhaus steckten. Nach dem Krieg trennten sich ihre Wege. Der 17-jährige Manfred emigrierte nach Amerika, wechselte Namen und Identität, arbeitete als Raumfahrttechniker bei der Nasa und lebt heute mit seiner zweiten Frau in Florida. Der drei Jahre jüngere Heinz hingegen entschied sich für Jerusalem, schloss sich dem orthodoxen Judentum an und wurde Professor für Biowissenschaften. Die Brüder wussten lange nichts voneinander. Bis Fred bei einem Umzug auf Briefe ihrer Eltern aus dem KZ stieß. Er machte Menachem in Israel ausfindig und schickte ihm die Dokumente. Daraus entstand ein zögerlicher Kontakt, der Jahre später in gemeinsamen Memorien mündete: „Aus Hoffenheim deportiert. Menachem und Fred. Der Weg zweier jüdischer Brüder“ (Ubstadt-Weiher 2008). Dass die Brüder über ihr Schicksal auch vor der Kamera sprechen, hat mit den Nachkommen des SA-Mannes Hopp zu tun, die als Gründer der Software-Firma SAP ihre Finanzkraft nicht nur für den Fußball, sondern auch für eine Aussöhnung mit der deutschen Vergangenheit einsetzen. Sie initiierten ein Wiedersehen 2005 in Hoffenheim, zu dem nicht nur Menachem und Fred, sondern auch ihre beiden Familien, insgesamt fast 30 Personen, zusammen kamen. Mit dabei waren auch die israelischen Dokumentaristinnen Ofra Tevet und Ronit Kertsner, die allerdings Mühe hatten, die Dynamik dieses Treffens filmisch zu strukturieren. Denn hier trafen Welten aufeinander: Vergangenheit und Gegenwart, pragmatische Amerikaner und kämpferische Zionisten, Juden und Christen, Angeheiratete und fremde Verwandte, zwei Brüder, die sich ihr Leben lang aus dem Weg gegangen sind. Eine Vielfalt und ein Spannungsreichtum, die der Dokumentarfilm nicht in Griff bekommt, weder inhaltlich noch ästhetisch. Das mag erklären, warum der Film erzählerisch mehrmals neu ansetzt, auf die erste stockende Begegnung der Brüder mit einer kommentierenden Erzählerin antwortet, die vermeintliche Leerstellen auffüllt; warum mit überflüssigem Reenactment die Grenze zum Kitsch überschritten (was prompt als Filmplakat wiederkehrt) und alles mit einem bedeutungsschwangeren Musikteppich (immerhin von Zbigniew Preisner) zugekleistert wird. Die Familienzusammenführung ist dabei nur der chronologische Endpunkt; um sie herum ist ein informatives, in den Details aber extrem ausfransendes Geflecht aus alten Fotografien, Ortsbegehungen, Interviews und Gesprächen gelegt, mit denen die Stationen der Kriegsjahre nachgezeichnet, aber auch die gegenwärtigen familiären Netze beleuchtet werden. Das ist mitunter ebenso bieder wie verwirrend montiert, weil sich die Inszenierung nicht entscheiden kann, welche der vielen Themen von A wie Antisemitismus bis V wie der fragwürdigen Versöhnung mit der Vergangenheit im Zentrum sehen sollen. Lässt man den Ärger über den dokumentarischen Dilettantismus jedoch beiseite und nimmt den Film als Materialsammlung, dann wird es spannend: etwa in der Reflexion über den Preis des Erinnerns oder die unterschiedlichen Strategien, als Überlebender mit der Shoah umzugehen – verdrängt, vergessen, inkorporiert – inklusive der Symptome bei der zweiten Generation: liberale Gleichgültigkeit, militanter Zionismus.
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