Shopping Girls - Galerianki

Drama | Polen 2009 | 76 Minuten

Regie: Katarzyna Roslaniec

Heranwachsende Mädchen prostituieren sich in polnischen Kaufhäusern, um an schnelles Geld für diverse Statussymbole und Markenartikel zu kommen. In Form eines Lehrstücks rechnet der Film mit der dahinter stehenden unmenschlichen Konsummentalität ab. Dabei wird die Hauptfigur auf einen Sühne- und Reifeprozess geschickt, der sozial und psychologisch genau determiniert ist und auch vor schlimmstmöglichen dramaturgischen Wendungen nicht zurückscheut. Dass dieses Vorhaben nicht in Didaktik erstarrt, ist vor allem dem authentischen Spiel der jungen Darstellerinnen zu verdanken. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
GALERIANKI
Produktionsland
Polen
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
Wytwórnia Filmów Dokumentalnych i Fabularnych (WFDiF)
Regie
Katarzyna Roslaniec
Buch
Katarzyna Roslaniec
Kamera
Witold Stock
Musik
Adam Ostrowski
Schnitt
Kamil Czwartosz · Jaroslaw Kaminski · Wojciech Mrówczynski
Darsteller
Anna Karczmarczyk (Alicja) · Dagmara Krasowska (Milena Trecz) · Dominika Gwit (Kaja) · Magdalena Ciurzynska (Julia) · Izabela Kuna (Alicjas Mutter)
Länge
76 Minuten
Kinostart
18.08.2011
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Die erste Szene zeigt drei Mädchen im gläsernen Lift eines Kaufhauses. Vor dem Hintergrund der bunt schillernden Warenwelt plappert sich die 17-jährige Milena gleichsam um Kopf und Kragen, wenn sie erklärt, sie glaube nicht an die große Liebe, nur an das schnelle Geld. Tatsächlich sind die jugendlichen „Galerianki“, wie sie in Polen genannt werden, auf der Jagd nach männlichen „Sponsoren“, die sich für ein bisschen Sex bereit finden, den Girlies ihr Portemonnaie zu öffnen: Hochhackige Schuhe, Mobiltelefone neuester Bauart und andere vermeintliche Statussymbole haben eben ihren Preis. Für die Mädchen, deren Eltern die Wünsche ihrer Töchter keineswegs zu erfüllen in der Lage sind, scheint das der kürzeste, unkomplizierteste Weg zum Glück. In ihrem ersten Spielfilm „Shopping Girls“, einer langen Variante des 2006 gedrehten gleichnamigen Kurzfilms, nimmt sich Regisseurin Katarzyna Roslaniec des in Polen weit verbreiteten Phänomens an. Dafür greift sie auf die Form eines Lehrstücks zurück, das ein Teenager-Publikum betroffen machen und im besten Fall zu dessen moralischer Läuterung beitragen soll. Dass dieses Vorhaben nicht in Didaktik erstarrt, ist weniger der ziemlich durchschaubaren Dramaturgie, wohl aber den jungen Darstellerinnen zu danken, die von der Regisseurin zu einem frischen und authentischen, ganz und gar nicht deklamatorischen Spiel angeregt wurden. Als Identifikationsfigur wählt der Film das Mädchen Alicja, das neu in die Klasse kommt und weder über Absatzstiefel noch über das neueste Handy-Modell verfügt: in den Augen der Mitschülerinnen eine typische „graue Maus“. Alicja aber will heraus aus dieser Haut, und die forsche Milena nimmt sich ihrer an: eine Variante des klassischen Modells von Engel und Teufel, Faust und Mephisto im Teenie-Format. „Shopping Girls“ zeigt die Verwandlung, der sich Alicja unterwirft, und welche Spuren das auf ihrem Gesicht hinterlässt. Der Alkohol schmeckt ihr nicht, aber er gehört nun mal dazu, selbst wenn ihr am Morgen danach erbärmlich zumute ist. Auch der erste bezahlte Sex mündet in eine elende Erfahrung: Wenn das Mädchen, von der Kamera in einer Totale erfasst, nackt in der Ecke des Sofas kauert, unmittelbar nach dem Akt, der von der Regisseurin in einer Ellipse übersprungen wird, spricht das Bände für Alicjas seelische Verfassung. Das Signal zur endgültigen Umkehr vom falschen Pfad wird allerdings erst dann gestellt, nachdem ein Mitschüler zu Tode gekommen ist: Seine selbst gebastelten Engelsflügel – ein wenig zu viel Symbol in dem ansonsten fast dokumentarisch anmutenden Film – liegen im Staub. Zuvor haben die flotten Freundinnen furchtbar versagt, und auch Alicja weiß sich keineswegs frei von Schuld. So entlässt Katarzyna Roslaniec ihre Heldin in einen Sühne- wie Reifeprozess: Wenn Alicja in der letzten Szene vor dem Spiegel steht, sich die Tränen aus dem Gesicht wischt und den Lippenstift entfernt, hat die „beeindruckende Wandlung vom Kind zur Frau“ (wie die Jury des Cottbuser Filmfestivals schrieb) längst eingesetzt. „Shopping Girls“ überzeugt durch kluge Details: Unaufdringlich wird die soziale Situationen der Eltern skizziert, meist Arbeiter oder kleine Angestellte, die nicht wissen, wie sie die laufenden Unkosten durch reguläre Tätigkeit finanzieren sollen und sich bisweilen ihre eigenen Fluchtpunkte suchen. Psychologisch genau beschreibt der Film die Eifersüchteleien und Rivalitäten unter den Mädchen; auch die Nöte der gleichaltrigen Jungen, ihre erste Liebe auszuleben. Als besonderes Stilmittel blendet er diverse Werbeslogans ein; falsche Versprechungen allerorten: „Im Supermarkt findest Du die wahren Freunde“, heißt es auf einem Transparent, das von den zwischen Naivität und Sarkasmus changierenden Galerianki auf ihre eigene Weise interpretiert wird.
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