Camp Armadillo

Dokumentarfilm | Dänemark 2010 | 101 Minuten

Regie: Janus Metz Pedersen

Der Dokumentarfilm begleitet einen Trupp dänischer UN-Soldaten, die zu einem Einsatz ins afghanische Camp Armadillo einrücken. Als man nach Tagen des soldatischen Müßiggangs mit Feindfeuer konfrontiert wird und Verletzte und Tote zu beklagen hat, werden die Soldaten mit der hässlichen Seite ihres Einsatzes konfrontiert. Ein eindrucksvoller Film, der die Idee der Friedensmission grundsätzlich hinterfragt. Ganz darauf konzentriert, wie sich die Extremsituation auf die Protagonisten auswirkt, verleiht er dem in den Medien meist abstrakt verhandelten Thema eine physische Dimension. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
ARMADILLO
Produktionsland
Dänemark
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
Fridthjof Film
Regie
Janus Metz Pedersen
Buch
Janus Metz Pedersen · Kasper Torsting
Kamera
Lars Skree
Musik
Uno Helmersson
Schnitt
Per K. Kirkegaard
Länge
101 Minuten
Kinostart
28.04.2011
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Ascot/Elite (16:9, 1.85:1, DD5.1 dän./dt., dts dt.)
Verleih Blu-ray
Ascot/Elite (16:9, 1.85:1, dts-HDMA dän./dt.)
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Diskussion
„Erst als ich einen Jungen in meinem eigenen Alter (…) bluten und sterben sah, ging mir endlich die Wahrheit auf, dass man auch versuchte, mich zu töten, wirklich versuchte, mich zu töten.“ Dieser Satz aus Joseph Hellers Roman „Endzeit“ (1994) spiegelt exakt die Erfahrungen, die ein Zug dänischer Soldaten macht, dessen Mitglieder sich freiwillig ins afghanische Hinterland begeben, um eine so genannte Friedensmission zu erfüllen. In seinem dokumentarischen Regiedebüt begleitet Regisseur Janus Metz Pedersen seine Protagonisten während ihres sechsmonatigen Einsatzes in einem Gebiet, das von den Taliban kontrolliert wird. Auf Schritt und Tritt dokumentiert er eindrucksvoll die Veränderungen und (seelischen) Wunden, die seinen Protagonisten beigebracht werden. Alles fängt harmlos an, mit einem großen Besäufnis und einer nicht enden wollenden Junggesellen-Party am Vorabend des Abflugs ins Einsatzgebiet. Bereits am nächsten Tag ist die übermütige Stimmung verflogen, die Neugier auf das Neue, Fremde hält sich in Grenzen. Der Abschied von Familie und Freundinnen fällt schwer, und niemand weiß, was ihn erwartet. Im Camp herrscht Soldatenalltag: Rumhängen, Pornofilme, Telefonate mit den Angehörigen, Videospiele. Man weiß nicht, was man tun soll, zumal sich der Kontakt mit der zu schützenden Zivilbevölkerung alles andere als einfach darstellt. Man kann sich kaum verständigen, die Einheimischen wollen diese Art von Schutz gar nicht, zumal er ihre Freiheiten einengt; die Soldaten sind irritiert, sie hatten eine freundlichere Aufnahme erwartet. Hinzu kommt, dass fast jeder erwachsene Mann mit einer Waffe durch die Gegend läuft. Die Trennungslinie zwischen Freund und Feind ist kaum auszumachen. Doch dann tritt die Friedensmission in ihre entscheidenden Phasen: Unbemannte Flugkörper kontrollieren das Einsatzgebiet, später werden sie mit Sprengsätzen erfolgreich auf Feindflug geschickt. Dann rücken Spähtrupps aus, die die Gegend sichern sollen; einer von ihnen gerät in einen Hinterhalt. Von den gegenüber liegenden Bergen flackert Feindfeuer auf, es erwischt einige der dänischen Soldaten. Die Friedensmission ist in Sekundenschnelle zur bewaffneten Auseinandersetzung mutiert. Es ist eine der beeindruckendsten Szenen des Films, die einen jungen verwundeten Soldaten zeigt, der seine Situation nicht zu begreifen scheint. Mit großen Augen schaut er in die Kamera, sein Blick spiegelt eher Erstaunen und Verwunderung, weniger Schmerz, es scheint, als könne er die Tatsache seiner eigenen Verwundbarkeit nicht begreifen. Wenig später im Camp: Noch während der Trauerfeier für die Kameraden beschwört man den Teamgeist; Vergeltungsmaßnahmen sind die Folgen. Von Friedensmission ist jetzt nichts mehr zu spüren, man rückt mit schweren Waffen gegen den unsichtbaren Feind vor, beschießt vermeintliche Taliban-Stellungen in den Bergen und freut sich über jeden Treffer. Nach sechs Monaten reist ein desillusioniertes Häuflein ab, zurück in die Normalität des dänischen Alltags. Während des Abspanns erfährt man, dass sich eine Vielzahl der Soldaten für einen weiteren Afghanistan-Einsatz verpflichtet hat. Regisseur Janus Metz Pedersen thematisiert nicht die Sinnfrage von Friedensmissionen, sondern interessiert sich dafür, was diese aus den Menschen machen. Das Ergebnis ist erschütternd: Aus lebensbejahenden jungen Männern werden verbitterte Kämpfer, von denen manche angesichts der traumatisierenden Erfahrungen nicht mehr ins zivile Leben zurückfinden. Dabei werden auch jene Momente nicht ausgespart, in denen die Friedensmissionäre schuldig werden, ohne sich ihrer Schuld bewusst zu sein. Ein beeindruckender Dokumentarfilm, der die Idee einer westlichen „Welt-Polizei“ hinterfragt und bloßlegt, wie schnell ein fragiler Frieden in einen recht persönlich aus getragenen Krieg umschlagen kann. Für die einzigartigen Aufnahmen der Kampfeinsätze riskierte Metz Pedersen und sein Team Kopf und Kragen, auch wenn viele Aufnahmen mit den Helmkameras der Soldaten aufgenommen wurden. Wie kaum ein anderer Film zum Thema verdient „Armadillo“ mit seiner Analyse der fatalen Melange aus Langeweile und Entmenschlichung angesichts eines gewaltsamen Konflikts die Genre-Bezeichnung „Anti-Kriegsfilm“. Bei alle dem muss man sich bewusst sein, dass die Kugeln und Geschosse wirkliche Geschosse und Kugeln sind, die Verwundeten wirklich verwundet und die Toten wirklich tot sind: Eine erschreckende Realität, die weithin als Nebensache – zumal in Fernsehnachrichten – abgetan wird. „Armadillo“ verleiht ihr eine physische Dimension.
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