Dokumentarfilm | Deutschland 2011 | 93 Minuten

Regie: Peter Dörfler

Porträt des Lebemannes Rolf Eden, der von 1957 an zwei Jahrzehnte lang die Nachtclub-Szene in West-Berlin dominierte und sich heute in der Rolle des "letzten Playboys" Deutschland gefällt. Die beschwingte, bildmächtige Erkundung eines schillernden Lebens versucht, hinter die Masken und Rituale der exhibitionistischen Boulevard-Größe zu blicken; dabei scheinen in Gesprächen mit seinen Kindern sowie diversen Liebschaften auch fürsorgliche Züge auf. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
Rohfilm/Standfilm/ZDF/ARTE
Regie
Peter Dörfler
Buch
Peter Dörfler
Kamera
Peter Dörfler
Schnitt
Peter Dörfler
Länge
93 Minuten
Kinostart
08.12.2011
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Diskussion
Dieser Mann ist die reine Provokation: Rolf (eigentlich Shimon) Eden, 81, Deutschlands „letzter Playboy“, eine mondäne, perfekt gestylte Erscheinung, der Peter Dörfler überdies ein „paradiesisches“ Intro schenkt: eine minutenlange CinemaScope-Sequenz ganz in Weiß, während der sich der selbstverliebte Dandy in Schale wirft und über seine hedonistische Lebensmaxime philosophiert: „jede Sekunde schön leben“, Champagner, perfekt geliftete Gesichtszüge und eine knapp 30-jährige Gefährtin inklusive. Barbusige Blondinen zählten denn auch zu den obligatorischen Insignien des Lebemannes, der von 1957 an zwei Jahrzehnte lang die Nachtclub-Szene in West-Berlin dominierte. „Old Eden“, „New Eden“, „Big Eden“ waren Kultstätten des Jet-Sets, in denen man Liza Minelli treffen konnte, Jack Lemmon oder die Rolling Stones. Wer in (West-)Berlin Station machte, schaute bei Eden vorbei. Das ist freilich schon etwas länger her, doch Eden, der von sich behauptet, im Leben immer „nur, nur, nur Glück gehabt zu haben“, war seiner Zeit nicht nur mit Striptease-Shows und Misswahlen voraus: 1997 wechselte er die Branche und stieg ins nicht weniger ertragreiche, aber deutlich ruhigere Immobiliengeschäft ein. Solche harten Fakten erfährt man in Dörflers bildmächtiger, bisweilen fast beschwingter Erkundung eines schillernden Lebens eher beiläufig; im Zentrum stehen die Gegenwart und der Versuch, einen Blick hinter die Masken und Rituale des bekennenden Exhibitionisten zu werfen, der sich und seine angeblich in die Tausende gehenden Gespielinnen zeitlebens auf Film festgehalten hat. Anfangs verblüfft die visuell extreme Nähe und Offenheit, mit der sich Eden Dörflers Kamera anvertraut; seine Bekenntnisse und Reflexionen sind peinlich direkt, wenngleich nicht so auf Krawall gebürstet wie bei seinen legendären Auftritten in Talkshows oder dem Privatfernsehen. Man versteht schnell, dass gesellschaftliche Aufmerksamkeit ein, wenn nicht das Lebenselixier für Eden ist, und fragt sich irgendwann, ob hinter der perfekt inszenierten Promi-Figur überhaupt noch eine andere Ebene existiert oder beide nicht längst in eins gefallen sind. Das können auch seine sieben Kinder nicht so genau sagen oder die dazugehörigen (sieben) Mütter, die über ihre „privaten“ Erlebnisse und Erkenntnisse sprechen, wenngleich der verführerische Casanova dadurch bald in einem anderen Licht erscheint: als einer, der zu seinem Wort steht und sich nicht lumpen lässt; über Alimente muss nicht vor Gericht gestritten werden. In diesen Kontext gehört auch die frühe Biografie Edens, der 1933 als Dreijähriger mit seiner Familie vor den Nazis nach Palästina floh und 1948 in einer Palmach-Einheit unter Yitzak Rabin kämpfte. Einer seiner damaligen Kampfgefährten steuert die Anekdote bei, wie Eden beim Militär seine erste Tochter zeugte, während die anderen im Schützengraben lagen; er erzählt aber auch davon, dass Eden ihm vor nicht allzu langer Zeit eine Operation ermöglicht habe, ohne die er nicht mehr leben würde. Doch noch ehe man ins Gutmenschliche abdriften kann, fokussiert die Inszenierung schon wieder auf das Grundsätzliche der Figur, das in den Paradoxien von Ausschweifung und Stil, Promiskuität und Verantwortung bzw. Narzissmus und Rechtschaffenheit zu suchen ist. Der Film, nach „Panzerknacker“ (2008) und „Achterbahn“ (fd 39 363) als letzter Teil einer Trilogie über selbstbezogene Männer etikettiert, verweigert sich herkömmlichen Erzählmustern, die sich aufs Naheliegende, die Eskapaden, den märchenhaften Reichtum oder Edens Psyche gestürzt hätten. Stattdessen zwingt er mit verführerischer Leichtigkeit, die Präsenz eines Mannes auszuhalten, der nicht nur äußerlich eine Brücke von Klaus Kinski zu Peter Maffay schlägt, sondern mit seiner landläufigen Amoral den Schlüssel zum Glück gefunden zu haben scheint. Für seine Weigerung, sich Themen wie Krankheit, Tod und Verlust zu stellen, wird Rolf Eden kaum Zustimmung finden; doch als besonders kontroverses Exemplar der Gattung „Paradiesvogel“ wird man ihn kaum ignorieren können.
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