Drama | USA 2011 | 91 Minuten

Regie: Jodie Foster

Ein Spielzeughersteller stürzt in eine schwere Depression, in der sich auch noch seine Frau von ihm trennt. Mittels einer Biber-Handpuppe gelingt es ihm, eine alternative Perspektive zu entwickeln und sich aus seiner Krise herauszuarbeiten, freilich zum Preis einer ungesunden Abhängigkeit vom Spielgerät. Der Versuch, mittels eine surreal angehauchten Geschichte und prominenter Darsteller das schwierige Thema Depression in den Griff zu kriegen, gelingt erstaunlich gut: Ohne die Hauptfigur der Lächerlichkeit preiszugeben, meistert der Film den Balanceakt zwischen Drama und komödiantischen Zügen, der die surrealen Züge der "Puppengeschichte" mit einer auf Realismus bedachten Inszenierung erdet. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
THE BEAVER
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
Anonymous Content
Regie
Jodie Foster
Buch
Kyle Killen
Kamera
Hagen Bogdanski
Musik
Marcelo Zarvos
Schnitt
Lynzee Klingman
Darsteller
Mel Gibson (Walter Black) · Jodie Foster (Meredith Black) · Jennifer Lawrence (Norah) · Anton Yelchin (Porter Black) · Cherry Jones (Vizepräsidentin)
Länge
91 Minuten
Kinostart
19.05.2011
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Die Standardausgabe (Leih-DVD/Leih-BD) enthält keine erwähnenswerten Extras. Die Extras der Kauf-BD und der Kauf-DVD umfassen u.a. einen Audiokommentar der Regisseurin sowie ein Feature mit im Film nicht verwendeten Szenen (5 Min.).

