London Nights

Drama | Großbritannien 2008 | 97 Minuten

Regie: Alexis Dos Santos

Jugendliche aus der ganzen Welt leben in London in einer Lagerhalle zusammen, wo sie nach sich selbst sowie nach Bindungen zu anderen Menschen suchen. Die Inszenierung greift auf verschiedene Filmmaterialien zurück und mischt Traum- und Erinnerungsebenen. Im geschickten Spiel mit Bild und Ton sowie dank überzeugender Darsteller entsteht daraus ein spannender Jugendfilm um Rausch, Liebe, Lust, Selbstfindung und die Auflösung vermeintlich fester Identitäten. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
UNMADE BEDS
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
The Bureau/UK Film Council/EM Media
Regie
Alexis Dos Santos
Buch
Alexis Dos Santos
Kamera
Jakob Ihre
Musik
Michiel Huisman · (We are) Performance · Connan Mockasins · Plaster of Paris
Schnitt
Olivier Bugge Coutté
Darsteller
Déborah François (Vera) · Fernando Tielve (Axl) · Michiel Huisman (Röntgen-Mann) · Iddo Goldberg (Mike) · Richard Lintern (Anthony)
Länge
97 Minuten
Kinostart
12.08.2010
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Jugendfilm
Externe Links
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Diskussion
Axl kommt aus Spanien. Er lebt in London und zählt die fremden Betten, in denen er morgens aufwacht, nach langen Partys in unterschiedlichen Ecken der Stadt. Axl ist jung und vergisst alles, besonders wenn er viel getrunken hat. Aber Axl hat eine Mission: Er sucht seinen Vater, von dem er nur den Namen kennt. Als er ihn in der Person eines Immobilienmaklers zu erkennen glaubt, gibt er sich als reicher Portugiese aus, der eine Wohnung sucht. – Vera ist nach der Trennung von ihrem Freund nach London gegangen und hat Brüssel den Rücken gekehrt. Sie jobbt ohne große Ambitionen in einer Buchhandlung. Eines Tages trifft sie einen jungen Mann, dem sie vorschwindelt, eine Stewardess zu sein. Er entgegnet, dass er in der Sicherheitsabteilung des Flughafens arbeite, in der Röntgenabteilung. Sie beginnen eine seltsame Beziehung, die nur aus vorher vereinbarten Treffen in unbekannten Ecken Londons besteht. Als das Rendezvous einmal nicht klappt, ist Jenny verzweifelt. – Mike lebt schon lange in der großen Wohngemeinschaft im Londoner East End, in der Axl eine Art Ersatzfamilie gefunden hat. Es ist eine große Fabriketage voller ungemachter Betten. Mike träumt vom Fallschirmspringen. Sein großes Trauma ist ein Versagen vor langer Zeit, als er in Panik vor dem großen Sprung zurückschreckte. Dies sind Grundelemente der Handlung, die jeden einigermaßen anspruchsvollen und kosmopolitischen Jugendfilm auszeichnen könnten. Doch der 39-jährige Alexis Dos Santos geht über die Konventionen des Genres hinaus; er selbst ist erst nach unterschiedlichen künstlerischen Phasen zum Film gekommen, hat Musik gemacht, Architektur studiert und am Theater inszeniert. Das Spiel mit visuellen und akustischen Elementen ist ein wichtiges Stilmittel in „Unmade Beds“ (so der Originaltitel). So verwendet er unterschiedliche Materialien, Super-8-Aufnahmen und Videofragmente und springt zwischen Traum, Erinnerung oder offen gebliebenen Sehnsüchten und geheimen Wünschen hin und her. Bei allen stilistischen Experimenten beeindruckt die Natürlichkeit der jungen Schauspieler. Sie agieren in einem sehr ausgearbeiteten Szenenbild, dem die wilde, ausdrucksstarke Musik entspricht; der Soundtrack ist bei Dos Santos keine Begleitung, sondern ein eigenständiges akustisches Gewand. Sein Debütfilm „Glue“ (fd 38 691) handelte von ersten, vorsichtig-tastenden sexuellen Annäherungsversuchen zweier Jungen und einem Mädchen im abgelegenen Patagonien, wo Dos Santos selbst einige Jahre seiner Kindheit verbrachte. Auch in „London Nights“ ist vieles autobiografisch. Das dürfte auch der Grund sein, warum die Handlung wie eine Geschichte aus den späten 1980er-Jahren erscheint, wenngleich der Film durch moderne Accessoires wie Mobiltelefone doch in der Gegenwart verankert ist. Der Film schwankt zwischen ekstatischer Orientierungslosigkeit und seelisch-körperlichen Bindungen. Es geht um Rausch, Liebe, Lust, Selbstfindung und die Auflösung vermeintlich fester Identitäten. Ein sehr bewegter und stilistisch höchst eigenwilliger Film über Jugendliche im skurrilen Mikrokosmos der Londoner Subkultur auf der Suche nach sich selbst.
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