Brothers (2009)

Drama | USA 2009 | 104 Minuten

Regie: Jim Sheridan

Remake des dänischen Films "Brothers - Zwischen Brüdern" (2004): Ein US-amerikanischer Captain gerät bei einem Einsatz in Afghanistan in die Gefangenschaft der Mudschaheddin, während daheim seine Familie glaubt, er sei tot. Nach seiner Rückkehr ist nichts mehr wie zuvor. Der von hervorragenden Schauspielern getragene, ohne jede Sentimentalisierung auskommende Film reflektiert den tiefgreifenden Einfluss von Krieg und individueller Schuld. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
BROTHERS
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
Lionsgate/Relativity Media/Michael De Luca Prod./Palomar Pic.
Regie
Jim Sheridan
Buch
David Benioff
Kamera
Frederick Elmes
Musik
Thomas Newman
Schnitt
Jay Cassidy
Darsteller
Jake Gyllenhaal (Tommy Cahill) · Natalie Portman (Grace Cahill) · Tobey Maguire (Capt. Sam Cahill) · Clifton Collins jr. (Major Cavazos) · Bailee Madison (Isabelle Cahill)
Länge
104 Minuten
Kinostart
27.01.2011
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Koch (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
Koch (16:9, 2.35:1, dts-HDMA engl./dt.)
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Diskussion
Während Hollywood lange Zeit davor zurückschreckte, Irak und Afghanistan in seinen Filmen überhaupt zu erwähnen, geschweige denn zu thematisieren, mehren sich in jüngster Zeit die filmischen Auseinandersetzungen nicht nur mit dem Kampfgeschehen, sondern auch mit den psychischen Konsequenzen des modernen Krieges. Kathryn Bigelows „Tödliches Kommando“ (fd 39 425), Oren Movermans „The Messenger“ (2009) und Jim Sheridans „Brothers“ haben sich als die bemerkenswertesten Filme zu diesem Thema profiliert. Heldentum angesichts einer menschenvernichtenden Kriegsmaschinerie, die „Trauerarbeit“ in der Heimat und die seelischen Schockwirkungen auf Soldaten und deren Familien sind die Sachverhalte, denen sich die Filme widmen. Ihr Stil ist so verschieden wie das Temperament ihrer Regisseure, aber die Insistenz, mit der sie jede Verharmlosung oder Beschönigung der Kriege und ihrer Konsequenzen von sich weisen, ist ihnen allen gemein. Weit entfernt sind sie von jenen affirmativen Heldenspektakeln, mit denen Hollywood einst die Daheimgebliebenen über die bitteren Folgen eines von höherer Stelle plakatierten Heroismus hinwegzutäuschen versuchte. Die neuen Filme sind mindestens ebenso realistisch wie frühere Kriegsfilme, aber sie orientieren sich mehr als die meisten ihrer Vorgänger an den körperlichen und vor allem den seelischen Verletzungen des Einzelnen. Wie schon der Titel sagt, ist „Brothers“ ein Film über zwei Brüder, zwei ungleiche Brüder, deren Beziehung und persönliches Schicksal vom Krieg in eine unerwartete Richtung getrieben wird. Aber „Brothers“ ist auch ein Film über eine Ehe und eine Familie, die beinahe zerstört werden. Vor allem aber ist es ein Film über Schuld und deren immense destruktive Kraft. Tobey Maguire spielt Captain Sam Cahill und Jake Gyllenhaal dessen Bruder Tommy. Während Sam stets der Stolz des Vaters war, eine glückliche Ehe führt und zwei bezaubernde kleine Töchter hat, ist Tommy das schwarze Schaf in der Familie. Zu Beginn des Films wird Tommy gerade rechtzeitig aus dem Gefängnis entlassen, um dabei zu sein, als Sam in den Krieg zieht. Der Zuschauer bleibt keinen Augenblick über Sams Schicksal im Unklaren: Gleich auf dem Weg zu seinem ersten Einsatz in Afghanistan wird sein Hubschrauber von den Mudschaheddin abgeschossen. Zurück bleibt daheim eine verzweifelte junge Frau, die an dem bisher