Dokumentarfilm | Kanada 2008 | 81 Minuten

Regie: Laura Bari

Dokumentarisches Porträt eines blinden kanadischen Jungen, das sich poetisch und humorvoll ganz auf die Fantasie des Kindes einlässt. Die Inszenierung macht sich seine Perpektive zu eigen und verzichtet auf Off- sowie weitgehend auf erläuternde Kommentare anderer. Erwachsene spielen nur eine marginale Rolle; im Zentrum steht der Junge, dessen Erlebniswelt sich der Film durch eine kreative Inszenierung annähert. - Sehenswert ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
ANTOINE
Produktionsland
Kanada
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
Eye Steel Film/ATOPIA
Regie
Laura Bari
Buch
Laura Bari
Kamera
Laura Bari
Musik
Ramachandra Borcar
Schnitt
Sophie Farkas Bolla
Länge
81 Minuten
Kinostart
05.11.2010
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 12.
Genre
Dokumentarfilm
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Diskussion
Madame Rouski ist verschwunden. Gerüchten zufolge soll sie sich beim Duschen in Tausende von Wassertropfen aufgelöst haben. Dennoch geben der Detektiv Antoine und seine beiden jungen Helferinnen die Hoffnung nicht auf, die Vermisste wohl behalten wiederzufinden. Schließlich meldet sie sich hin und wieder bei den Suchenden per Telefon. „Wir sehen uns“, sagt Antoine manchmal. Was nun wirklich höchst unwahrscheinlich ist. Schließlich ist der Detektiv von Geburt an blind und erst sechs Jahre alt und der Fall der verschwundenen Madame Rouski ein reines Fantasiegespinst, mit dem sich der Junge die Zeit vertreibt. Dennoch bildet die Geschichte in dem ungewöhnlichen dokumentarischen Porträt eines ungewöhnlichen Jungen so etwas wie den roten Faden. Ob alle Elemente der Madame-Rouski-Geschichte der Fantasie Antoines entsprungen sind oder ob die Filmemacherin zumindest bei deren Ausgestaltung ihre Finger im Spiel hatte, wird nicht ganz klar, ist aber auch nicht weiter von Bedeutung; denn der kanadischen Regisseurin Laura Bari gelingt ein ebenso poetischer wie humorvoller Dokumentarfilm, in dem Erwachsene allenfalls am Rande vorkommen: Antoines Eltern, vietnamesische Einwanderer, die es nach Kanada verschlagen hat, sind nur beim Weihnachtsfest in der Wohnung der Familie kurz zu sehen; ansonsten geraten lediglich einige Lehrerinnen und Erzieher an der Schule des Jungen hin und wieder ins Bild, etwa wenn sie Antoine, der gemeinsam mit nicht behinderten Kindern die Schulbank drückt, die Blindenschrift beibringen. Ansonsten steht ganz der kleine Titelheld in Zentrum des Geschehens, aus dessen Perspektive der Film inszeniert ist. Bari verzichtet konsequent auf Off-Kommentare oder andere Statements, in denen Näheres über den Jungen mitgeteilt würde. Nur Antoines Schulkameraden äußern sich hin und wieder über ihn: „Eigentlich ist er ganz okay. Aber manchmal nervt er auch.“ Was die Dokumentation von vielen meist wohlmeinenden Porträts behinderter Menschen unterscheidet, sind ihre dezidiert filmische Mittel. So spielt die Regisseurin, wenn Antoine wieder einmal als Detektiv unterwegs ist, mit Elementen des Gruselfilms, indem sich die Kamera in Bodennähe durchs Unterholz bewegt, und auch auf der Tonebene betreibt sie einen enormen Aufwand, um mit Sound-Mixturen aus Alltagsgeräuschen, Radionachrichten oder Telefongeklingel äquivalente Ausdruckmittel für Antoines überbordende Fantasie zu finden. Man könnte der Autorin ankreiden, dass es im Alltag des blinden Jungen vermutlich längst nicht immer so unterhaltsam und abenteuerlich zugeht, wie es geschildert wird; doch dieses Defizit an Authentizität wird durch hinreißend und nicht zuletzt humorvoll inszenierte Sequenzen rund um die Suche nach der mysteriösen Madame Rouski locker wett gemacht.
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