Berlin - Paris: Die Geschichte der Beate Klarsfeld

Dokumentarfilm | Deutschland 2011 | 86 Minuten

Regie: Hanna Laura Klar

Dokumentation über das engagierte Leben der "Nazi-Jägerin" Beate Klarsfeld (geb. 1939), einer Berlinerin, die 1960 nach Paris ging, wo sie ihren Mann kennen lernte und an dessen Seite zu ihrer Berufung fand. Gut recherchiert, speist sich der Film aus den Erinnerungen der Protagonistin, die er mit Archivaufnahmen und Aussagen von Zeitzeugen unterfüttert. Daraus entsteht eine Geschichtslektion, die eine bemerkenswerte Frau würdigt und ein Stück bundesdeutsche Geschichte aufarbeitet. (Teils O.m.d.U.) - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
klarfilm
Regie
Hanna Laura Klar
Buch
Hanna Laura Klar
Kamera
Thomas Giefer · Nina Werth · Thomas Wilke · Martin Putz · Maurice Rothe-Eberl
Musik
Marycones · Irmis Leidenschaft · Aliosha Biz
Schnitt
Judith Futár-Klahn
Länge
86 Minuten
Kinostart
08.09.2011
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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Diskussion
Beate Klarsfeld ist jene Frau, die mit einem Schlag für Schlagzeilen sorgte, wenn nicht sogar Geschichte schrieb, als es ihr am 17.11.1968 in einem politisch ohnehin aufgeheizten Jahr gelang, sich in den CDU-Parteitag einzuschmuggeln, Kurt-Georg Kiesinger öffentlich als Nazi zu titulieren und ihn zu ohrfeigen. Die Tat, mit ihrem Mann Serge Klarsfeld abgesprochen, sorgte weltweit für Aufsehen, wobei sie weniger als körperliche Attacke denn als symbolischer Akt zu deuten ist: Klarsfeld wollte auf die Vergangenheit Kiesingers aufmerksam machen, der nicht nur aktives NSDAP-Mitglied, sondern auch Funktionsträger war. Symbolisch auch deswegen, weil sie ein ganzes Volk, die Deutschen, auf ihre Verdrängungshaltung und den Hang zur Geschichtsklitterung aufmerksam machen wollte. Hanna Laura Klar, die zuvor u.a. Filme über die Geschwister Scholl und Elfriede Jelinek drehte, porträtiert die ebenso couragierte wie kämpferische Klarsfeld, eine gebürtige Berlinerin, die 1960 nach Paris ging, wo sie ihren späteren Mann kennen lernte, einen Juden aus Nizza, dessen Vater in Auschwitz ermordet worden war. Er sensibilisierte sie für dieses verdrängte Kapitel der deutschen Geschichte, das im hiesigen Schulunterricht nicht vorkam, und unter seiner Führung wurde sie zu Aktivistin. Ihre Arbeit brachte ihr den Titel „Nazi-Jägerin“ ein, was mitunter durchaus despektierlich gemeint war und ist, was aber auch als Ehrenbezeichnung akzeptiert werden kann. Die Klarsfelds erreichten immerhin, dass Kurt Lischka, der als Befehlshaber der Sicherheitspolizei von Paris mitverantwortlich für die Deportation von 76.000 französischen Juden war, in Deutschland ein zweiter Prozess gemacht wurde, der zu einer Haftstrafe führte. Auch an der Enttarnung und Auslieferung Klaus Barbies, des Gestapo-Chefs von Lyon, der in Bolivien untergetaucht war, waren sie maßgeblich beteiligt. Heute sind Beate und Serge Klarsfeld ein wenig ruhiger geworden: Sie erstellen Dokumentationen, Namenslisten deportierter Juden und Fotobände mit den Porträts verschleppter Kinder oder initiieren Ausstellungen, u.a. die Wanderausstellung „Sonderzüge in den Tod“, die auch in deutschen Bahnhöfen zu sehen war. Der Film beginnt äußerst betulich: Hanna Laura Klar und Beate Klarsfeld sind im nahezu vertraulichen Gespräch vertieft, starre Einstellungen bestimmen das Geschehen. Dann aber nimmt der Film Fahrt auf, dokumentiert Stationen eines bewegten Lebens, wechselt Schauplätze, mischt Gesprächsszenen mit Archivaufnahmen, holt die Meinung von Angehörigen und Weggefährten ein, zeigt Dokumente von verschiedenen Ehrungen – wobei Beate Klarsfeld nie eine offizielle Würdigung in Deutschland zuteil wurde. Die Auszeichnung für das Bundesverdienstkreuz, für das sie zweimal vorgeschlagen war, wussten sowohl Joschka Fischer als auch Guido Westerwelle in ihrer Funktion als Außenminister zu verhindern. In erster Linie lebt der Film von den Schilderungen Beate Klarsfelds, die Privates mit Politischem mischt, nie Monotonie aufkommen lässt, wiederholt betont, die Deutschen nie mit den Nazis gleichgesetzt zu haben, und stolz darauf ist, „eine Deutsche zu sein“. Sie ist davon überzeugt, dass ihre Ohrfeige indirekt dazu beigetragen hat, dass Willy Brandt die Nachfolge von Kiesinger antreten konnte. Der gut recherchierte Film wartet zwar mit einigen eher statischen Momenten auf, weiß aber, eine engagierte und weltoffene Frau umfassend darzustellen; zugleich konfrontiert er mit einem Kapitel der deutschen Geschichte und gibt eine Lektion, die man so schnell nicht vergisst und die nachreifen sollte.
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