- | USA 2010 | 95 Minuten

Regie: Cam Archer

Eine alternde Diva zieht sich aus dem Schauspielberuf zurück. In einem Haus in den Bergen lässt sie das vergangene Jahr, ihre letzte große Vorstellung sowie ihre Affäre mit einem jüngeren Mann Revue passieren. Fragmentarisch und non-linear entfaltet sich auf mehreren Erzählebenen das (Anti-)Porträt eines enttäuschten Stars. Dabei ergeben die verschiedenen Facetten, die in eindrucksvollen Schwarz-Weiß-Bildern eingefangen werden, kein stimmiges Gesamtbild, kreisen das Thema vielmehr lose, bisweilen auch allzu selbstverliebt in der eigenen Ästhetik schwelgend ein. (O.m.d.U.) - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
SHIT YEAR
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
Parts and Labor/Strange Loop/Wild Invention
Regie
Cam Archer
Buch
Cam Archer
Kamera
Aaron Platt
Musik
Mick Turner
Schnitt
Madeleine Riley
Darsteller
Ellen Barkin (Colleen West) · Luke Grimes (Harvey West) · Bob Einstein (Rick) · Theresa Randle (Marion) · Melora Walters (Shelly)
Länge
95 Minuten
Kinostart
11.08.2011
Fsk
ab 12 (DVD)
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Salzgeber (16:9, 1.78:1, DD2.0 engl.)
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Diskussion
Nichts mehr zu haben, was man verlieren könnte – davor fürchtet sich die alternde Schauspielerin Colleen West am meisten, als sie beschließt, sich von ihrem Metier zu verabschieden. Der Öffentlichkeit präsentiert sie diesen Schritt wie einen amtlichen Rücktritt und wahrt damit zumindest den Anschein einer freiwilligen Entscheidung. Dabei ist natürlich klar, dass „Rückzug“ in der Sprache Hollywoods nichts anderes bedeutet, als nicht mehr „wanted“ zu sein – die großartige Ellen Barkin wird ihre eigenen Erfahrungen damit gemacht haben. Doch auch wenn Colleen West eine geradezu stoische Unsentimentalität an den Tag legt, kommt sie mit dem Abgetrennt-Sein von Leben, Erfolg, Anerkennung und Liebe nicht zurecht. In einem entlegenen Haus in den Bergen flüchtet sie sich tagelang in den Schlaf und in Träumereien über das vergangene Jahr, in dem sie nicht nur die letzte Vorstellung ihres Theaterstücks feierte, sondern außerdem eine hoffnungslose Affäre mit einem jungen und schönen Schauspieler namens Harvey West hatte. Wie schon in seinem Debüt, dem schwebenden Coming-of-Age-Film „Wild Tigers I Have Known“ (fd 38 759), löst sich Cam Archer nicht nur von den Regeln einer klassischen Erzählung, sondern auch von den Konventionen des Genres. So ist „Shit Year“ weder eine typische Midlife-Crisis-Geschichte, noch ein Hollywood-Porträt im eigentlichen Sinn. Hollywood ist in „Shit Year“ kein konkreter Ort, das heißt kein Raum, der sich faktisch zeigt, beispielsweise durch Bilder der „Traumfabrik“, die zum Repertoire des kulturellen Gedächtnisses gehören wie Filmstudios, Partys, Premieren oder gigantische Anwesen in den Hollywood Hills. Vielmehr zeigt Archer Hollywood als einen mentalen Zustand, der mit Verlust und Leere zu tun hat – nicht von ungefähr entwirft der Regisseur hauptsächlich minimalistisch-theaterhafte Szenen mit nie mehr als zwei Personen. Die Isolation der Hauptfigur wird dabei durch kontrastreiche Schwarz-Weiß-Bilder, die auf 16mm gedreht wurden, noch potenziert. Auf diese Weise versinkt Colleen West entweder in gleißendem Weiß oder wird von tiefem Schwarz umgeben – eine Ästhetik, die sich explizit als Antipol zur glatten Oberfläche von Hollywoodbildern verstehen lässt und sich eher an das Undergroundkino der 1960er-Jahre anlehnt. Auch auf der Erzählebene steuert alles Richtung Abstraktion. Die Struktur ist fragmentarisch und non-linear: Mal sieht man die Schauspielerin in einer Talkshow über ihren Ausstieg sprechen, mal in einer Rückblende mit Harvey West am Pool liegen, dann springt die Erzählung wieder in die Gegenwart und zeigt Colleen, wie sie in ihrem Rückzugsort durch die einsame Natur streift, deren beschauliche Ruhe immer wieder durch ohrenbetäubenden Baulärm gestört wird. Oder sie flieht vor einer geschwätzigen Nachbarin, die sich gänzlich unbeeindruckt vom „Star“ gegenüber zeigt und mit ihrer neuen Bekanntschaft lieber Figuren aus Äpfeln schnitzt als über Identitätsprobleme zu sprechen. Dazwischen geschoben sind etwas prätenziös wirkende Szenen in einem surrealen Science-Fiction-Setting – eine Art Labor, in dem Colleen eine Simulation ihres verflossenen Lovers zu kaufen versucht. Allerdings verbindet sich das oft in harten Brüchen aneinander montierte Material nicht wirklich zu einer fließenden Gesamtheit, die einzelnen Szenen bleiben vielmehr autonom, sie stehen allein für sich selbst. Wenn etwa Harvey West wie in einem von Andy Warhols Screen-Tests ikonisch ins geheimnisvoll ausgeleuchtete Schwarz-Weiß-Bild gerückt wird, ist das zwar von einer geradezu verführerischen Schönheit, doch richtet sich der Film in solchen Momenten recht unmotiviert in einer sich selbst genügenden Ästhetik ein. Als (Anti-)Porträt einer enttäuschten Diva funktioniert „Shit Year“ deshalb nur bedingt – am Ende kreist die Erzählung ebenso verloren um sich selbst wie Colleen West.
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