Verleih DVD
Concorde/EuroVideo (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt., dts dt.)
Verleih Blu-ray
Concorde/EuroVideo (16:9, 2.35:1, dts-HDMA engl./dt.)
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Diskussion
Es ist schon länger her, dass man behaupten konnte, man müsse in Hollywood nur einen Kranken spielen, um einen „Oscar“ zu bekommen. Ob Autismus („Rain Man“, fd 27 420), Lähmung („Mein linker Fuss“, fd 28 104), Schizophrenie („Psycho“, fd 9570) oder Alkoholismus („Leaving Las Vegas“, fd 31 893): meist waren spektakuläre Darstellungen kranker Menschen mit viel größeren Geschichten verbunden, ganz so, als traue man der Krankheitsdarstellung nicht, für sich allein an den Kinokassen zu überzeugen. Was wohl eine richtige Einschätzung ist, denn nimmt man eine Krankheitsdarstellung zu leicht, etwa als Stoff einer vermeintlich tabulosen schwarzen Komödie („Die Kunst des negativen Denkens“, fd 38 899), oder zu ernst („Helen“, fd 39 605), entpuppte sich beides schon als wenig kassentauglich. Im Falle von „Der Biber“ zeigten sich alle Schwierigkeiten, die Hollywood mit einem solchen Stoff hat. Das Drehbuch von Kyle Killen kursierte jahrelang zwischen den Studios und gewann 2008 sogar einen Preis als das beste nicht-realisierte Drehbuch, doch erst der Produzent Steve Golin, der originelle Stoffe wie „Being John Malkovich“ (fd 34 219) und „Vergiss mein nicht!“ (fd 36 491) realisiert hatte, ging das Wagnis ein. Der Stoff ist tatsächlich ein Wagnis, dessen „Offbeat“-Qualitäten durchaus in Camp umschlagen könnten, schließlich läuft der Protagonist Walter Black über weite Strecken des Films mit einer sprechenden Handpuppe durch den Film. Und es handelt sich dabei nicht oder nur sehr bedingt um eine Komödie. Selbst mit einer Starbesetzung wagt sich „Der Biber“ sehr weit aus dem Terrain des üblichen realistischen Erzählens heraus; ohne Starbesetzung wäre der Film wohl verloren. An dieser Stelle kommen die Darsteller ins Spiel. Intelligenz-Ikone Jodie Foster verliebte sich in das surreale Potenzial des Drehbuchs und signalisierte Interesse an der Regie. Foster, die bislang nur zweimal Regie führte – „Das Wunderkind Tate“ (fd 29 356) und „Familienfest und andere Schwierigkeiten“ (fd 31 797) –, genießt in Hollywood den Ruf vollständiger Unabhängigkeit. Sie gilt zudem als Spezialistin für komplexe Familiendynamiken. Erst ihr Interesse an „Der Biber“ brachte das Projekt ins Rollen. Walter Black, Geschäftsmann in der Spielzeugproduktion und Familienvater, leidet unter schweren Depressionen, die ihn von seiner Familie entfremden und ein Berufsleben völlig unmöglich machen. Als sich seine Ehefrau erschöpft von ihm trennt, changiert seine Leben zwischen Alkohol und Selbstmordgedanken. Eines Tages findet er im Müll eine Biber-Handpuppe, die es ihm erlaubt, durch die Figur hindurch einen alternativen Zugriff auf die Realität zu etablieren und so eine Rückkehr in den Alltag zu bewerkstelligen. Das Alter Ego gewährt Walter eine zweite Chance, ist allerdings für seine Umwelt gewöhnungsbedürftig. Allerdings sind Walters Fortschritte einer neuen Handlungsautonomie teuer erkauft durch seine Abhängigkeit vom „Biber“, der von einem bestimmten Zeitpunkt an leugnet, eine Handpuppe zu sein. Seine teilweise Befreiung aus der Dunkelheit der Depression scheint sich Walter mit schizophrenen Schüben erkaufen zu müssen, die letztlich auf einen radikalen Akt der Befreiung zusteuern. Ganz schön schräg? Eine Wiedervorlage von „Mein Freund Harvey“ (fd 1367)? Es kommt noch besser. Denn nachdem sich Jodie Foster entschieden hatte, Regie und weibliche Hauptrolle in Personalunion zu übernehmen, musste ein Hauptdarsteller gefunden werden, den man nicht auslacht, wenn er sich (fast) den ganzen Film über mittels einer Cockney-Englisch sprechenden Biber-Handpuppe verständigt. Jim Carrey? Jeff Daniels? Woody Harrelson? Doch Foster erinnerte sich eines alten Freundes, mit dem sie 1994 in „Maverick“ (fd 30 845) vor der Kamera gestanden hatte und dessen Karriere in den vergangenen Jahren eher durch Alkoholexzesse und antisemitische Ausfälle gekennzeichnet war: Mel Gibson. Der Actiondarsteller früherer Dekaden hatte zuletzt eher als kontrovers diskutierter, weil Gewalt fetischisierender Autorenfilmer („Die Passion Christi“, fd 36 417) denn als Schauspieler von sich reden gemacht. Doch Foster bewahrte dem Schauspieler und Freund in der Krise die Treue und erkannte, wie viel von Walter Black in Mel Gibson steckt (oder umgekehrt?). Und auch Gibson scheint verstanden zu haben, welche Chancen ihm der Film bot, sein aktuelles Image produktiv zu machen. Spielte er zuletzt in dem dunklen und extrem gewalttätigen „Auftrag Rache“ (fd 39 772) den Vater eines Polizisten, der den Mord an seiner Tochter ohne Rücksicht auf sich selbst rächt, so transferiert er jetzt seine „inneren Dämonen“ ins Genre des Familienfilms. Wobei Foster wiederum darauf bedacht ist, die surreale Grundsubstanz des Films durch ein Beharren auf Realismus auszupendeln. Sieht man von einer überflüssigen Verdoppelung des Grundkonflikts in einer Nebenhandlung mit Walters Sohn Porter ab und ignoriert, dass der Film unvermittelt Horrorzüge von „Chucky, die Mörderpuppe“ (fd 27 675) annimmt, dann kann man „Der Biber“ als einen zwar exzentrischen, aber durchaus originellen Versuch ansehen, angemessene filmische Mittel für das Erzählen einer eigentlich recht unspektakulären, aber weit verbreiteten Krankheit zu finden. Mel Gibson, so viel ist sicher, sollte sich am Abend der nächsten „Oscar“-Verleihung nichts vornehmen.
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