She, A Chinese

Drama | Großbritannien/Frankreich/Deutschland 2009 | 102 Minuten

Regie: Xiaolu Guo

Eine junge Chinesin entflieht der Provinz, verliebt sich in der Großstadt in einen Gangster und gelangt nach dessen Tod nach London, wo sie eine Scheinheirat eingeht. Doch ihr Glück hat sie damit noch nicht gefunden. Ein Selbstfindungsdrama, das durch seine sprunghaft-elliptische Montage, neckische Kapitelüberschriften und einen allzu lauten Rock-Soundtrack viel an Glaubwürdigkeit und Authentizität einbüßt. Auch lädt die wenig nuancierte Darstellung der Protagonisten nicht zur Identifikation ein. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
SHE, A CHINESE
Produktionsland
Großbritannien/Frankreich/Deutschland
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
Tigerlily Films/Warp X Prod/intervista digital media/UK Film Council/Film 4
Regie
Xiaolu Guo
Buch
Xiaolu Guo
Kamera
Zillah Bowes
Musik
John Parish
Schnitt
Andrew Bird
Darsteller
Huang Lu (Mei) · Wei Yi Bo (Spikey) · Geoffrey Hutchings (Mr. Hunt) · Chris Ryman (Rashid) · Hsinyi Liu (Fremdenführer)
Länge
102 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama
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Diskussion
Mei lebt in einem kleinen Dorf im Roten Becken Chinas, unweit der Dreimillionenstadt Chong qing. In der Nähe einer Imbissbude kümmert sie sich um mehrere Billardtische, die unter freiem Himmel an einer unbefestigten Hauptstraße aufgestellt sind. Ständig streitet sie sich mit ihrer Mutter, nur widerwillig hilft sie dem Vater, der auf einer Müllhalde nach brauchbaren Gegenständen sucht. Von Beginn an wird Mei als mürrisches, unzufriedenes und gelangweiltes Mädchen charakterisiert, das mit sich und seinem Umfeld im Clinch liegt. Plötzlich geht alles sehr schnell: Kaum ist Mei von einem Lkw-Fahrer vergewaltigt worden, zeigt ein Schwenk über die Peripherie einer blaugrauen Großstadt, dass der Handlungsort nach Chong qing verlegt wurde. Kaum ist Mei dem Zug entstiegen, arbeitet sie auch schon als Näherin in einer großen Fabrik, um kurz darauf wieder entlassen zu werden. Kaum hat sie sich in einen zwielichtigen Gangster namens Spikey verliebt, bricht er, tödlich verletzt, in ihren Armen zusammen. „An easy trip to London“ verspricht ein Reklameschild, und schon ist Mei in der nächsten Szene mit Spikeys verstecktem Geld in England angelangt. Aber hier ist das Leben nicht besser als anderswo, Meis Schicksal wird weiterhin von den Männern bestimmt, die sie kennen lernt. Sie heiratet zum Schein einen pensionierten Mathematiklehrer. Nach kurzer Zeit beginnt sie, gelangweilt vom Ehealltag, eine Affäre mit dem indischen Einwanderer Rashid. Jetzt endlich könnte sich Mei ein wenig Zufriedenheit gönnen, zumal sie ein Kind erwartet. Doch der Inder will in seine Heimat zurück. „She, A Chinese“ ist der vierte Film von Xiaolu Guo (Jahrgang 1974), die an der Filmakademie von Peking studierte, sich vor allem aber einen Namen als Schriftstellerin gemacht hat. Ihre Romane, etwa „Stadt der Steine“ und „Kleines Wörterbuch für Liebende“, wurden auch ins Deutsche übersetzt. Angesichts des Filmtitels kommt einem „La chinoise“ (fd 15 437) von Jean-Luc Godard in den Sinn, und Xiaolu Guo scheint mit zahlreichen Verfremdungen in die Fußstapfen des Schweizers treten zu wollen. Kapitelüberschriften wie „Can you love a man with big glasses?“ oder „Mei feels love under The Big Ben Calendar“ kommentieren neckisch das Geschehen und unterstreichen gleichzeitig die Episodenhaftigkeit des Films. Die sprunghafte, elliptische Montage spart ganze Handlungspartikel aus und treibt das Erzähltempo voran. Unvermeidliche Folge dessen ist, dass die genauen, wie zufällig hingestreuten Beobachtungen, mit denen der Film begann, in London dick aufgetragenen Stereotypen und Klischees vom Aufeinanderprallen unterschiedlicher Kulturen weichen. So zeugt eine in den ersten Minuten gefundene, aus Europa stammende Plastikflasche ganz nebenbei davon, dass die Globalisierung auch in Meis Dorf angekommen ist. Unter den Jugendlichen fungieren iPods, Motorroller und Sonnenbrillen als Insignien des Wohlstands und der Coolness – so wie der laute, viel zu wuchtige Rock-Soundtrack von John Parish. der auf der Tonspur einen aufdringlichen Kontrast zum Realismus der Bilder etabliert. Die Disparatheit der vielen Elemente nimmt dieser Geschichte einer Selbstfindung viel von ihrer Glaubwürdigkeit, zumal die eindimensionale, auf wenige Gesten und Gesichtsausdrücke beschränkte Darstellung von Huang Lu nicht zur Identifikation einlädt. Zu sehr verweist die Inszenierung auf sich selbst, zu selbstgefällig gibt sie sich. Trotzdem wurde „She, A Chinese“ bei den Filmfestspielen von Locarno mit dem „Goldenen Leoparden“ ausgezeichnet. Ein Skandal ist die deutsche Synchronisation des Films: Sie nivelliert mit ihrem fehlerfreien Hochdeutsch alle Kulturunterschiede und trägt auch Meis Bemühungen, Englisch zu lernen, keine Rechnung.
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