Mein bester Feind

Komödie | Österreich/Luxemburg 2011 | 105 Minuten

Regie: Wolfgang Murnberger

Der Sohn eines jüdischen Kunsthändlers in Wien ist der beste Freund eines jungen Mannes, der wie ein Ziehsohn seiner Familie mit ihm aufwuchs. Nach der Machtergreifung des NS-Regimes tritt der Freund in die SS ein und lässt sich von den Nazis instrumentalisieren. Eine verschwundene Zeichnung von Michelangelo sowie zahlreiche Verwirrungen und ein gefährlicher Rollentausch sorgen dafür, dass der junge Jude die Täter-Opfer-Konstellation austricksen kann. Intelligente, darstellerisch hervorragende Verwechslungskomödie mit teils aberwitzigen Szenen. Hinter dem märchenhaften Räderwerk des klug entwickelten Unterhaltungsfilms wird das System des Nationalsozialismus als blanker Terror und Gewaltzusammenhang sichtbar. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
MEIN BESTER FEIND
Produktionsland
Österreich/Luxemburg
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
Aichholzer Filmprod./Samsafilm
Regie
Wolfgang Murnberger
Buch
Paul Hengge
Kamera
Peter von Haller
Musik
Matthias Weber
Schnitt
Evi Romen
Darsteller
Moritz Bleibtreu (Victor Kaufmann) · Georg Friedrich (Rudi Smekal) · Udo Samel (Jakob Kaufmann) · Marthe Keller (Hannah Kaufmann) · Ursula Strauss (Lena)
Länge
105 Minuten
Kinostart
01.09.2011
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Komödie
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Diskussion
Die an und für sich legitime Frage, ob wir noch einen weiteren Nazi-Kostümfilm mit Moritz Bleibtreu brauchen – hier ist sie fehl am Platz. Wolfgang Murnberger („Der Knochenmann“, fd 39 136) ist ein überaus intelligenter Film gelungen, der seine Spannung nicht etwa im Blick auf das vermeintlich glückliche Ende generiert, sondern durch den wahrhaft aberwitzigen Weg dorthin. „Mein bester Feind“ erzählt die Geschichte zweier Männer zwischen 1938 und 1945. Der eine, Viktor, ist der Sohn reicher jüdischer Kunsthändler, der andere, Rudi, der Sohn von deren Putzfrau. Die jüdische Familie hat Rudi stets als Ziehsohn betrachtet, aber der hat sich offenbar selbst immer als Paria begriffen – und tritt seiner Ziehfamilie schließlich zur allgemeinen Überraschung in SS-Uniform gegenüber. Rudi will endlich auch einmal etwas darstellen in der Welt: Die Uniform verleiht ihm seine Identität und das Gefühl, künftig auf der Gewinnerseite des Lebens zu stehen. Die Handlung selbst ist schnell erzählt: Die Juden besitzen etwas, was die Nazis gerne hätten – eine Original-Zeichnung von Michelangelo. Doch es kursieren aus Sicherheitsgründen auch einige Fälschungen davon. Daraus resultiert eine durchaus turbulente Verwechslungskomödie, die nie ihren brutalen Kern überspielt, dass man nämlich als Jude mit der SS nur verhandeln kann, wenn man etwas unerhört Wichtiges besitzt. Dass hier ein Märchen vom Überleben, das es in der Realität so nicht gegeben haben dürfte, als unmögliche Wunschfantasie sehr realistisch erzählt wird, das hält der Film in jeder seiner unglaublichen, oft brutalen und oft auch unglaublich komischen Volten präsent. Der Reiz des Films liegt dabei weniger im recht vorhersehbaren Plot als vielmehr in der Frage: Wie weit wird er in den einzelnen Szenen gehen? Oder (um Lars von Trier in Cannes zu zitieren): „Wie komme ich hier jetzt wieder raus?“ Immer wieder werden komplexe Koflikt-Konstellationen geschaffen, die sich an Genre-Erwartungen reiben, und man genießt, wie intelligent der Film dieses Problem jeweils löst, um die Handlung voranzutreiben. Man blickt quasi aus einer Meta-Ebene direkt ins Räderwerk einer Komödie, die es dennoch schafft, den Zuschauer zu verblüffen. Das wird besonders deutlich in der Szenenfolge, in der Viktor und Rudi in einer Notsituation die Kleidung getauscht haben. Plötzlich trägt der Jude die SS-Uniform, verfügt aber nicht über die Verhaltenscodes, diese Uniform zu füllen. Währenddessen verlangt der nun in der KZ-Kluft steckende SS-Mann Rudi von seinen Kumpanen, ihm zu glauben, dass er tatsächlich ein als Jude verkleideter SS-Mann ist. Natürlich ist diese Szenenfolge eine Variante von „Kleider machen Leute“ und steht auch Lubitschs „Sein oder Nichtsein“ (fd 9062) nahe, aber Murnberger, Bleibtreu und Friedrich gelingt es durchaus meisterhaft, die Logik dieser Konstellation bis an die Schmerzgrenze zu treiben. „Mein bester Feind“ ist auch sozialpsychologisch zu jedem Moment auf der Höhe der Handlung, wenn er den Nazismus in jeder Faser seines Systems als blanken Terror und Gewaltzusammenhang beschreibt, der sich jederzeit auch gegen die eigenen Leute richten kann. Homo homini lupus – so präzise wie „Mein bester Feind“ ist Hobbes’ These lange nicht mehr in Szene gesetzt worden. Sämtliche Figuren sind hier ständig damit beschäftigt, die aktuellen Macht- und Gewaltverhältnisse zu reflektieren und ihr weiteres Handeln daran auszurichten. Wenn ganz am Schluss die Überlebenden mit einem Bild des ermordeten Vaters in der Hand (scheinbar) triumphierend von dannen ziehen, dann ist diese Feier des Überlebens zugleich ein unversöhnliches Memento Mori im Blick auf eine Gesellschaft, in der es sich die Täter voller Selbstmitleid gerade wieder gemütlich machen. Klüger und unberechenbarer, zudem mit erstklassig agierenden Darstellern besetzt kann Unterhaltungskino mit politischem Anspruch und Respekt vor dem Intellekt des Zuschauers nicht sein.
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