Gordos - Die Gewichtigen

Komödie | Spanien 2009 | 115 Minuten

Regie: Daniel Sánchez Arévalo

In einer Therapiegruppe kommen Menschen zusammen, um über ihre Gewichtsprobleme zu sprechen, hinter denen sich sehr unterschiedliche Lebensprobleme verbergen. Der überzeugende Ensemblefilm verschachtelt erzählerisch und optisch fantasievoll die verschiedenen Schicksale seiner Protagonisten, sodass sie sich gegenseitig Schwung verleihen. Die Tragikomödie problematisiert dabei weniger das Dicksein als vielmehr die Schwierigkeit, sich selbst und andere zu akzeptieren. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
GORDOS
Produktionsland
Spanien
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
Filmanova/Tesela Prod. Cinematográficas
Regie
Daniel Sánchez Arévalo
Buch
Daniel Sánchez Arévalo
Kamera
Juan Carlos Gómez
Musik
Pascal Gaigne
Schnitt
David Pinillos · Nacho Ruiz Capillas
Darsteller
Antonio de la Torre (Enrique) · Roberto Enríquez (Abel) · Verónica Sánchez (Paula) · Raúl Arévalo (Alex) · Leticia Herrero (Sofía)
Länge
115 Minuten
Kinostart
01.07.2010
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Komödie
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Diskussion
Die Nacht ist über die spanische Hauptstadt Madrid hereingebrochen. Enrique, ein dicker Mann, trabt in der Dunkelheit joggend durch den Stadtpark. Er schwitzt und quält sich, fast zieht ihn der schwere Bauch auf den Boden. Noch vor einigen Monaten war er das Modell für erfolgreiches Abnehmen. Als „Mister Kilo Away“ präsentierte er in suggestiven Fernsehverkaufsshows Schlankheitspillen. Doch dann wurde er dicker und dicker und verlor nahezu alles. Seine eigenen Minderwertigkeitsgefühle und die Gier wurden ihm zum Verhängnis. „Gordos“, der zweite Film von Daniel Sánchez Arévalo („dunkelblaufastschwarz“, fd 38 207), erzählt von Menschen, die aus unterschiedlichsten Gründen ein Problem mit ihrem Gewicht haben. In der Therapiegruppe des adretten Abel finden neben Enrique, der das Forum gerne zur Selbstdarstellung benutzt und seine eigenen Widersprüche eloquent verteidigt, noch andere Leidtragende zusammen. Die fromme Sofía hätte gerne Sex mit ihrem Verlobten Alex, was in ihrer streng katholischen Gemeinde vor der Ehe aber nicht möglich ist. Die Verkäuferin Leonor hat 20 Kilo zugenommen, während ihr Freund im Ausland war, weshalb sie ihm nicht mehr unter die Augen zu treten traut; bis sie merkt, dass sie der scheinbar so perfekten Beziehung und dem Kummerspeck am besten durch schnellen Sex mit wechselnden Partnern entgehen kann. Außerdem gibt es einen übergewichtigen Ehemann, der im Gegensatz zu seiner übergewichtigen Ehefrau und seiner übergewichtigen Tochter plötzlich abnehmen will. Bis er entdeckt, dass seine Tochter nicht von ihm abstammt. Sánchez Arévalo ist ein virtuoser Meister des Drehbuchs, der unerwarteten dramaturgischen Wendungen, die auch visuell umgesetzt werden, etwa wenn Abels Seitensprung mit Leonor in einer Parallelmontage der Geburt seiner Tochter im Kreißsaal gegenüber gestellt wird oder sich Sofia und Alex unter einem geheimnisvoll leuchtenden Kruzifix im vorehelichen Schlafzimmer vollends zerstreiten. Dabei steht der visuelle Effekt nicht um seiner selbst willen im Vordergrund. Wie viele andere junge spanische Filmemacher beherrscht Arévalo ein solides, spielerisches Erzählhandwerk; selbstironisch zählt er sich zur „unscheinbaren Generation“, die Billy Wilder und den kürzlich verstorbenen Altmeister des spanischen Drehbuchs Rafael Azcona bewundert. Arévalos besondere Fähigkeit liegt in der eleganten Verschachtelung der Erzählebenen und unterschiedlicher Geschichten, die sich gegenseitig in Schwung halten. „Gordos“ ist ein Ensemblefilm, die Geschichte einer Gruppentherapie rund um das große Thema Essstörungen. Keine Komödie über Dicke oder Gewichtsprobleme, sondern über die Schwierigkeiten, zu sich selbst zu stehen. Es ist auch ein Film über Täuschungen und Selbsttäuschungen und die Gier, geliebt zu werden. Selbst der gertenschlanke Therapeut gerät in Not, als er angesichts des schwangeren Bauchs seiner bildhübschen Frau Paula seine Abneigung gegen Übergewichtige nicht mehr unterdrücken kann. Es geht um die Suche nach dem Glück jenseits von Törtchen, also um weitaus mehr als Übergewicht. Der Film handelt von Exzessen und Mangelerscheinungen, von Phobien und Obsessionen, Ängsten und Schuldgefühlen, Begierden und Illusionen; es geht um Sex, Gesundheit und Familiengefühle, ums Leben und Leben lassen, um soziale Anerkennung und am Ende auch um die Erkenntnis, dass es auch dann anschließend weitergeht, wenn das Schlimmste, das man je befürchtet hat, tatsächlich eingetreten ist.
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