Rage (2009)

- | Großbritannien/USA 2009 | 94 Minuten

Regie: Sally Potter

Ein Schüler dreht einen Dokumentarfilm über die Modebranche, bei dem er das Treiben rund um die Show eines Designers beobachtet und Beteiligte interviewt. Als ein Model auf der Bühne bei einem Unfall stirbt, hinterlässt der Todesfall tiefe Spuren in den weiteren Gesprächen. Der minimalistische Film beschränkt sich dramaturgisch auf statische Einstellungen und monochrome Farbflächen, vor denen die Protagonisten in Einzelinterviews zu Wort kommen und dabei ein schillernd-zynisches Bild der Modebranche zeichnen. Der bemerkenswerte Konzeptfilm klinkt sich in bildtheoretische Diskurse ein und nimmt durch überzeugende Darsteller für sich ein. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
RAGE
Produktionsland
Großbritannien/USA
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
Adventure/Vox3
Regie
Sally Potter
Buch
Sally Potter
Kamera
Steven Fierberg
Musik
Fred Frith · Sally Potter
Schnitt
Daniel Goddard
Darsteller
John Leguizamo (Jed) · David Oyelowo (Homer) · Dianne Wiest (Miss Roth) · Judi Dench (Mona Carvell) · Jude Law (Minx)
Länge
94 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
HMH (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
HMH (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
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Diskussion
„I meet some people the day before the show, who explain why a dress is not just a dress.“ Michelangelo nennt sich der Autor dieser mit weißer Schrift sicht- und hörbar mit der Tastatur eines PCs auf den schwarzen Bildschirm geschriebenen Worte. Vor blauem Hintergrund stellen sich sodann „some people“ vor, neun sehr unterschiedliche Personen, Beteiligte besagter „show“, eine Modeshow, wie sich spätestens beim letzten Interviewpartner herausstellt, einem extravaganten Designer. Sie erzählen vor wechselnden farbigen Hintergründen von ihrer Arbeit und von sich selbst. Aus dem Off hört man die Geräusche der Vorbereitungen auf die Show, dann das Weinen eines Mädchens, das von Lettuce Leaf, einem Modell und „face of the last year“, als Dorothy vorgestellt wird. Sie weine deshalb, weil sie zu fett für ihr Kleid sei. Am Tag der Show stellen sich vier weitere Personen vor. Im Off hört man den Beginn der Show. Dann geschieht ein Unglück: Dorothy kommt auf der Bühne bei einem Unfall ums Leben. Michelangelos Film, den er als Projekt für die Schule dreht, avanciert nun zum gewagten Dokument über die Rede vom Tod. „Faces“ ist der Titel eines Films von John Cassavetes. „Faces“ hätte Sally Potter auch diesen Film nennen können, zumal auch sie minimalistisch zu Werk geht. Dabei schafft die Reduktion bestimmter filmischer Mittel einen Mehrwert, der sich in der Konzentration auf die Charaktere manifestiert. Sally Potter setzt ins Bild, was im Kino unsichtbar bleibt, und lässt unsichtbar, wonach das Kino eigentlich giert. Deshalb geht es auch um eine Modeshow und um das Sterben – spektakuläre Ereignisse, die Bild werden wollen. Weder das eine noch das andere zeigt der Film. Es geht darum, wie Menschen – und von Schauspielern gespielte Figuren – mit dem schrecklichen Geschehen umgehen. Sie erklären sich nicht in ihrem Handeln, wie es eine klassische Filmdramaturgie beschreiben würde, sondern in dem, was sie sagen, wie sie mimisch und gestisch das Geschehen reflektieren. „Rage“ ist ein Konzeptfilm, was vor allem in der von Steve Buscemi verkörperten Rolle eines Fotografen deutlich wird, der den blauen Bildhintergrund anfangs wegen der Affinität zur Blue Box als „sophisticated“ bezeichnet, dann aber ständig davon redet, wie man etwas ins Bild setzt. Die Blue Box oder seit einigen Jahren die Green Box stehen in der Produktion für einen Minimalismus, der im fertigen Film meist in digitalen Überfluss transformiert wird. Die Anspielungen des Films liegen auf der Hand. Dazu zählt auch die filmtheoretische These, dass das Bild seinerseits selbst bereits Gewalt impliziere. Denn im Off steigt die Gewalt, als zwei Tage später, während der Fortsetzung der Show, Schüsse fallen und ein weiteres Model ums Leben kommt. So werden auch die größtenteils brillant gespielten Figuren zu Vehikeln eines bildtheoretischen Konzepts. Dieses ist jedoch hochinteressant. Denn Sally Potter gelingt es weithin, die Essenz des Filmschauspiels zum Ausdruck bringen zu lassen: sich vor der Kamera zu produzieren.
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