La dernière fugue

Drama | Kanada/Luxemburg 2010 | 91 Minuten

Regie: Léa Pool

Die Mitglieder einer Familie leiden auf unterschiedliche Weise unter der fortgeschrittenen Parkinson-Erkrankung ihres Oberhaupts, wobei nur dessen Frau unverbrüchlich zu ihm hält. Zu Weihnachten wird stundenlang über den Kranken diskutiert, der des Lebens längst überdrüssig ist. Ein bedenkenswerter Film über Krankheit und Selbstbestimmung im Alter, äußerst ansprechend inszeniert, getragen von warmem Humor und brillanten Darstellern. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
LA DERNIERE FUGUE
Produktionsland
Kanada/Luxemburg
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
Equinoxe/Iris
Regie
Léa Pool
Buch
Léa Pool · Gil Courtemanche
Kamera
Pierre Mignot
Musik
André Dziezuk · Marc Mergen
Schnitt
Michel Arcand
Darsteller
Jacques Godin (Anatole, der Vater) · Andrée Lachapelle (die Muttter) · Yves Jacques (André) · Aliocha Schneider (Sam) · Nicole Max (Isabelle)
Länge
91 Minuten
Kinostart
24.02.2011
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama
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Diskussion
In jüngeren Jahren war Anatole Lévesque ein virtuoser Organist und leidenschaftlicher Fischer, ein guter Vater und treuer Ehemanne, der seine Familie wacker zusammenhielt. Doch das ist Vergangenheit. Denn wenn die Lévesques zu Beginn von Léa Pools Film in liebgewordener Tradition am Heiligabend zusammen zu Tisch sitzen, wird bald klar: Papa ist nicht mehr der Alte. Obwohl an Jahren noch gar nicht so reich, leidet er an einer fortgeschrittenen Parkinson-Erkrankung. Er ist zitterig, führt nur mit Mühe die Gabel zum Mund, spricht undeutlich. Zudem muss er Diät halten, darf dem Wein nicht zusprechen, soll auf den Nachtisch verzichten. Das macht ihn zornig und ungehalten; früher hat er gerne getafelt, war ein Gourmet und Schlemmer. Nun ist er es leid, nur zuzuschauen, wie die anderen tafeln. Es ist Schauspielkunst erster Güte, wie Jacques Godin bald zerbrechlich, bald kindlich, bald ungeduldig den Kranken darstellt. Die Mutter und Gemahlin, gespielt von Andrée Lachapelle, die – obwohl allgegenwärtig – im Film seltsam namenlos bleibt, erträgt die Launenhaftigkeit ihres Mannes ebenso geduldig wie duldsam, die Kinder und Enkel aber, offen und diskussionsfreudig, können über Anatoles Zustand nicht hinwegsehen. In liebevoller Respektlosigkeit, wie sie nur in den besten Familien vorkommt, beginnt man in versammelter Gesellschaft zu diskutieren. Ob die Rund-um-die-Uhr-Betreuung für Mama nicht zu anstrengend sei, ob der Vater in einem Heim nicht besser aufgehoben wäre. „Stopp, basta, fertig“, interveniert die Mutter nach einer Weile; dieses Thema stehe nicht zur Diskussion. Tatsächlich aber ist diese Frage nach dem Umgang einer Familie mit ihrem schwach gewordenen Oberhaupt auch die Frage nach den Veränderungen, welche eine schwere Erkrankung für die Beziehung eines Paars und den gesunden Partner bedeutet, das eigentliche Thema des Films. „Ich hatte ein glückliches Leben, ich hatte großartige Kinder“, sagt die Mutter irgendwann; an anderer Stelle erklärt sie, dass sie mit 50 Jahren überlegt habe, ihren Mann zu verlassen. Jetzt aber ist sie ganz für ihn da. Sie will sich zwar von ihren Kindern und Kindeskindern nicht dreinreden lassen, ist aber gleichwohl auf deren Hilfe angewiesen. „La dernière fugue“ ist eine Adaption von Gil Courtemanches Roman „Une belle mort“. Der Film schildert feinfühlig und warmherzig, bald humorvoll, bald von leisen Ressentiments durchzogen, wie sich ein langsamer Abschied anfühlt. Wie ein entfremdeter Sohn seinem Vater auf dessen letzten Tagen nochmals zum besten Kumpel wird; wie ein Enkel in pubertärer Unverdrossenheit fragt, ob Opa denn nicht einfach noch ein wenig glücklich leben wolle und damit das Nachdenken der Familie über den sich ankündigenden Tod nachhaltig beeinflusst. Ein eindrückliches, gut gespieltes, geschmeidig gefilmtes Drama, ein berührender und mutiger Film, der von Leidenschaft und Zuneigung, aber auch von der Zerbrechlichkeit des Lebens handelt und dabei einlädt, über den Umgang mit dem letzten Abschied und mit der Selbstbestimmung nachzudenken.
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