Sportfilm | Deutschland 2010 | 90 Minuten

Regie: Jan Tenhaven

Dokumentarfilm über fünf sportbegeisterte Senioren, die sich auf die Leichtathletik-Weltmeisterschaft für Senioren 2009 im finnischen Lahti vorbereiten. In parallel montierten Sequenzen gewähren die betagten Sportler Einblicke in ihr Leben und ihr Denken. Der Film begeistert durch den Respekt, aber auch den feinen Humor, mit dem er sich seinen Protagonisten nähert. Dies macht ihn zur ebenso unterhaltsamen wie Mut machenden Hommage an das Leben im Alter. (Teils O.m.d.U.) - Sehenswert ab 12.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
Gebrüder Beetz Filmprod.
Regie
Jan Tenhaven
Buch
Jan Tenhaven
Kamera
Marcus Winterbauer
Musik
Andy Baum
Schnitt
Jürgen Winkelblech
Länge
90 Minuten
Kinostart
08.07.2010
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 12.
Genre
Sportfilm | Dokumentarfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Neue Visionen (16:9, 1.78:1, DD5.1 dt.)
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Diskussion
Die nackten Waden des Mannes, der während des Vorspanns in Turnschuhen eine Treppe hoch hetzt, sind erkennbar nicht mehr die jüngsten. Als er ins Stolpern gerät und zu Boden fällt, möchte man ihm spontan zu Hilfe eilen. Doch Jirí braucht keine Hilfe. Der Tscheche ist topfit, aktiver Hochspringer und mit 82 Jahren schließlich noch ein Youngster. Zumindest, wenn man ihn mit den anderen Protagonisten dieses hinreißenden Dokumentarfilms über fünf rüstige Leistungssportler vergleicht. Kugelstoßerin Ilse aus Kiel ist 85, der Sprinter Herbert aus Stockholm noch acht Jahre älter, und Diskuswerfer Alfred aus Wien zählt stolze 100 Lenze. Nur die Italienerin Gabre, ebenfalls mit dem Diskus aktiv, mag ihr Alter partout nicht verraten; aber auch sie ist nicht mehr die Jüngste. Die kokette Geheimniskrämerei um das Alter der eleganten Dame, die bereits 1936 italienische Landesmeisterin war und auch heute vor Wettkämpfen mindestens so viel Zeit vor dem Schminkspiegel wie beim Aufwärmen verbringt, entwickelt sich im Lauf des Films zum wunderbaren Running Gag. Wenn man sie beispielsweise beim Ausfüllen des Anmeldeformulars sieht und sie ins Feld für das Geburtsjahr gerade die 19 eingetragen hat, schwenkt die Kamera dezent weg. Als am Ende eine Konkurrentin doch noch Gabres Alter ausplaudert, quittiert diese den Fehltritt mit gespielter Entrüstung, nimmt ihn aber durchaus mit Humor. Überhaupt eint die Senioren neben ihrer Leidenschaft für den Sport eine gehörige Portion Selbstironie. Natürlich wissen sie, dass man es auch lächerlich finden könnte, wenn sie in einem Lebensabschnitt, in dem die meisten ihrer Altersgenossen froh sind, ohne fremde Hilfe aus dem Fernsehsessel hochzukommen, noch Leistungssport treiben. Mit dem Sport ist es ihnen bei allem Humor aber durchaus ernst. Bei Wettbewerben wollen sie keineswegs nur dabei sein, sondern gewinnen. Die Dokumentation porträtiert die fünf Sportler, wie sie sich unabhängig voneinander in ihren Heimatorten auf die Leichtathletik-WM der Senioren 2009 im finnischen Lahti vorbereiten. Dabei gibt die Veranstaltung in Form eines Countdowns die Dramaturgie der chronologisch geordneten, in Parallelmontage arrangierten Sequenzen vor. Letztlich fungiert der Sport freilich nur als Vehikel, um fünf außergewöhnliche Senioren zu vorzustellen; denn über die Drehzeit von über einem Jahr hat der Autor offenbar das grenzenlose Vertrauen seiner Protagonisten gewonnen. So erzählen sie ihm nicht nur von alten Zeiten und ihren sportlichen Meriten, sondern durchaus auch Intimes. Etwa von der Einsamkeit nach dem Verlust des Ehepartners, von den Tücken der zunehmenden Gebrechlichkeit – trotz des Sports –, oder dem Mangel an Sex, wie der passionierte Akt-Zeichner Alfred und der Sprinter Herbert bekunden. Er habe zwar eine sehr verlässliche junge Jogging-Partnerin (sie ist vielleicht zehn Jahre jünger), so der Schwede, aber außer an der Lauferei sei die an nichts interessiert. Bei ihren sehr persönlichen Erzählungen, die immer wieder auch längere Pausen umfassen, ruht die Kamera vorzugsweise auf ihren eindrucksvollen Gesichtern. So wie der Film ohne Off-Kommentar auskommt, verzichtet der Regisseur auf Befragungen seiner „Helden“. Behutsam steuert er auf den finalen Höhepunkt in Finnland zu, bei dem vor allem der 93-jährige Herbert für urkomische Momente sorgt. Nachdem er mit seinem italienischen Kontrahenten, dem er kurz zuvor im 100-Meter-Lauf unterlag, bemüht freundlich über Belangloses gesprochen hat, wendet er sich ab und sagt entschieden „Scheißdreck!“ in die Kamera. Als der Italiener später bei der Siegerehrung lauthals die Nationalhymne schmettert, wirft Herbert ihm einen Blick zu, den man kaum anders als tödlich nennen kann. Wenn sich, von Standing Ovations der Zuschauer begleitet, der 100-jährige Alfred mit Rollator (das Wurfgerät vorn im Körbchen) zum Diskusring schiebt und die Kamera seinen Wurf so einfängt, dass die Scheibe in Superzeitlupe endlos in den Himmel aufzusteigen scheint, dann hat dieser Moment etwas wahrlich Erhabenes. So ist der Film eine humorvolle, Mut machende Hommage an das Leben im Alter, die fern jeder Verklärung ihren Protagonisten viel Raum und Würde gibt und so gar nichts von jenem Jugendwahn hat, in dem sich weit jüngere Menschen heutzutage gern lächerlich machen.
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