Komödie | Türkei 2009 | 113 Minuten

Regie: Yilmaz Erdogan

Ein notorischer Pechvogel, der in einem armen Stadtteil Istanbuls ums Überleben kämpft, nimmt einen Gelegenheitsjob als Weihnachtsmann an. Die anfänglich eher platte Komödie entwickelt sich dank geschickter Nebenhandlungen doch noch zu einem facettenreichen, am Ende sogar versöhnlichen Weihnachtsmärchen, das falsche Glücksversprechen aufs Korn nimmt und streckenweise die Qualität eines Sozialporträts aufweist. (O.m.d.U.) - Ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
NESELI HAYAT
Produktionsland
Türkei
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
BKM
Regie
Yilmaz Erdogan
Buch
Yilmaz Erdogan
Kamera
Ugur Icbak
Musik
Yildiray Gürgen · Deniz Erdogan
Schnitt
Yilmaz Erdogan · Engin Öztürk
Darsteller
Yilmaz Erdogan · Büsra Pekin · Ersin Korkut · Oguzhan Koç · Murat Eken
Länge
113 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
Komödie
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Diskussion
Riza Senyurt ist ein Pechvogel aus einem der ärmeren Stadtviertel Istanbuls, die im Schatten der gesellschaftlichen Modernisierung vor sich hin dümpeln. Im Kiez hält man sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser, beim Fleischer wird angeschrieben, und wenn es gar nicht mehr anders geht, findet sich vielleicht ein etwas reicherer Verwandter, der ein wenig Geld übrig hat. Diesmal jedoch kommt alles zusammen: Riza hat gerade seine Arbeit als Maskottchen beim örtlichen Fußballverein verloren, im Liebesleben läuft es auch nicht so richtig, und dann sucht auch noch der nichtsnutzige Schwager Lokman bei ihm Unterschlupf, nachdem ihn seine Familie zu Hause rausgeschmissen hat. Da bleibt nur noch eins: einen Job als Weihnachtsmann annehmen. Schauspieler Yilmaz Erdogan, der seine Karriere als Regisseur 2003 mit dem humorvollen Dorfporträt „Vizontele“ (fd 35 087) begann und dessen „Krumme Dinger am Bosporus “ (fd 37 430) zu den großen Kinoerfolgen in der Türkei gehörte, bleibt auch in „Neseli Hayat“ den kleinen Leuten treu. Dabei kommt seine aktuelle Regiearbeit zunächst als plumpe Ein-Witz-Komödie daher. Denn Türken und Weihnachtsmänner – das passt nicht unbedingt zusammen. So beobachtet man Riza dabei, wie er im Santa-Claus-Kostüm in einer postmodernen Shopping Mall das väterliche „Ho, Ho, Ho“ des Weihnachtsmannes so herauszubringen versucht, das es auch nach Weihnachten klingt. Um seinen Plot nicht in der Sackgasse des müden Running Gags enden zu lassen, entwickelt Erdogan geschickt angelegte Nebenhandlungen. Die Geschichte des Schwagers Lokman etwa, der ein Techtelmechtel mit der Tochter aus einer skrupellosen Kleinkriminellenfamilie angefangen hat und vor der Wahl steht, eine opulente Hochzeitsfeier auszurichten oder von seinen rigorosen Schwagern in spe erschossen zu werden. Ein anderer Strang sind die Rückblenden in Rizas vorangegangenen Versuche, etwas aus seinem Leben zu machen: Die Eröffnung eines eigenen Restaurants, bezahlt mit dem Goldschmuck seiner Frau. Und die Geschichte, wie er auf das Network-Marketing-Unternehmen „Fröhliches Leben“ („Neseli Hayat“) reingefallen ist, die zum Verkauf ihrer Kosmetikprodukte ein Schneeballsystem aufbauen, bei dem der einzelne als Unternehmer fungiert und im Bekanntenkreis möglichst viele Subunternehmer gewinnen muss. Riza scheiterte in beiden Fällen: das Restaurant blieb ohne Gäste, und in den Handcremes von „Neseli Hayat“ wurden just zu dem Zeitpunkt krebserregende Substanzen entdeckt, als er seinen Freunden die ganze Produktpalette der Firma zum Weiterverkauf angedreht hatte. Mit seinen Charakterskizzen bewegt sich Erdogan zwischen Klischees, findet aber mit warmherzigen Zwischentönen und unvorhersehbaren Wendungen immer wieder zu einem mitfühlenden Porträt seiner ums Überleben kämpfenden Protagonisten zurück. Wie er Rizas Stehauf-Mentalität am Abgrund zur Armut beschreibt, hat fast etwas von Ken Loach und verweist auf den Druck, der im Kessel der türkischen Gesellschaft herrscht. Doch eine Weihnachtsgeschichte wäre keine Weihnachtsgeschichte, wenn sie kein versöhnliches Ende fände: Schlussendlich findet Lokmans Hochzeitsfeier tatsächlich statt, und entdeckt Riza den richtigen Dreh, um in seinem Weihnachtsmannkostüm zu Geld zu kommen. Erdogans Film gewinnt in der zweiten Hälfte durchaus an Fahrt und entwickelt sich zum augenzwinkernden Weihnachtsmärchen mit Sozialporträt-Charakter.
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