wenig geschätzten Schwager ein bisschen Halt zu finden versucht. Doch Sam, erfährt sehr bald der Zuschauer, aber nicht die Familie des vermeintlich ums Leben Gekommenen, ist bei dem Absturz nicht getötet worden, sondern wurde von den Rebellen gefangen genommen und zusammen mit einem anderen Soldaten eingekerkert. Als er schließlich befreit wird und nach Hause kommt, ist Sam nicht mehr derselbe, als der er gegangen ist. Der Feind hat ihn zu einer unsäglichen Tat gezwungen, über die er nicht einmal mit seiner Frau sprechen kann. Die Schuld, die ihn fast verrückt macht, die ihn sich selbst und alles, was ihm früher lieb und teuer war, verachten lässt, hat sein Inneres von Grund auf verändert. „Brothers“ ist das Remake des dänischen Films „Brothers – Zwischen Brüdern“ (fd 36 986), der auf den ersten Blick dieselbe Story erzählt. Die Neuverfilmung folgt dem Drehbuch des 2004 entstandenen Vorgängers Szene für Szene. Oft sind sogar die Dialoge wortgetreu übernommen. Dennoch könnten die beiden Filme kaum unterschiedlicher sein. Susanne Bier, die Regisseurin der dänischen Vorlage, entwirft ein intimes Seelenporträt, dessen hypnotische Intensität des Anlass gebenden Kriegsgeschehens kaum mehr bedarf, nachdem es als Auslöser der Konflikte seinen Dienst getan hat. Mit Handkamera und vielen extremen Großaufnahmen dringt sie in die Psyche ihrer Personen vor und zeichnet ein Drama, dessen innere Spannkraft weit über die konkrete Story hinausweist. Dass Biers Film trotz seiner Realistik über eine poetische Dimension verfügt, die das Ganze wie eine tief bewegende Parabel erscheinen lässt, hebt den Film auf eine Ebene, die von der amerikanischen Neuverfilmung nirgends erreicht wird. Dennoch hat das Remake seine Meriten. Jim Sheridan, bekannt von seinen Filmen „Mein linker Fuß“ (fd 28 104) und „Im Namen des Vaters“ (fd 30 701), betont sehr klug für eine Wiederverfilmung, die nicht in pure Imitation ausarten will, den amerikanischen Aspekt der Story. Nicht nur im ersten Drittel, sondern über den ganzen Film hinweg bleibt der Hintergrund des Militärs und des Krieges beständig gegenwärtig. Stärker als in der Vorlage wird alles, was sich ereignet, auf die Folgen jener wenigen verhängnisvollen Tage in Afghanistan zurückbezogen. Dadurch erhält der Film – bei aller Ähnlichkeit des Handlungsablaufs – eine veränderte, aktualisierte Qualität und reflektiert ein allmählich in der amerikanischen Bevölkerung gewachsenes Bewusstsein für die destruktiven Nachwirkungen des Krieges in der nur scheinbar heil gebliebenen Heimat. Seine Erzählweise ist ganz verschieden von der des dänischen Films, konventioneller, wenn man so will, vermeidet aber ebenfalls jede nahe liegende Sentimentalisierung des im Wesentlichen auf drei Personen beschränkten Seelendramas. Manche Szenen sind gegenüber dem Original abgeschwächt. So ist zum Beispiel das auslösende Ereignis in Afghanistan in Biers Film sorgfältiger begründet und die sexuelle Anziehungskraft zwischen Sams Frau und Bruder glaubwürdiger ausgespielt. Andererseits entwickelt der neue Film stärkere dramatische Kraft und verhilft dem Geschehen zu einer Klimax, die nicht zuletzt aufgrund der darstellerischen Leistungen den Zuschauer deutlicher zum Zeugen einer seelischen Misshandlung macht, die in der Rückprojektion auf ihren Ursprung einer nicht zu überhörenden Desavouierung jeglichen Krieges gleichkommt. Wer sich einen Gefallen tun will, sollte sich beide Versionen ansehen. Selten lohnt sich der Vergleich zweier Verfilmungen derselben Story so sehr wie hier.
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