Erlöse uns von dem Bösen (2005)

Dokumentarfilm | USA 2005 | 99 Minuten

Regie: Amy Berg

Dokumentarfilm über einen pädophilen Priester, der in den 1970er- und 1980er-Jahren in Kalifornien Dutzende von Kindern missbrauchte und dafür ins Gefängnis gesteckt wurde. Er konfrontiert Aussagen des Täters, der die Schwere seiner Taten noch immer nicht erkennt, mit denen der Opfer, denen das Leid ins Gesicht geschrieben ist. Der emotional aufwühlende, dramaturgisch effektvoll gestaltete Film bringt einen krassen Fall eindringlich nahe. Wenig glaubwürdig und bisweilen ärgerlich sind dagegen spekulative Unterstellungen, die die katholische Kirche als Institution der Unterdrückung erscheinen lassen und eine allgemeine Verschwörung suggerieren, die den amtierenden Papst mit einbezieht. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
DELIVER US FROM EVIL
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2005
Produktionsfirma
Disarming Films
Regie
Amy Berg
Buch
Amy Berg
Kamera
Jacob Kusk · Jens Schlosser
Musik
Joseph Arthur · Mick Harvey
Schnitt
Matthew Coke
Länge
99 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Heimkino

Die umfangreichen Extras bestehen u.a. aus einem informativen Booklet und einem kommentierten Feature mit 11 nicht im Film verwendeten Szenen.

Verleih DVD
Eye See Movies/AV Visionen (16:9, 1.78:1, DD5.1 engl./dt.)
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Diskussion
Was Amy Berg in ihrem preisgekrönten Dokumentarfilm zu erzählen hat, ist schier unglaublich: Es geht um den aus Irland stammenden Priester Oliver O’Grady, der in Kalifornien als Gemeindepfarrer wirkte und in den 1970er- und 1980er-Jahren Dutzende von Kindern missbrauchte, bevor er 1993 zu 14 Jahren Haft verurteilt wurde. Die Regisseurin hat den pädophilen Geistlichen, der nach sieben Jahren Gefängnis im Jahr 2000 nach Irland abgeschoben wurde, tagelang interviewt. Man sieht einen freundlichen älteren Herrn, der sich zu seiner Vorliebe für kleine Kinder bekennt, aber die Schwere seiner Schuld letztlich nie voll anerkennt. Das ganze Ausmaß des Schreckens wird dem Zuschauer erst allmählich durch immer neue Zeugenaussagen von Opfern deutlich: Jahrelang hat O’Grady Kinder – Mädchen wie Jungen – missbraucht, das jüngste Opfer war ein Baby von neun Monaten. Er hat sich in Familien eingeschlichen und in einem Fall zuerst die Mutter verführt, um sich später an ihrem Sohn zu vergehen. Vor allem die Familie Jyono steht im Mittelpunkt. Das Ehepaar – er US-Japaner, sie Irin – berichtet, wie O’Grady ein enger Freund der Familie wurde, der oft auch über Nacht blieb. Fest im Glauben verankert und von O’Gradys Ehrenhaftigkeit überzeugt, hielten sie auch nach ersten Vorwürfen zu ihm, bis sie entdeckten, dass auch ihre Tochter ein Opfer gewesen war. Welches Leid mit dieser Enthüllung über die Familie kam, wie ihr Leben und ihr Glaube zerstört wurden, wird eindringlich vermittelt. Wenn sie im Interview davon erzählen, steht ihnen der Schmerz ins Gesicht geschrieben. Die Vorwürfe der Opfer richten sich gegen die Verantwortlichen der Kirche, vor allem gegen Kardinal Mahoney, der O’Grady immer nur in eine andere Gemeinde versetzte, ihn aber nicht des Amtes enthob. Da die Kirchenvertreter eine Mitwirkung an dem Film verweigerten, sind sie nur bei Zeugenaussagen vor Gericht zu sehen. Dort machen sie eine denkbar schlechte Figur. Gestik und Mimik sind zum Teil entlarvend. Der Film hat ein starkes Thema und setzt es wirkungsvoll um. Er ist immer dann am stärksten, wenn er den Täter und die Opfer für sich sprechen lässt, wird aber problematisch und bisweilen ärgerlich, wenn er sich bemüht, in einem Rundumschlag die katholische Kirche als solche zu erledigen. Die Regisseurin will nicht nur die unvermeidliche Frage nach der Verantwortung des zuständigen Bischofs stellen, sie will das gesamte „System“ als Schuldigen entlarven. Dabei treten Theologen, Opferanwälte und eine Psychologin auf, die die katholische Kirche als eine Institution permanenter Kontrolle und Unterdrückung (ein Anwalt vergleicht sie explizit mit einer Sekte) erscheinen lassen, in der Kindesmissbrauch nie als Verbrechen betrachtet wurde. Dabei wird der amtierende Papst Benedikt XVI., zur Zeit der Vorfälle Präfekt der Glaubenskongregation, als Mitverantwortlicher für Verschleierungstaktiken mit einbezogen. Der Film suggeriert, dass es eine große Verschwörung gebe, wobei dies auf der Ebene spekulativer Unterstellungen bleibt, die nicht hinterfragt, sondern als Wahrheiten verkauft werden. Immerhin hat der deutsche DVD-Anbieter auf der Hülle vermerkt, dass sich die amerikanische Kirche wie der Vatikan öffentlich für den Kindesmissbrauch durch Priester entschuldigt haben.
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