Die Brücke von San Luis Rey

Literaturverfilmung | Großbritannien/Spanien/Frankreich 2004 | 115 Minuten

Regie: Mary McGuckian

Ein Mönch, der im 18. Jahrhundert im tödlichen Unfall von fünf Menschen auf einer Hängebrücke Gottes Plan erkennen will, forscht den Lebenswegen der Verunglückten nach, wird deswegen aber wegen Ketzerei angeklagt. Die Verfilmung eines Romans von Thornton Wilder. Während die Rahmenhandlung um diesen Prozess und damit der philosophische Überbau nur grob skizziert wird, überzeugen die Rückblenden, die unterschiedliche Schicksale im Ringen um Liebe und Glück dank vorzüglicher Darsteller sensibel porträtieren. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
THE BRIDGE OF SAN LUIS REY | EL PUENTE DE SAN LUIS REY | LE PONT DU ROI SAINT-LOUIS
Produktionsland
Großbritannien/Spanien/Frankreich
Produktionsjahr
2004
Produktionsfirma
Tribeca/Metropolitain/Davis-Films/Bridge/Kanzaman/Spice Factory/Pembridge
Regie
Mary McGuckian
Buch
Mary McGuckian
Kamera
Javier Aguirresarobe
Musik
Lalo Schifrin
Schnitt
Kant Pan
Darsteller
Gabriel Byrne (Bruder Juniper) · F. Murray Abraham (Vizekönig von Peru) · Kathy Bates (Marchese) · Geraldine Chaplin (Äbtin) · Robert De Niro (Erzbischof von Peru)
Länge
115 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Literaturverfilmung
Externe Links
IMDb | TMDB

Heimkino

Verleih DVD
NewKSM (16:9, 1.85:1, DD5.1 engl./dt.)
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Diskussion
Sie hängt schon seit Menschengedenken über einer Schlucht in Peru: die Brücke von San Luis Rey. Doch eines Tages im Jahr 1714 reißt sie; fünf Menschen stürzen in den Abgrund und finden den Tod. Wäre das Unglück nur wenige Minuten früher oder später geschehen, hätten die Opfer überlebt; statt ihrer hätte es andere erwischt. Warum also riss die Hängebrücke just in diesem Moment und tötete genau jene fünf Leute? Die Antwort darauf will der Franziskanermönch Juniper ergründen. Er sieht in der Katastrophe eine Art Laborsituation, anhand derer sich das Wirken der göttlichen Vorsehung belegen lassen müsste. Um also dem höheren Sinn hinter dem Unglück auf die Spur zu kommen, forscht er detektivisch nach, wer genau die Leute waren, deren Lebensfaden so tragisch abgeschnitten wurde. Das Buch, das er über die Ergebnisse seiner Recherche schreibt, handelt ihm allerdings einen Prozess wegen Ketzerei ein; der Bischof, der die Anklage vertritt, findet es geradezu teuflisch, wie hier versucht wird, aus der Theologie eine exakte Wissenschaft zu machen und das mit den Mitteln des Verstandes zu untersuchen, was es gläubig und demütig hinzunehmen gilt. Der Prozess gegen den Mönch, der Augenzeuge der Katastrophe war und den empirischen Beweis für die sinnstiftende Gegenwart Gottes liefern will, bildet den Rahmen für die Adaption von Thornton Wilders gleichnamiger Erzählung, für die der amerikanische Schriftsteller 1928 den Pulitzerpreis erhielt. Innerhalb dieses Gerüsts wird die Geschichte der fünf Toten und der mit ihnen verbundenen Charaktere aufgerollt: z.B. die einer reichen Adligen, die sich nach der Liebe ihrer im fernen Spanien lebenden Tochter verzehrt, einer schönen Schauspielerin, die dank der Förderung ihres alten Mentors zum gefeierten Bühnenstar und zur Mätresse des Vizekönigs wird, bevor eine Krankheit ihr Glück zerstört, auch einer junge Nonne, die von ihrer Abtissin in die „Welt“ geschickt wird, um der alten Adligen Gesellschaft zu leisten, und schließlich geht es noch um verwaiste Zwillingsbrüder, die ganz in der innigen Beziehung zueinander aufgehen und sonst kaum mit anderen kommunizieren. Dass es dabei auch um eine Huldigung an die klassische spanische Literatur, etwa an Càlderon geht, findet sein Echo im „teatro mundi“-Prinzip, dem die Darstellung der lose ineinander verzahnten Schicksale folgt. Hier wird ein breites, mit starken Kontrasten arbeitendes Panorama eröffnet: Es gibt den reichen Herrscher und die armen Waisen, die Keuschheit der Nonnen trifft auf die Leidenschaft der Theaterleute, Ruhm auf Schande, Frömmigkeit auf Lebensgier, Alter auf Jugend. Im Mittelpunkt stehen verschiedene Spielarten der Liebe und der Einsamkeit als ihre Schattenseite, wenn die Liebe nicht erwidert oder ein geliebter Mensch einem entrissen wird. Die bereits 2004 entstandene Verfilmung von Mary McGuckian, die auch die Drehbuchadaption des Wilder-Texts selbst geschrieben hat, entfaltet sich als üppig ausgestatteter historischer Bilderbogen. Leider werden darin ausgerechnet die Charaktere in der Rahmenhandlung, vor allem Gabriel Byrne als Juniper, allzu knapp skizziert, sodass mit ihnen der philosophische Überbau der Geschichte relativ vage bleibt. Die lose miteinander verflochtenen Charaktere innerhalb der Rückblenden überzeugend hingegen weitgehend. Kathy Bates, Geraldine Chaplin, Harvey Keitel und F. Murray Abraham verstehen es, innerhalb des großen Ensembles ihren Figuren präzise Konturen zu verleihen – vor allem Bates beeindruckt damit, wie sie die Rolle einer lächerlichen alten Frau gänzlich unlächerlich, sondern höchst ergreifend und tragisch interpretiert. Dass die Theodizee-Frage, an der Juniper sich abarbeitet, komplett in den Hintergrund tritt gegenüber der Anteilnahme am Ringen der Figuren mit ihren Unzulänglichkeiten und den Widrigkeiten ihrer Lebensumstände auf der Suche nach Liebe und Glück, ist durchaus im Sinne von Wilders Text.
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