Ein Teil von mir

- | Deutschland 2008 | 88 Minuten

Regie: Christoph Röhl

Eine junge Frau im Teenager-Alter bekommt ungewollt ein Baby. Mehr romantisches Märchen als Sozialdrama, geht es dem Jugendfilm vor allem um die Perspektive des unfreiwilligen Vaters, der von der Mutter seines Kindes auf drastisch-wirkungsvolle Weise gezwungen wird, sich seiner Vaterrolle zu stellen. Was ihm zunächst als Selbstaufgabe erscheint, entpuppt sich mit wachsender Liebe zum Baby als Selbstfindung. Dabei fangen souveräne Darsteller Unglaubwürdigkeiten der Handlung sowie schwach gezeichnete Nebenfiguren weitgehend auf. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
Tatfilm/ZDF (Das kleine Fernsehspiel)
Regie
Christoph Röhl
Buch
Philippe Longchamp · Christoph Röhl
Kamera
Peter Steuger
Musik
Hermann Skibbe
Schnitt
Julia Oehring
Darsteller
Ludwig Trepte (Jonas) · Karoline Teska (Vicky) · Lena Stolze (Susanne, Jonas' Mutter) · Julia Richter (Laura, Vickys Mutter) · Jennifer Ulrich (Jeanette)
Länge
88 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
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Heimkino

Verleih DVD
Neue Visionen (16:9., 1.78:1, DD5.1 dt.)
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Diskussion
Jonas und Vicky geraten in eine Vorabend-Party für Pubertierende, in eine Disco, die tut, als wäre es Nacht. Die beiden sind 16, weshalb eine Party mit Jüngeren wohl die vorstellbar uncoolste Umgebung ist. Aber Vicky tanzt einfach drauf los. Jonas sieht ihr kurz zu. Die Bewunderung lässt sich deutlich an seinen Augen ablesen, für ein Selbstbewusstsein, das er nicht hat. Vickys Selbstbewusstsein ist für ihr Alter tatsächlich ungewöhnlich, aber vielleicht liegt das ja daran, dass sie soeben Mutter geworden ist und sich gegen alle Widerstände für ihr Kind entschieden hat. In Christoph Röhls „Ein Teil von mir“ steht jedoch der Zaudernde im Mittelpunkt, der sich abhängig von der Meinung anderer macht, der Vater des ungeplanten Babys: Jonas. „Ein Teil von mir“ ist eine ungewöhnliche Liebesgeschichte. Denn es geht um einen sehr jungen Vater, der die Liebe zu seiner kleinen Tochter entdeckt und darüber auch sich selbst. „Coming of Age“ also mal ganz anders, in Verbindung mit dem Thema Teenager-Schwangerschaften – jedes Jahr werden in Deutschland etwa 13 000 Mädchen unter 18 Jahren schwanger. 2006 hatte Henner Winckler in seinem intensiven Porträt „Lucy“ (fd 37 675) die weibliche Seite der Problematik erkundet, Christoph Röhl steuert jetzt die männliche Perspektive bei. Er findet jedoch zu einem völlig anderen Ton. Während Winckler in „Lucy“ Widrigkeiten und Milieu sozialrealistisch genau zeichnet, erzählt Röhl ein romantisches Märchen, einen Jugendfilm, in dem vielleicht sogar die jungen Eltern zusammenfinden könnten – wenigstens lässt der Film diese Möglichkeit offen. Auch aus seinem Drehort Halle an der Saale, der sicher auch eine gute Wahl für einen sozialrealistischen Ansatz gewesen wäre, macht der Regisseur einen romantischen Ort zwischen alten Fassaden, Kopfsteinpflaster und grünem Flussufer – keine Spur von Plattenbauten und Schnellstraßen. Der Regisseur und sein Co-Autor Philippe Longchamp konzentrieren sich dabei ganz auf die Hauptfiguren. Es geht um Jonas und auch um Vicky; die allein erziehenden Mütter der beiden fungieren bereits als bloßes Vehikel für die psychologische Entwicklung der Protagonisten. Die Freunde von Jonas, die schlechte Noten haben und sich nur für Motorräder und Fußball interessieren, sind reine Stichwortgeber, Schablonen, vor denen Jonas’ Wandlung sich abhebt. Gerade die Szenen mit Jonas’ Freunden geraten auf diese Weise etwas lehrstückhaft, was im Kontrast zur komplexen Gestaltung der Hauptfiguren besonders auffällt. Die beiden Hauptdarsteller sind gut geführt, sie fangen die bewussten Verklärungen im Plot auf und erden diese mit ihrem bodenständigen Spiel. Ludwig Trepte (u.a. „Sieben Tage Sonntag“, fd 39 156) als empfindsamer Jonas gelingt die Balance zwischen pubertären Jungenträumen und beginnender Selbsterkenntnis. Auch für diese Rolle wurde der 21-Jährige mit einem Nachwuchspreis geehrt, obwohl man angesichts des Preisregens, der sich über den Schauspieler inzwischen ergossen hat, kaum mehr von Nachwuchstalent sprechen kann. Vicky zwingt Jonas mit ziemlich überfallartigen Manövern immer wieder dazu, sich mit seiner frühen Vaterrolle auseinander zu setzen und über Zusammenhänge wie Verantwortung und Zuverlässigkeit nachzudenken. Sie taucht bei ihm in der Arbeit auf und lässt ihn einfach mit dem Kinderwagen stehen; bei Jonas zu Hause klopft sie an der Tür, nimmt ein Bad und verschwindet über Nacht. Jonas bleibt verzweifelt mit dem Baby zurück und ruft unter einem Vorwand schließlich seine Mutter aus der Nachtschicht zu Hilfe. Obwohl Vicky immer wieder zurückgewiesen wird, sobald sich der so Überrumpelte gesammelt hat, lässt sie sich nicht beirren. Sie möchte sich von der Biografie ihrer Mutter absetzen, möchte einen Vater für ihr Kind – jenseits von Alimente. Nach und nach zeigen ihre beharrlichen Aktionen Wirkung. Jonas ist lernfähig und, viel wichtiger, fähig zu einer Zuneigung, die ihm zunächst als Selbstaufgabe erscheint, letztlich aber Selbstfindung bedeutet.
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