Komödie | Großbritannien/Frankreich/Italien/Belgien/Spanien 2009 | 117 Minuten

Regie: Ken Loach

Ein von seiner Arbeit sowie seiner familiären Situation überforderter Briefträger in einem Arbeiterviertel in Manchester schöpft durch die Solidarität seiner Kollegen, vor allem aber dank des virtuellen Coachings der französischen Fußballlegende Eric Cantona neuen Lebensmut. Eine von einem spielfreudigen Darstellerensemble getragene Komödie, die sozialrealistische Beobachtungen und märchenhafte Elemente verbindet. Zwar schleicht sich in die Aufarbeitung familiärer Konflikte manches Stereotyp ein, dennoch überzeugt der Film durch seinen Humanismus und sein mit viel Humor vermitteltes Plädoyer für Solidarität. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
LOOKING FOR ERIC
Produktionsland
Großbritannien/Frankreich/Italien/Belgien/Spanien
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
Sixteen Films/Why Not Prod./BIM/Canto Bros./Les Films du Fleuve
Regie
Ken Loach
Buch
Paul Laverty
Kamera
Barry Ackroyd
Musik
George Fenton
Schnitt
Jonathan Morris
Darsteller
Steve Evets (Eric Bishop) · Eric Cantona (Eric) · Stephanie Bishop (Lily) · Gerard Kearns (Ryan) · Stefan Gumbs (Jess)
Länge
117 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Komödie
Externe Links
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Ken Loachs Komödie über einen mit dem Leben hadernden Briefträger aus Manchester, der unerwartetes Coaching von Fußball-Legende Eric Cantona bekommt.

Diskussion
„Ich bin kein Mensch...“ – genüsslich gedehnte Kunstpause; der Zuhörer hängt gebannt an den Lippen des einstigen Fußballstars – „ich bin Cantona!“ Es sind augenzwinkernde Momente wie dieser, in denen „Looking for Eric“ am stärksten ist: Wenn Eric Cantona, der mittlerweile ins Schauspielfach gewechselte, berühmt-berüchtigte Fußballer der 1980er- und 1990er-Jahre, mit prägnanten Onelinern viel Selbstironie versprüht. Cantona spielt sich hier selbst, „King Eric“: den legendären Stürmer von Manchester United, das große Idol des ebenso schmächtigen wie schüchternen Briefträgers Eric Bishop. Cantona hat all das, was seinem Namensvetter fehlt: Selbstbewusstsein, Charisma, Erfolg. Bishop hingegen hat weder sein kleines Leben zwischen Job, Haushalt und Pub, geschweige denn seine zwei pubertierenden Stiefsöhne im Griff: Ryan und Jess machen, was sie wollen (wozu auch kleinkriminelle Delikte zählen), das Reihenhaus in einem Arbeiterviertel in Manchester versinkt im Chaos, im Wohnzimmerschrank stapeln sich unausgetragene Briefe. Die Überforderung ist dem allein erziehenden Vater ins zerfurchte Gesicht geschrieben, das sich nur in Gesellschaft seiner Freunde aus der Postverteilstelle oder seiner wohlgeratenen Tochter Sam aufhellt. Diese stammt aus Erics erster Ehe. Dass er Sam und ihre Mutter Lily vor über 20 Jahren sitzen ließ, kann Eric sich bis heute weder richtig erklären noch verzeihen. Von der Tochter lässt er sich schließlich trotzdem überreden, seine große Liebe Lily wiederzutreffen. Natürlich geht die erste Begegnung schief. Als Eric seine Verzweiflung mit einem Joint zu dämpfen versucht, steht plötzlich sein Held Cantona leibhaftig vor ihm: Von nun an coacht der „große“ den „kleinen“ Eric – mental wie physisch. Er bringt ihm bei, auch mal „Nein“ zu sagen, und erinnert ihn daran, wie wichtig Freundschaft und Solidarität sind. Vor allem aber gibt er zwischen Klischee, Weisheit und Poesie changierende Lebensweisheiten zum Besten, à la „Die schönsten Erinnerungen sind die, die am schwersten zu ertragen sind“ oder „Die beste Rache ist, jemandem zu vergeben“. Dass Eric Cantona, der die Zusammenarbeit mit Ken Loach selbst anregte, hier etwas hölzern wirkt, passt zu der fantastisch-realen Figur, die er weniger spielt als vielmehr „ist“. Loachs Hausautor Paul Laverty hat dem Ex-Fußballer mit hörbarem Spaß Sprüche auf den Leib geschrieben, die an dessen medienwirksamste Zeiten erinnern: Nicht von ungefähr ist im Abspann noch einmal jene legendäre Pressekonferenz zu sehen, bei der Cantona einen tätlichen Angriff auf einen Fan erklären sollte – und die Journalisten mit dem hintergründigen Satz abspeiste: „Wenn die Möwen einem Fischerboot folgen, liegt das daran, weil sie denken, Sardinen würden in den Ozean geworfen.“ Auch im Zusammenspiel der solidarischen Postler-Truppe wird stets der richtige Ton getroffen – die Gruppe rund um den dicken Meatballs steht Eric mit Rat und Tat zur Seite, wozu auch mal gemeinsame Selbstfindungssitzungen gehören. Freilich geht in solchen Szenen wie auch in der charakteristischen englischen Aussprache des gebürtigen Franzosen Cantona durch die Synchronisation viel von der Authentizität verloren, die für die Filme des Sozialrealisten Loach von zentraler Bedeutung ist. Loach verknüpft seine überraschend leichte Geschichte mit jenen Elementen, die man aus seinen Filmen kennt: Arbeitermilieu, haltlose Heranwachsende, das Abrutschen in die Kriminalität. Nicht immer funktioniert die Verbindung von realistischer und märchenhafter Ebene: Gegenüber der humorvollen Feier des Zusammenhalts, wie sie rund um Erics schrullige Arbeitskollegen inszeniert wird, fallen die dramatischen Szenen ab, die nicht ohne Längen und Stereotypien sind und bisweilen ins allzu Sentimentale tendieren. Aufgefangen wird der Film dennoch immer wieder durch seinen Humanismus und seine gut besetzten, überwiegend unbekannten Schauspieler, vor allem aber durch den warmen Witz, mit dem Ken Loach hier einmal mehr und doch ganz anders als gewohnt das Hohelied der Arbeitersolidarität singt: Ohne Grimm und Politik, dafür mit umso mehr Metaphern aus der Fußballwelt.
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