Glücksformeln - Vom Suchen und Finden eines Lebensgefühls

Dokumentarfilm | Deutschland 2011 | 96 Minuten

Regie: Larissa Trüby

Dokumentarfilm, der der Frage nachspürt, was ein glückliches Leben ausmacht. Die Gespräche mit Protagonisten verschiedenen Alters und mit unterschiedlichen Hintergründen werden durch Erläuterungen wissenschaftlicher Experten ergänzt. Ein durchaus interessanter Einblick in charakterliche und äußerliche Voraussetzungen, die das Glücklichsein beeinflussen, doch wird das anspruchsvolle Thema zu sehr auf ein soziales Milieu eingeengt, in dem existenzielle Nöte und Zwänge weitgehend keine Rolle spielen. Auch steht die große Anzahl der Protagonisten einer intensiveren Auseinandersetzung mit dem Einzelnen im Wege. Nichtsdestotrotz liefert der Film bedenkenswerte Impulse. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
Creado Film/Devifilm/Truebyfilm/BR
Regie
Larissa Trüby
Buch
Larissa Trüby
Kamera
Stefan Karle
Musik
Reinhold Heil · Johnny Klimek · Bruce Winter
Schnitt
Nikola Gehrke
Länge
96 Minuten
Kinostart
14.04.2011
Fsk
ab 0 (DVD)
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Universum (16:9, 1.78:1, DD5.1 dt.)
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Diskussion
Einen der interessantesten Sätze des Films spricht Dr. Timothy Sharp vom Happiness Institute in Sydney: Disziplin sei der entscheidende Unterschied zwischen glücklichen und unglücklichen Menschen. Schließlich sei es nicht so schwer, zu wissen, was das Richtige ist. Schwer aber sei es, das Richtige jeden Tag, jede Woche, jeden Monat zu tun. Ein Film über das Suchen und Finden von Glück, das ist ein anspruchsvolles Unterfangen: ein Thema, so groß, dass auch die Gefahr des Abrutschens ins Beliebige groß ist; und so schwer zu fassen, dass man sich in Allgemeinplätze und Binsenweisheiten flüchten könnte. Spektakulär Neues bietet Larissa Trübys Dokumentarfilm eher nicht, wohl aber so manch interessanten Einblick. Trüby porträtiert eine ganze Reihe von Protagonisten, die alle mehr oder weniger ihr Glück gefunden haben: Den 90-jährigen Leo, der erst mit der Rente richtig glücklich wurde, als er endlich die Zeit und die Freiheit hatte, sich mit Kunst zu beschäftigen. Das Ehepaar Marc und Wiebke, beide 45 Jahre alt, beide mit gescheiterten Beziehungen im Rücken, beide von der heilsamen Wirkung der (teils umstrittenen) Neurolinguistischen Programmierung überzeugt. Die 19-jährige Janina, die gerade ihr Abitur gemacht hat und Lehrerin werden will. Martin und Margret, 71 und 70 Jahre alt, die auf einem oberbayerischen Berghof Feriengäste betreuen. Philipp, 34 Jahre, ein typischer Berlin-Bewohner: eher prekärer Job und im Nebenberuf Musiker. Dann ist da noch der elfjährige Luis, der sich nicht vorstellen kann, dass man als Erwachsener noch glücklich sein kann, bei all den Pflichten wie „Überweisungen, Steuern, Einkaufen“. Dazu kommen dann noch mal mindestens ebenso viele Psychologen, Psychiater, Psychoanalytiker, allen voran Ed Diener, Psychologe von der Universität in Illinois, der als eine Art wissenschaftliche Instanz durch den Film leitet. Im Grunde sind sich alle Experten einig: Es gibt keinen Schlüssel zum Glück, wohl aber so etwas wie ein Rezept mit diversen unabdingbaren Zutaten – gute zwischenmenschliche Beziehungen, der Kontakt zur Natur, Körperbewusstsein, aber auch, wie in „Glücksformeln“ immer wieder betont wird, eine erfüllende Arbeit. Oder, wie es Dr. Alicia Fortinberry und Dr. Bob Murray ausdrücken: Nur das zu tun, was einem schon beim Machen Spaß macht. Womit man beim Problem von „Glücksformeln“ landet: Der Film behandelt fast ausschließlich die Luxusvariante von Glück; die, in der die essenziellen Bedürfnisse gesichert sind, in der es keine Armut gibt, in der die Menschen ihr Hobby zum Beruf gemacht haben und davon auch noch gut leben können. Armut kommt nur in der kurzen Feststellung vor, dass man sogar in einem Slum in Kalkutta dank Familie oder Religion glücklich sein kann. Auch wenn Larissa Trüby keine erschöpfende Abhandlung über das wohl begehrteste aller Güter vorhatte und das auch nicht leisten könnte, wirkt es dennoch einigermaßen ignorant, existenzielle Randlagen so völlig außen vor zu lassen – zumal es ja auch in einer westlichen Demokratie utopisch ist, dass ein jeder einen Job findet, der neben dem Geld auch noch innere Erfüllung einbringt. Insofern bietet zumindest Protagonist Leo, der seinen Beruf nie leiden konnte und auch sonst nicht zum Romantisieren neigt, eine gewisse Erdung: Seine Geschichte ist denn auch die anrührendste, die der Dokumentarfilm erzählt. Schade, dass Larissa Trüby, die bisher vor allem als Assistentin Tom Tykwers arbeitete und mehrere „Making ofs“ zu dessen Spielfilmen drehte, ihre Protagonisten bezüglich eines gesamtgesellschaftlichen Abbilds nicht ausgewogener wählte. Auch wäre weniger mehr gewesen: Die Fülle an Figuren steht manchmal einer intensiveren Verfolgung der einzelnen Lebenslinien im Weg, begrenzt das Kennenlernen teilweise auf die Oberfläche. Trotzdem ist „Glücksformeln“ ein durchaus ansehenswerter Film, für den die Regisseurin ohne Zweifel intensive Recherche betrieben und kundige Gesprächspartner gefunden hat; auch ist er aufwändig gemacht, mit teuren Außendrehs und sorgfältigen, teils spielerischen Montagen. Vor allem aber widmet sich Larissa Trüby mit großer Präzision ihrem Gegenstand und nutzt dessen Antipoden, das Unglück, konsequenterweise höchstens als Hintergrundfolie – gewissermaßen analog zur hier ständig präsenten „positiven Psychologie“, die ja ebenfalls Ressourcen statt Defizite in den Mittelpunkt stellt.
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