Männer, die auf Ziegen starren

Komödie | USA/Großbritannien 2009 | 93 Minuten

Regie: Grant Heslov

Ein Journalist möchte als Kriegsberichterstatter ins vom Irak-Krieg gezeichnete Kuwait und bricht mit einem Veteranen einer geheimen, mit paranormalen Kräften arbeitenden US-Army-Einheit zu einer dubiosen Odyssee durch die Wüste auf. Antikriegsfarce im Geist von Robert Altmans "M.A.S.H.", die den anti-imperialistischen und pazifistischen Geist der Hippie-Bewegung ebenso nostalgisch wie aberwitzig heraufbeschwört. Die präzise Inszenierung und die glänzenden Darsteller sorgen dafür, dass bei allen Absurditäten der humanistische Impetus sichtbar wird, der die wahren Narren in einem skrupellosen Machtapparat verortet. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
THE MEN WHO STARE AT GOATS
Produktionsland
USA/Großbritannien
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
Smoke House/Westgate Film Services/Winchester Capital Partners/BBC Films
Regie
Grant Heslov
Buch
Peter Straughan
Kamera
Robert Elswit
Musik
Rolfe Kent
Schnitt
Tatiana S. Riegel
Darsteller
George Clooney (Lyn Casady) · Ewan McGregor (Bob Wilton) · Jeff Bridges (Bill Django) · Kevin Spacey (Larry Hooper) · Stephen Lang (Brigadegeneral Dean Hopgood)
Länge
93 Minuten
Kinostart
04.03.2010
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Komödie
Externe Links
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Diskussion
Seit Robert Altmans „M.A.S.H.“ (fd 16 830) dürfte niemand mehr so gründlich die Truppenmoral der US-Army aufgemischt haben wie Grant Heslovs „Männer, die auf Ziegen starren“. Altmans Anti-Kriegssatire stammt aus dem Jahr 1969; Heslov feiert nun, gut 40 Jahre und einige Kriege später, schräg, ausgelassen, aber auch ein klein bisschen wehmütig das Andenken an das Love-and-Peace-Zeitalter und an die Utopie eines besseren, friedfertigeren Amerika. Dabei verschränkt er verschiedene Zeitebenen: In der Erzählgegenwart im Jahr 2003 macht sich der unbedarfte Journalist Bob Wilton nach Kuwait auf, um als Kriegsberichterstatter den Respekt vor sich selbst, aber vor allem den seiner Ex zurückzugewinnen, die ihn wegen seines Vorgesetzten verlassen hat. Dabei trifft er durch Zufall auf den mysteriösen Lyn Cassady. Der Name ist dem Journalisten nicht unbekannt, fiel er doch einst in einem denkwürdigen Interview, das Bob mit einem ehemaligen Mitglied einer geheimen Militäreinheit führte: Cassady soll, wie Bobs damaliger Gesprächspartner, dazu ausgebildet worden sein, im Dienst der Armee paranormale Fähigkeiten einzusetzen. Cassady bestätigt die unglaubliche Geschichte und gibt sich als ausrangierter Söldner der „New Earth Army“ zu erkennen, einer Truppe von „Jedi-Rittern“, die über Gaben wie Telepathie, Teleportation und Unsichtbarmachen verfügen oder auch durch Blicke töten können. Letzteres allerdings, so lehren die Rückblicke, die die Geschichte der New Earth Army lebendig werden lassen, ist nicht im Sinn von deren Erfinder Bill Django. Mit ihm hatte sich die US-Armee, die in Sachen paranormale Kriegsführung nicht hinter den Sowjets zurückstecken wollte und deswegen die dubiose Spezialeinheit finanzierte, eine veritable Laus in den Pelz gesetzt, denn der Vietnamveteran mutierte zum überzeugten Hippie und wollte die angeblichen Kräfte seiner Männer ausschließlich in den Dienst des Friedens stellen. Der intrigante New Earth Army-Neuzuwachs Larry Hooper sorgte aber schließlich dafür, dass die Träume von einer besseren Armee und einer besseren Welt ein trauriges Ende fanden – oder doch nicht ganz? Denn Bob, der zusammen mit dem gealterten Lyn zu einer abenteuerlichen Reise durch die Wüste aufbricht, merkt bald, dass sein Begleiter mit der New Earth Army noch nicht abgeschlossen hat, sondern sich auf einer rästelhaften Mission befindet. Die meisterliche Kameraarbeit von Robert Elswit verzichtet auf jeden psychedelischen Firlefanz und fängt das aberwitzige Abenteuer in ruhigen, wohlkadrierten Bildern ein, die das perfekte Timing von Heslovs Inszenierung und die komödiantische Darstellungskunst seines großartigen Starensembles zum Strahlen bringen. Diese klare Bildsprache trägt dazu bei, dass das Ganze nicht zum schrillen LSD-Trip gerät, sondern dass in den durchgeknallten Hippie-Jedi-Spinnereien von Django, Cassady und schließlich auch Wilton jener anrührende Kern wahrer Menschlichkeit durchschimmert, der auch den Ritterträumen ihres literarischen Ahnherrn Don Quijote innewohnt. Die wirklichen Narren sind eben nicht die versprengten Utopisten der New Earth Army, sondern jene, die in einem Machtapparat sitzen, dem buchstäblich jedes noch so absurde Mittel recht ist, um den eigenen Einfluss auszuweiten. An Cervantes’ Klassiker erinnert auch die Buddy-Konstellation zwischen George Clooney und Ewan McGregor, deren Kabbeleien ebenso pointiert sind wie der Off-Kommentar, mit dem McGregors Figur das Geschehen reflektiert. Wilton hat wie Sancho Pansa als bodenständiger Zivilist eigentlich eine gesunde kritische Distanz zu den Erzählungen seines Begleiters, lässt sich aber dann doch von dessen unbeirrbarem Glauben mitreißen. Clooney unterspült in der Darstellung dieses modernen „Ritters von der traurigen Gestalt“ feinfühlig den Rollentypus des sich seiner selbst allzu sicheren Trottels mit einer Melancholie, die seiner Figur vor allem gegen Ende eine gewisse Tragik verleiht. Die lose auf einer Besteller-Vorlage von Jon Ronsons beruhenden Absurditäten um eine paranormale US-Kampfeinheit sollen einen wahren Kern haben. Dem mag so sein oder nicht; der Film jedenfalls legt es weder in der Zeichnung seiner Schauplätze noch seiner Figuren und Konflikte auf Realismus-Effekte an (wie sie etwa die ansonsten ähnlich gelagerte, ebenfalls mit George Clooney besetzte Anti-Kriegsfarce „Three Kings“, fd 34 098, gebrauchte), sondern überzeugt jenseits konkreter Fakten als Parabel auf die Absurditäten postkolonialer „Krieg gegen den Terror“-Szenarien sowie als schreiend komischer, filmischer Schelmenroman, dessen Aktualität und Überzeugungskraft sich seiner mit Biss und Witz vermittelten politischen Haltung verdankt.
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