Mein Vater. Mein Onkel

Dokumentarfilm | Deutschland 2009 | 80 Minuten

Regie: Christoph Heller

Ein junger Mann mit irakischen Wurzeln, der bei einer Pflegemutter in Deutschland aufwuchs, besucht zum ersten Mal seine leibliche Familie in Dubai. Der Dokumentarfilm begleitet ihn dabei hautnah, wobei er dramaturgisch geschickt heitere und dramatische Momente variiert. Immer wieder fängt die ruhig beobachtende Kamera auch kontrastierende Momente ein und lässt damit die unüberbrückbaren Differenzen trotz aller Familienbande bestehen. - Ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb)/Bonsai Film
Regie
Christoph Heller
Buch
Christoph Heller
Kamera
Manuel Kinzer
Musik
Christof Vonderau
Schnitt
Sophia Kambaki
Länge
80 Minuten
Kinostart
13.05.2010
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Diskussion
Sinan Al-Kurikchi, 1979 im Irak geboren, aber in Hessen aufgewachsen, lebt heute als Schauspieler in Berlin. Ein normaler Deutscher mit ausländischen Wurzeln. Könnte man meinen. Doch so einfach liegen die Dinge bei dem 30-Jährigen nicht. Denn seine leiblichen Eltern hat Sinan nie gesehen. Als seine Mutter ihn als viertes Kind auf die Welt brachte, fühlte sich die berufstätige Frau mit dem neuerlichen Nachwuchs überfordert und überließ das Baby ihrem Bruder, der mit seiner deutschen Frau Bruni keine gemeinsamen Kinder haben konnte. Doch nach drei Jahren ging deren Ehe in die Brüche. Bruni wollte zurück nach Deutschland, aber nicht ohne ihren Pflegesohn. Unter einem Vorwand setzte sie sich mit ihm aus dem Irak ab, ohne jemand davon zu unterrichten, dass sie niemals zurückkommen würde. Sinans Eltern gaben die Suche nach ihrem verlorenen Sohn jedoch nie auf und machten ihn 2007 in Berlin ausfindig. Doch auf ihre Briefe hat Sinan nie geantwortet. Erst zwei Jahre später entschließt er sich, seine leiblichen Eltern und seine Geschwister, die heute zusammen in Dubai leben, zu besuchen. Der Dokumentarfilmer Christoph Heller, mit Sinan seit Jahren befreundet, begleitete ihn bei seiner Reise ins Ungewisse. Ein durchaus bemerkenswertes Unterfangen, auch wenn die Motive des Protagonisten, sich bei seiner lange hinausgezögerten ersten und emotional nicht einfachen Begegnung mit seinen arabischen Wurzeln von einem Kamerateam begleiten zu lassen, gänzlich im Dunkeln bleiben. Lediglich sein Vater äußert später einmal, dass er anfangs gefürchtet habe, Sinan wäre womöglich nur wegen des Filmprojekts nach Dubai gekommen. Ungeachtet dieser nicht geklärten Ausgangsfragen gelingt dem Film jedoch das ebenso warmherzige wie komplexe Protokoll einer schwierigen Familienzusammenführung, die nicht zuletzt durch das Aufeinanderprallen zweier gänzlich unterschiedlicher Kulturen geprägt ist; denn natürlich spricht Sinan weder Arabisch noch fühlt er sich dem Islam oder sonst einer Religion verbunden. Die beobachtende Kamera bleibt während des gesamten Films nahe bei ihrem Protagonisten und zeigt seine Beklemmung ob der herzlichen Begrüßungen und der nicht enden wollenden Umarmungen. So wie Sinan zwischendurch immer wieder allein über seine Gemütslage in die Kamera spricht, kommen auch sein Vater, seine Mutter und seine zwei Brüder einzeln zu Wort. Dabei wechselt der Film souverän zwischen bewegten (Stadtbummel, Picknick) und bewegenden (Gespräche am Küchentisch über die Vergangenheit) Szenen. Ebenso variieren die Erzählungen zwischen heiteren und dramatischen Momenten. Wenn einer seiner Brüder sagt, Hauptsache, Sinan sei weder schwul noch Alkoholiker und über alles andere könne man ja reden, schwingt allerdings mehr Ernst mit, als man als europäischer Zuschauer zunächst meinen möchte. So nährt der unkommentierte Film keineswegs die Illusion eines problemlosen Multi-Kulti-Lebens, sondern lässt die unüberbrückbaren Differenzen trotz aller Familienbande bestehen. Dabei kommt die Kamera von Manuel Kinzer nahezu gänzlich ohne Bewegungen aus und bildet so einen reizvollen Kontrast zu den vielfach sehr emotionalen Szenen.
Kommentar verfassen

Kommentieren