The Doors - When You're Strange

Musikfilm | USA 2010 | 90 Minuten

Regie: Tom DiCillo

Dokumentarfilm über die Rockband "The Doors" von ihrem Aufstieg 1965 bis zum frühen Tod ihres Leadsängers Jim Morrison im Jahr 1971. Die Entwicklung und Bedeutung der Band werden anhand von Archivmaterial, einem Experimentalfilm von Jim Morrison sowie Off-Informationen zu zeitgeschichtlichen Hintergründen nachgezeichnet. Obwohl der Film thematisch keine neuen Erkenntnisse bietet und vor allem auch keine neuen Interpretationen wagt, überzeugt er als stimmungsreiche, durchaus einfühlsame Annäherung an die menschliche wie musikalische Dynamik der Band. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
WHEN YOU'RE STRANGE
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
Wolf Films/Strange Pictures
Regie
Tom DiCillo
Buch
Tom DiCillo
Kamera
Paul Ferrara
Schnitt
Micky Blythe · Kevin Krasny
Länge
90 Minuten
Kinostart
01.07.2010
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Musikfilm | Dokumentarfilm
Externe Links
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Heimkino

Die Extras enthalten u.a. ein Feature mit im Film nicht verwendeten Szenen.

Verleih DVD
Kinowelt (16:9, 1.78:1, DD5.1 engl./dt., PCM2.0 dt.)
Verleih Blu-ray
Kinowelt (16:9, 1.78:1, dts-HDMA engl./dt., PCM2.0 dt.)
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Diskussion
Diejenigen, die in den 1970er-Jahren (pop-)sozialisiert wurden, werden sich erinnern: Jim Morrison, der Sänger der amerikanischen Rock-Band The Doors, galt (neben Patti Smith) als Stellvertreter Arthur Rimbauds auf Erden: ein Rock’n’Roll-Poet von eigenen Gnaden, der das Prinzip des „Live fast, die young“ gewissermaßen in seiner literarisch wertvollen Variante praktizierte. Obwohl Jim Morrison bereits im Juli 1971 starb und The Doors damit ihren Zenit überschritten hatten, gehörten der Besuch seines Grabs in Paris, die Lektüre seiner Lyrik und der Biografie „No One Gets Out Here Alive“ sowie die nie verstummenden Gerüchte, dass Morrisons Tod lediglich inszeniert gewesen sei, zur Folklore der 1970er-Jahre. Von den Doors-Schallplatten wie der essenziellen Kollektion „Weird Scenes Inside The Gold Mine“ mal ganz zu schweigen: Die durfte in keiner ernst zu nehmenden Sammlung fehlen. Zwar relativierte sich der Ruf von den poetischen Qualitäten des „Lizard King“ im Lauf der Jahre, und auch der unangenehme Machismo des Sex-Symbols Morrison kam weitgehend aus der Mode; dennoch sorgte die Remastered-Box „Perception“ zum 40-jährigen Jubiläum des Debütalbums 2007 noch einmal für Rauschen im Blätterwald, obwohl die beiden Alben, die The Doors nach Morrisons Tod als Trio produzierten, fehlten. Auch für den amerikanischen Filmemacher Tom DiCillo sind The Doors ohne Jim Morrison nicht zu denken; auch er beschreibt lediglich die Jahre zwischen 1965 und 1971. Während Oliver Stone mit seinem Spielfilm „The Doors“ (fd 28 882) dem Mythos der Band und ihres Sängers sozusagen auf Augenhöhe begegnete, verlässt sich DiCillo ausschließlich auf dokumentarisches Material sowie auf ein Filmexperiment, das offenbar von Morrison selbst stammt („HWY-An American Pastoral“, 1969) und in der linear erzählten Bandgeschichte für einen narrativen Rahmen plus einige Kontrapunkte sorgt: Als Morrison in „Two-Lane Blacktop“-Manier mit dem Auto die Highways entlang braust, hört er aus dem Radio die Nachricht von seinem eigenen Tod. Das ist ganz originell, aber ansonsten erfährt der kundige Doors-Hörer und Morrison-Philologe nichts, was er nicht schon wüsste oder von Oliver Stone ansprechend bebildert bekommen hätte. Etwas anders sieht die Sache für die Nachgeborenen aus. Tatsächlich liefert die Dokumentation eine Bandbiografie aus der Binnenperspektive, die die Bedeutung der Gruppe mit historischem Archivmaterial verschränkt, was der Musik der Band und der Person ihres Leadsängers eine gewisse Repräsentativität für den gegenkulturellen Aufbruch in den 1960er-Jahren verleiht. Man erfährt Details über die ungewöhnliche Besetzung der Band ohne Bass, über ihre Jazz-Einflüsse, auch über Morrisons familiären Hintergrund und dass der als hochintelligent gerühmte Mann schon als junger Bursche Nietzsche und Rimbaud gelesen habe. Man erfährt auch etwas über das unglückliche Timing der Band, die nach furiosem Start mit zwei klassischen Alben 1967 danach eigentlich sofort in die Krise geriet, da an die Stelle der musikalischen Substanz das Spektakel des Freaks Jim Morrison trat, dessen Live-Performances von wenigen lichten Momente und vielen exzessivem Drogenkonsum geschuldeten Schatten geprägt wurden. Wenn man die Bilder des stets benebelten Sängers fast 90 Minuten über sich ergehen lässt, wird aus der Lichtgestalt unversehens ein Ritter von der traurigen Gestalt. Dem mit den hochexplosiven Zeitläuften der späten 1960er-Jahre unvertrauten Zuschauern liefert ein von Johnny Depp eingesprochener, aber von DiCillo verfasster Off-Kommentar den roten Faden der Erzählung, der auch von der Zerrüttung eines utopischen Aufbruchs kündet. Mit dem Altamont-Festival, den Morden der Charles-Manson-Family und den Rock’n’Roll-Toten Brian Jones, Jimi Hendrix, Janis Joplin und Jim Morrison mündete der Hippie-Aufbruch in orientierungslose Katerstimmung. Der Film bleibt aufgrund seines Ansatzes notwendigerweise impressionistisch an der Oberfläche der Ereignisse, will gerade keine kulturhistorische Tiefenbohrung und keine Analyse der narzisstischen Persönlichkeit Morrisons anstellen, die heutige Betrachter wohl eher mit Robbie Williams, Amy Winehouse oder Pete Doherty in Verbindung bringen als mit Nietzsche, Freud und Rimbaud. Was bleibt, ist das Erstaunen darüber, wie lange die anderen Band-Mitglieder Morrisons Eskapaden ertragen haben – und ein Dutzend ziemlich guter Songs, die es (wieder) zu entdecken gilt. „The End“, aber dies nur am Rande, zählt übrigens nicht dazu. Im Gegensatz zu „The Cars Hiss By My Window“.
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