Chapter 27 - Die Ermordung des John Lennon

- | USA/Kanada 2007 | 81 Minuten

Regie: J.P. Schaefer

Porträt von Mark David Chapman, der 1980 Beatles-Star John Lennon erschoss. Erzählerisch aufgebaut als rückblickendes Selbstbekenntnis des Attentäters, konzentriert sich der Film ganz auf dessen Erleben der Zeit unmittelbar vor dem Attentat. So beschränkt dadurch die Perspektive auf den Tod des Idols auch ist, entsteht doch das ebenso suggestive wie spannende Psychogramm einer gestörten Persönlichkeit, die sich mehr und mehr in den eigenen Projektionen verliert. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
CHAPTER 27
Produktionsland
USA/Kanada
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
Peace Arch/Artina
Regie
J.P. Schaefer
Buch
J.P. Schaefer
Kamera
Tom Richmond
Musik
Anthony Marinelli
Schnitt
Andrew Hafitz · Jim Makiej
Darsteller
Jared Leto (Mark David Chapman) · Mark Lindsay Chapman (John Lennon) · Mariko Takai (Yoko Ono) · Ursula Abbott (Jeri) · Lindsay Lohan (Jude)
Länge
81 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Evolution (16:9, 1.78:1, DD2.0 engl./dt.)
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Diskussion
Der Schauplatz spielt eine große Rolle in diesem Film, der sich mit der Ermordung von Beatles-Star John Lennon durch Mark David Chapman im Winter des Jahres 1980 beschäftigt. Weite Teile spielen auf dem Bürgersteig vor dem Dakota Building direkt am Central Park, einem seltsamen, neogotischen Apartmenthaus zwischen modernen Hochhäusern. Es ist der reale Schauplatz, an dem John Lennon ermordet wurde, aber es ist auch ein irgendwie unwirklich-zeitverlorenes und geisterhaft wirkendes Gebäude. Roman Polanski hat es als Setting für „Rosemarys Baby“ verwendet. Die Musik zu J.P. Schaefers Film klingt denn auch wesentlich mehr nach Horrorfilm als nach Beatles, und das mit gutem Grund: „Chapter 27“ ist kein John-Lennon-Film; die Bedeutung Lennons und seines Todes für seine Generation werden nur im gebrochenen Spiegel von Mark David Chapmans gestörter Psyche reflektiert, er ist die Hauptfigur. Beruhend auf einer Biografie des Lennon-Möders von Jack Jones („Let Me take You Down“), versucht der Film sich an einem Porträt Chapmans, aufbereitet als Erzählung von dessen Off-Stimme, die retrospektiv und den Zuschauer unmittelbar ansprechend Einblicke in Chapmans Erleben der letzten Tage und Stunden unmittelbar vor dem Attentat gewährt. Eine psychologische Durchleuchtung der Figur, die etwa in einer verkorksten Kindheit oder sonstigen früheren Frustrationen nach Motiven für Chapmans Tat fahnden würde, will „Chapter 27“ angesichts dieser „Selbstdarstellung“ des Mörders, die einen relativ knappen Zeitraum vor der Tat umfasst, natürlich nicht liefern. Im Mittelpunkt steht das Verhältnis Chapmans zu seinem Star bzw. zu seinen Stars: Der Titel „Chapter 27“ bezieht sich auf Salingers „Fänger im Roggen“, neben den Beatles und John Lennon für den Sonderling Chapman der wichtigste Anker in einer Welt, mit der er offensichtlich nicht viel anfangen kann. „Der Fänger im Roggen“ hat 26 Kapitel; Chapman, der sich mit der Romanfigur Holden Caulfield identifiziert, will nun mit der Ermordung Lennons ein weiteres Kapitel dazu schreiben. Um was es ihm dabei geht, stellt er selbst als „Statement“ gegen die Falschheit und Verlogenheit seiner Gesellschaft im Allgemeinen und John Lennons im Besonderen dar, der sich als „Schwindler“ erwiesen habe. Gleichzeitig sieht der Zuschauer zu, wie Chapman selbst die Wirklichkeit immer mehr entgleitet, wie er lügt und sich in seinen Projektionen verliert. Die großen, getönten Brillengläser, durch die J.P. Schaefer seinen Hauptdarsteller Jared Leto mit starrem Blick schauen lässt, scheinen insofern nicht nur ein Tribut an den realen Chapman zu sein, sondern fast schon symbolisch sein gestörtes Verhältnis zu seiner Umwelt zu visualisieren, die er nur noch durch den Schirm seiner eigenen Psychose wahrnehmen kann. Diese Fokussieren bringt mit sich, dass „Chapter 27“ ein relativ bescheidener Film bleibt – ein großangelegter Versuch eines Zeitbildes, wie ihn etwa Emilio Estevez mit „Bobby“ (fd 38 049) über die Ermordung Robert Kennedys vorlegte, würde eine weiter angelegte Perspektive erfordern. Nichtsdestotrotz gelingt Schaefer ein suggestives, spannendes Psychogramm, das durch seine Besetzung eine weitere interessante Volte erfährt: Hinter Chapman blitzt, ob freiwillig oder unfreiwillig, immer wieder der Star Jared Leto durch, der in bester Robert-De-Niro-Manier eine enorme physische Transformation durchgemacht hat, um sich seiner Rolle anzunähern – was freilich als verblüffende „Leistung“ so überdeutlich sichtbar ist, dass es das Verschwinden das Darstellers hinter der Figur fast schon wieder torpediert. Ein weiterer „schwindelnder“ Star also, der Chapman hier verkörpert. Und noch eine Ironie: der Darsteller John Lennons heißt im wirklichen Leben Mark Lindsay Chapman.
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