Dokumentarfilm | Schweiz 2010 | 78 Minuten

Regie: Res Balzli

Der unsentimentale, tief zu Herzen gehende Film dokumentiert die letzten Lebensmonate der unheilbar an Krebs erkrankten 33-jährigen Schau- und Puppenspielerin Johana Bory, die mit ihrer selbst gefertigten Handpuppe Zwiesprache hält, der sie ihre Ängste anvertrauen kann und bei der sie Trost sucht. Trotz des ernsten Themas entstand ein stets gelassen wirkender Erstlingsfilm um eine kämpferische junge Frau, die nicht gewillt war, sich aufzugeben, und die bei ihren Puppenspielen vor allem Kindern Freude und Lachen schenkte. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
BOUTON
Produktionsland
Schweiz
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
Balzli & Fahrer/RTS/SF/SRG SSR/idée suisse/ARTE
Regie
Res Balzli
Buch
Res Balzli
Kamera
Dieter Fahrer
Musik
Trio vocal NØRN · Flavia Ravaud · Micha Sportelli · Lydie Auvray
Schnitt
Loredana Cristelli
Darsteller
Johana Bory
Länge
78 Minuten
Kinostart
14.04.2011
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Diskussion
Ins Kino gegangen und – nein, nicht nur ein bisschen geweint, sondern geflennt, wie die Menschen links und rechts von mir auch. Dies nicht, weil über die Leinwand ein mit feinem Kalkül auf die Tränendrüsen drückendes Melodram lief; bloß einen kleinen Schweizer Dokumentarfilm gab es zu sehen, ein Regieerstling: „Bouton“ von Res Balzli. Nun aber ist Balzli kein filmischer Niemand, sondern ein erfahrener Produzent, und die Regie fiel ihm, wie er sagt, in den Schoß: Im Herbst 2009 ließ ihn die ihm bekannte 33-jährige Schauspielerin Johana Bory wissen, dass sie „gerne mal in einem Film spielen würde“. Das ist an sich kein sonderlich ausgefallener Wunsch, doch Johana hatte Krebs. Höchstens ein Jahr gaben ihr die Ärzte noch; zu wenig Zeit für einen Spielfilm, knapp auch für einen Dokumentarfilm. Doch Balzli ging das Wagnis ein. Mit seinem Geschäftspartner Dieter Fahrer an der Kamera filmte er zwischen dem 31. Dezember 2009 und dem 12. Februar 2010 zehn Tage lang; am 17. März 3. 2010 starb Johana Bory. Ein Jahr später kehrt die Theaterfrau nun zurück in diesem überwältigenden kleinen Film, der wunderschön sinnig „Bouton“ – Knopf, Knospe, Schalter – heißt, wie die gelbe Handpuppe, die Johana Bory auf der Bühne jeweils aus dem Koffer zauberte. Zusammen mit Bouton hat sie Kindern jeweils erdachte Märchen erzählt; von Boutons Liebe zu „Rotkäppchen“ etwa, und dass Rotkäppchen Bouton ihrerseits nicht liebt und die Gefühle deswegen ins Ungleichgewicht geraten. Das alles ist derart verfahren, dass die zuschauenden Kinder schon wieder vergnügt lachen und ganz verzaubert sind von der lebenslustigen Komödiantin mit ihrer Puppe. Doch die letzten Aufführungen kosten Johana viel Kraft. Kraft, die rasant schwindet, womit sich auch Boutons Verschwinden anbahnt. Doch Bouton hat – und das ist ein Glück für diesen Film, der von der kreativen Spontaneität und charmanten Verschmitztheit seiner Protagonistin ebenso lebt wie von den gestalterischen Vorstellungen seines Regisseurs – noch eine andere Funktion in Johanas Leben: Er ist ihr Vertrauter, ihr Weg- und Kampfgefährte, den sie sich erdacht hat. In dieser Funktion kann Bouton mit Johana, die eben nicht nur eine glänzende Performerin, sondern auch eine todkranke junge Frau ist, in Zwiesprache treten. So wird in „Bouton“ über einiges gesprochen, worüber man selbst in Sterbe-Dokumentationen meist schweigt. Über Johanas Zorn gegenüber ihrem Schicksal, das Bedauern, das sie empfindet, wenn sie an die Kinder denkt, die sie nie gebären wird; über die Pläne, die sie nun nicht mehr umsetzen kann, den Abschiedsschmerz. Es gibt nicht nur Bouton und Bory in Balzlis Film; es gibt auch Familie und Freunde, vor allem Johanas Lebenspartner Lukas Larcher, den Clown, der so gerne lacht, nun aber manchmal ganz nachdenklich, niedergeschlagen und hoffnungslos wirkt. Larcher hat bisweilen selbst zur Kamera gegriffen, und ihm verdankt der Film einige seiner zärtlichsten Szenen. Feinfühlig, aus nächster Nähe und mit viel Respekt hat Balzli „Bouton“ gefertigt. Auch wenn es bisweilen richtig schmerzhaft ist, dies anzusehen, so ist der Film doch das bezaubernde Vermächtnis einer Frau, die nichts mehr liebte als das Leben und das Spiel mit ihrer Puppe, in dem sie den Menschen das Lachen und Weinen beibrachte. „Bouton“ ist zudem einer der wenigen Filme zum Thema, die man auch mit etwas größeren Kindern anschauen und sinnvoll nachbereiten kann.
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